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Wirtschaft: Auch Kiew manövriert am Abgrund

WARSCHAU (rev/HB).In der ukrainischen Hauptstadt Kiew wartet man dringend auf eine Entscheidung der Exekutive des Internationalen Währungsfonds (IWF).

WARSCHAU (rev/HB).In der ukrainischen Hauptstadt Kiew wartet man dringend auf eine Entscheidung der Exekutive des Internationalen Währungsfonds (IWF).Ende Juli hatten IWF-Vertreter mit der Regierung Grundzüge eines Abkommens über ein dreijähriges Stabilisierungs- und Reformprogramm ausgehandelt, das mit einem IWF-Kredit von knapp 2,2 Mrd.Dollar im Rahmen der Erweiterten Fonds-Fazilität (EFF) unterstützt werden soll.Eine Genehmigung dieses Programms, so heißt es, werde der Ukraine Zugang zu weiteren Mitteln der Weltbank in Höhe von knapp eine Mrd.Dollar eröffnen.

Offensichtlich haben die Turbulenzen in Rußland und die internationale Debatte über das dortige Engagement des IWF sowie die Einsicht in die Begrenztheit der eigenen Mittel die Verantwortlichen in Washington erst einmal davon abgehalten, eine Entscheidung bezüglich der Ukraine zu fällen.

Das ausgearbeitete, reichlich ambitiöse Programm zielt vorrangig auf eine Förderung des Wachstums und auf die Konsolidierung erzielter Stabilisierungserfolge.Angestrebt werden insbesondere eine weitere Reduzierung des Haushaltsdefizits, eine Verbesserung des Steuersystems, sowie die Restrukturierung und Liberalisierung einzelner Sektoren der Wirtschaft.Auch wenn die wirtschaftliche Situation der Ukraine nicht so schlecht ist wie die Rußlands, hat die finanzielle Krise des großen Nachbarn doch deutlich gemacht, wo die eigenen Reformdefizite insbesondere auf dem Gebiet der öffentlichen Finanzen liegen.

Problematisch ist auch der Rückgang der offiziellen Devisenreserven, die nach jüngsten Angaben nur noch knapp eine Mrd.Dollar betragen.Beobachter sprechen sogar von einem möglichen finanziellen Bankrott des Landes, sollten ausländische Investoren ihren Rückzug vom ukrainischen Finanz- und Kapitalmarkt fortsetzen.Auf jeden Fall wirken die Rubelabwertung und das umstrittene Schuldenmoratorium der russischen Regierung wie ein Katalysator auf den ukrainischen Finanzmarkt, wobei sich die inländische Nachfrage nach Devisen verstärkt und der Abwertungsdruck auf die Landeswährung Hryvna wächst.

Nach offiziellen Angaben hat die ukrainische Währung in den letzten zwei Wochen über fünf Prozent ihres Werts gegenüber dem Dollar verloren und bewegt sich am oberen Rand des Korridors, dessen Grenze bei einem Wert von 2,25 zum Dollar liegt.Auf dem ukrainischen Interbankenmarkt werden Dollar inzwischen für 2,27 bis 2,30 Hryvny verkauft.Die ukrainische Zentralbank hat die Situation auf dem einheimischen Devisenmarkt nur noch mittels administrativer Beschänkungen unter Kontrolle.So ist der Kauf von Dollar nur noch möglich im Rahmen der Realisierung von Importgeschäften bzw.des Gewinntransfers ausländischer Investoren.

Beobachter betonen, ohne internationale Hilfe könne die Ukraine schnell in russische Verhältnisse abgleiten.Ebenso könne das Land Objekt großangelegter Spekulationen werden.Die von der Regierung erwogene Umwandlung von staatlichen, in einheimischer Währung angelegten Schuldentiteln in Dollar-Anleihen mit einer Laufzeit von drei bis fünf Jahren, so heißt es, wäre ein gangbarer Weg.Auch mit einer Umstrukturierung der Dollarschulden gegenüber institutionellen Gläubigern müsse man sich befassen.

Die ukrainische Führung weiß, daß ihr das Wasser bis zum Hals steht, und so hat sie sich in jüngster Zeit bemüht, internationale Auflagen etwa des IWF zu erfüllen.Als das Parlament im Juni wegen des Tauziehens um die Wahl seines Vorsitzenden blockiert war, erließ Präsident Leonid Kutschma Dekrete zur Vereinfachung des Steuersystems .Nach wie vor fordert er vom Parlament die Verabschiedung eines Nachtragshaushalts, der das Budgetdefizit für 1998 auf 2,3 Prozent des BIP senken soll.Dabei ist das politische Umfeld für ein solches Vorgehen eher problematisch, denn die Parlamentswahlen vom März habe keine eindeutige Orientierung auf Reformen ergeben.Vielmehr wurde die skeptische Linksopposition gestärkt, für die der moderate Kurs von Kutschma schon zu radikal ist.Das grundlegende Dilemma der Ukraine besteht darin, daß die erfolgreiche Außenpolitik insbesondere des Präsidenten, die nicht zuletzt den Spielraum gegenüber Rußland beträchtlich erweitert hat, keine innenpolitische Entsprechung hinsichtlich wirtschaftlicher Reformen findet.So droht die Gefahr, daß die gesellschaftliche Situation aufgrund wirtschaftlich-finanzieller Bedrohungen explodieren könnte.

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