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Zehn Jahre Monate auf Bewährung. Der ehemalige Vorstandssprecher der IKB, Stefan Ortseifen (links) bespricht sich mit seinem Anwalt im Düsseldorfer Landgericht. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: Auch vor Gericht der Erste

Der ehemalige IKB-Chef Stefan Ortseifen wird zur Symbolfigur für die Aufarbeitung der Finanzkrise

Düsseldorf - Das Urteil nimmt Stefan Ortseifen entgegen, ohne dass sich ein Muskel in seinem kantigen Gesicht bewegt: Zehn Jahre Haft auf Bewährung und eine Geldauflage von 100 000 Euro für gemeinnützige Organisationen. Damit folgt das Gericht den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Stoisch lauscht der ehemalige Vorstandschef der Mittelstandsbank IKB, warum ihn die Strafkammer des Düsseldorfer Landgerichts am Mittwoch der „vorsätzlichen Marktmanipulation“ für schuldig befindet.

Er habe die Lage der IKB am 20. Juli 2007 verharmlost und das Vertrauen des Marktes missbraucht, begründet die Vorsitzende Richterin Brigitte Koppenhöfer. Damals, als die Bank per Pressemitteilung versicherte, nur marginal von der Krise um bonitätsschwache Hauskredite in den USA betroffen zu sein. Es sei klar gewesen, „dass die Risiken nicht mehr kalkulierbar waren“ wegen der milliardenschweren Verbriefungsgeschäfte, die Ortseifen als Zusatzverdienst der Bank aufgebaut hatte.

Eine Woche nach der Pressemitteilung stand die IKB vor der Pleite und musste mit mehr als zehn Milliarden Euro gerettet werden – als erste deutsche Bank in der Finanzkrise.

So wird Ortseifen ungewollt zur Symbolfigur. Die Richterin betont zwar: „Wir wollten kein Exempel statuieren.“ Dennoch ist Ortseifen wieder der Erste – der erste verurteilte Bankmanager in der Finanzkrise. Er war bereits der erste, dem wegen der Finanzkrise gekündigt wurde.

Dabei passt der 59-Jährige mit der hohen Stirn und dem lichten weißen Haar nicht in das Bild der wilden Investmentbanker. Er ist eher der bodenständige Arbeiter, der sich von der großen Welle der Finanzmärkte hat mitreißen lassen, aber untergegangen ist.

Mehr als zwei Jahrzehnte arbeitet sich Ortseifen in der Mittelstandsbank IKB hoch. Eloquent und ehrgeizig schafft er eine Stufe nach der anderen, auch wenn er in all der Zeit zu keinem der Kollegen ein tiefes persönliches Verhältnis aufbaut. Mit den Verbriefungen von Krediten schafft Ortseifen schließlich ein neues Geschäftsfeld, das später ein Viertel des Gewinns einbringt und Ortseifen zum Vorstandssprecher macht.

Drei Jahre ist es her, da war der gebürtige Bayer noch ein als erfolgreich geltender Banker, der auf Investorenkonferenzen in London und New York gerne für die kleine Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB warb. Heute ist alles anders: Die Karriere wurde abrupt beendet, Ortseifen klagt immer noch gegen seine fristlose Kündigung im Jahr 2007. Er lebt vor allem von den Zinsen seines Vermögens, das nach Gerichtsangaben „im unteren einstelligen Millionenbereich“ liegt. Viele ehemalige Weggefährten sollen sich von ihm abgewendet haben, heißt es. Eine Anstellung als Bankvorstand, das sagt auch Richterin Koppenhöfer indirekt, wird er wohl nie wieder bekommen.

Als die Urteilsverkündung nach einer Stunde endet, wendet sich Ortseifen einem seiner Anwälte zu und lässt Arme und Schultern nach vorne fallen. Will man etwas in diese Geste interpretieren, so wirkt er eher enttäuscht denn erleichtert. „Ich bin überzeugt, dass ich mich nicht strafbar gemacht habe“, hatte er noch einen Tag zuvor gesagt.

Seine Anwälte hatten Freispruch gefordert, hatten argumentiert, Ortseifen habe an jenem 20. Juli nicht wissen können, dass wenige Tage später der Verbriefungsmarkt völlig zusammenbrechen werde. Die IKB sei zudem nur in Liquiditätsnot gekommen, weil die Deutsche Bank einen Kredit kündigte. Auf 180 Seiten hatte Ortseifen dem Gericht seine Sicht dargestellt, dennoch kritisierte die Richterin: „Es hat sich gezeigt, dass Sie kein kompetenter Sachverständiger waren.“

Nach dem Urteil erklärten die Anwälte des Bankers, in Berufung zu gehen, während Ortseifen selbst mit schnellen Schritten und unbewegter Miene an Kameras und Journalisten vorbeieilte. HB

Nicole Bastian

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