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Wirtschaft: Auf Berlin-Tour

Immer mehr Gäste aus dem In- und Ausland kommen in die Stadt. Die Tourismusbranche wächst – und schafft Arbeitsplätze. Welche Berufe besonders gefragt sind und wie der Einstieg gelingt.

Die Reisegruppe steht mit ihren Fahrrädern vor dem Brandenburger Tor, als der Touristen-Führer Ekki Busch wieder einmal ein Missverständnis aufklären muss. „Wann wurde die Quadriga eigentlich umgedreht?“, fragt jemand. Auf einem Foto von seinem letzten Berlinbesuch in den Siebzigern stehe die Statue ganz sicher anders herum und auch sein Berlinbuch würde so etwas behaupten. Ekki Busch zupft an seiner orangefarbenen Weste und antwortet geduldig: „Nein, die Quadriga schaut schon immer Richtung Osten, weil sie den Einzug in das alte Berlin symbolisiert.“

Seit vier Jahren führt Ekki Busch als Freiberufler für „Berlin on Bike“ Touristen durch die Stadt. In dieser Zeit haben sich die Aufträge des Unternehmens verdreifacht, sagt er. Damals führten gerade einmal 15 Guides Besucher per Fahrrad durch die Stadt, heute sind es 60 bis 70. Viele von ihnen machen den Job neben einer künstlerischen Arbeit, zum Beispiel als Schauspieler. Der Verdienst ist nicht gerade hoch. Rund 15 Euro bekommt ein Guide pro Stunde. Auch wenn es heute mehr Konkurrenz gibt, sieht Ekki Busch immer noch Wachstumspotenzial. Das liege an der weiter steigenden Zahl von Touristen – und an der höheren Akzeptanz für Stadtführungen per Rad.

Nicht nur „Berlin on Bike“ profitiert von den Besuchern. Der Tourismus ist in Berlin zu einem wichtigen Wirtschaftszweig avanciert. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Touristen laut der Senatsverwaltung für Wirtschaft fast verdoppelt. Berlin liegt hinter London und Paris auf Platz drei der beliebtesten europäischen Städtedestinationen. Zwischen 2005 und 2010 verzeichnete die Stadt mit im Schnitt 7,3 Prozent das höchste Jahreswachstum im Tourismus in Europa. Und das wirkt sich deutlich auf den Arbeitsmarkt aus.

Den Agenturen für Arbeit in Berlin wurden für den Bereich Tourismus allein in diesem Jahr bis einschließlich April 5387 neue Stellen gemeldet. Das sind 2374 mehr als vor einem Jahr. In der Suchmaschine „Jobsterne“ der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung findet man momentan mehr als 5000 offene Stellen in der Berliner Gastronomie- und Hotellerie. Auf Hotelcareer.de sind es über 1000. Die Spannbreite reicht vom Koch bei Sarah Wiener bis zum Zimmermädchen in einem Fünf-Sterne-Hotel. Vor allem Köche, Restaurantfachleute, Kellner und Reiseverkehrskaufleute sind nach Angaben der Arbeitsagentur gesucht.

Der übliche Weg in die Branche führt über eine Ausbildung, zum Beispiel zum Koch, zum Hotel- oder Restaurantfachmann oder zur Fachkraft im Gastgewerbe. Es gibt allerdings auch viele Quereinsteiger und Aushilfskräfte, die von den Betrieben angelernt werden. Die Chancen beruflich weiterzukommen sind nicht schlecht. Thomas Lengfelder vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sagt: „In kaum einer Branche kann man so schnell und erfolgreich die Karriereleiter ‚hochrutschen'.“ Auch in der Tourismusbranche mangelt es an Fachkräften. Den Verbandsmitgliedern der Dehoga fällt es nicht leicht, qualifiziertes Personal zu finden.

Zu den Fähigkeiten, die man im Tourismus mitbringen sollte, gehören laut Thomas Lengfelder eine hohe Dienstleistungsbereitschaft, Höflichkeit und Einsatzbereitschaft sowie eine gute Allgemeinbildung und Fremdsprachenkenntnisse. „Während Mitarbeiter in Hotels überwiegend fest angestellt sind, gibt es in der Gastronomie von je her viele Aushilfsjobs“, sagt Lengfelder. Zu den Besonderheiten der Arbeit in der Gastronomie- und Hotellerie gehört, dass die Mitarbeiter oft dann im Einsatz sind, wenn andere Urlaub machen oder feiern. Bei besonderen Veranstaltungen in der Stadt, wie der Internationalen Tourismusbörse (ITB) oder dem Berlin-Marathon, gilt in einigen Betrieben eine Urlaubssperre.

Wer als Fahrradguide Touristen durch die Stadt führen will, braucht ein solides Geschichtswissen. Doch das ist nicht das einzige, was zählt. „Man darf kein Problem damit haben, vor einer Gruppe frei zu sprechen“, sagt Ekki Busch. Ihm selbst ist Publikum vertraut. Er tritt als Musiker bei Theaterproduktionen auf. Im Frühling und im Herbst, wenn er gerade keine Auftritte hat, führt er Besucher durch Berlin. Drei bis vier Stunden dauert eine Tour. Viele Wege führen zum Stadtführer: Künftige Guides bei „Berlin on Bike“ nehmen an sechs Schulungsabenden im Februar und März teil. Ekki Busch leitet inzwischen einen Teil der Seminare. „Dabei lernt man die Touren kennen und wird in Verkehrssicherheit geschult. Zu den Schattenseiten des Jobs gehören schwierige Situationen im Straßenverkehr, zum Beispiel wenn sich ein Autofahrer verbotenerweise in die Kolonne drängt“, sagt er. Nach der Schulung gibt es eine Probefahrt mit den Vorgesetzten. Nicht jeder besteht diese Prüfung, denn neben dem Fachwissen muss auch der Unterhaltungswert einer Tour stimmen.

Eine weit aufwändigere Ausbildung zum Stadtführer bietet der Verband der Berliner Stadtführer „Berlin Guide e.V.“ in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Gästeführer und der Berlin Akademie an. Die berufsbegleitende Ausbildung „Region Berlin“ findet auf der Grundlage der europaweit anerkannten Richtlinie DIN-EN statt. Sie umfasst 600 Unterrichtsstunden und vermittelt theoretisches Wissen und praktische Fertigkeiten wie Kommunikationstechniken und Konfliktmanagement. Die Kosten für den Lehrgang betragen 3500 Euro.

Die weitaus größere Investition kann sich durchaus lohnen. Wer die Ausbildung absolviert hat, kann sich als Verbandsmitglied listen lassen – und dadurch leichter an Aufträge gelangen. „Wir vermitteln zwar keine Gästeführer, lassen aber interessierten Kunden und Reiseveranstaltern eine Liste unserer Verbandsmitglieder zukommen“, sagt die Vorsitzende von Berlin Guide, Sigrid Pokorny. Das sei für Berufseinsteiger eine große Hilfe. Fast alle Berliner Stadtführer arbeiten laut Pokorny selbstständig.

Für Ekki Busch ist der Job die perfekte Kombination von Dingen, die ihm Spaß machen. Er fährt gern Rad und es macht ihn glücklich, wenn es ihm gelingt, sein Publikum für Berlin zu begeistern. Außerdem sieht er die Stadt jetzt mit anderen Augen. „Ich nehme Veränderungen viel bewusster wahr“, sagt er.

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