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Wirtschaft: Auch Reemtsma baut Jobs in Berlin ab

Zigarettenkonzern verlagert Arbeitsplätze nach Polen / DGB und FDP werfen Senat Versagen in der Wirtschaftspolitik vor

Berlin - Nach Samsung, Siemens und Herlitz will jetzt auch der Zigarettenkonzern Reemtsma Arbeitsplätze in Berlin abbauen. Ein großer Teil der Zigarettenproduktion soll von Berlin nach Polen verlagert werden, teilte das Tochterunternehmen der britischen Imperial Tobacco Group am Freitag in Hamburg mit. Rund 200 der 550 Arbeitsplätze sollen bis zum Jahresende wegfallen.

Gewerkschaften und die FDP warfen dem Berliner Senat vor, mitverantwortlich für den massenhaften Abbau von Industriearbeitsplätzen in der Hauptstadt zu sein. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wies die Vorwürfe zurück. Die Stadt sei schon heute „kein ausgeprägter Industriestandort mehr“, sagte er. Während im bundesweiten Durchschnitt auf 1000 Einwohner 71 Industriebeschäftigte kämen, seien es in Berlin 30.

In der vergangenen Woche hatten mit Siemens, Samsung und Herlitz gleich mehrere Unternehmen angekündigt, dass Arbeitsplätze in Berlin abgebaut werden oder zumindest gefährdet sind (siehe Kasten). Dagegen hat Bosch-Siemens-Hausgeräte gerade wieder Abstand von seinem Plan genommen, das Werk in Spandau zu schließen. Der Sozialplan im Falle einer Schließung wäre teurer gewesen als die Fortführung der Produktion.

Der Zigarettenkonzern Reemtsma hatte erst im vergangenen Jahr 80 Arbeitsplätze in Berlin abgebaut. Grund ist die gesunkene Nachfrage nach Zigaretten, die nach mehreren Tabaksteuererhöhungen vielen Verbrauchern zu teuer geworden sind. Im Wilmersdorfer Werk werden künftig nur noch 14 Milliarden Zigaretten der Marke „West“ pro Jahr produziert – zehn Milliarden weniger als bisher. Wichtigster deutscher Produktionsstandort soll künftig das Werk in Langenhagen bei Hannover sein.

Den Berliner Mitarbeitern, die von dem geplanten Abbau betroffen sind, will Reemtsma Arbeitsplätze in Langenhangen oder im polnischen Werk in Tarnowo anbieten. „Der Abbau von Arbeitsplätzen ist immer eine traurige Nachricht“, sagte David Cresswell, der beim Mutterkonzern Imperial Tobacco für die Produktion verantwortlich ist. „Wir werden unsere Mitarbeiter weiterhin unterstützen und einen fairen und verantwortungsbewussten Umgang sicherstellen.“ Ein Reemtsma-Sprecher schloss auf Anfrage betriebsbedingte Kündigungen aber nicht aus.

DGB-Chef Dieter Scholz warf dem Senat vor, sich gegen den Abbau industrieller Arbeitsplätze in der Stadt nicht ausreichend gewehrt zu haben. Dies sei eine „Kapitulation“ vor den „sicher schwierigen Aufgaben“ einer Industriepolitik. Die größte Stadt der Bundesrepublik habe heute weniger Industrie als selbst die ostdeutschen Flächenländer, sagte Scholz. Die FDP warf dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) Versagen vor.

Diese Kritik wird allerdings nicht überall geteilt. So hieß es bei der Industrie- und Handelskammer, die Vernichtung von Arbeitsplätzen sei nicht zu verhindern. Auch Hartmut Mertens von der Investitionsbank Berlin sagte, der Abbau industrieller Arbeitsplätze, die keine Zukunft hätten, sei „ein gesunder Prozess, der überall abläuft“. Gleichzeitig entstünden in Berlin neue Arbeitsplätze, etwa in der Verkehrstechnik oder im Tourismus. Seit 1995 seien zwar mehr als 150 000 Jobs in der Stadt verloren gegangen, aber auch 100 000 neue aufgebaut worden. „Der Standort Berlin ist nach wie vor attraktiv“, sagte der Volkswirt.

Maren Peters

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