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Profil gesucht. Schon in den vergangenen Tagen hat die Polizei nach Autos mit Sommerreifen Ausschau gehalten. Foto: dpa

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Auf dem Glatteis: Engpässe bei Winterreifen befürchtet

Die neue Winterreifen-Pflicht kurbelt den Absatz an – schon klagen Händler und Autowerkstätten über Engpässe.

Berlin - Bei ATU an der Yorckstraße in Kreuzberg war schon zwei Tage vorher um neun Uhr Schluss. Winterreifen gab es nicht mehr, alles ausverkauft. „Wir mussten nach einer Stunde die Annahme für den Reifenwechsel stoppen, weil die Werkstatt voll ausgelastet war“, sagt ein Sprecher der Werkstatt-Kette. Die Autos hätten in Dreierreihen Schlange gestanden. Auch im Rest der Republik brummt das Geschäft: „Seit Ende vergangener Woche verkaufen wir doppelt so viele Winterreifen wie sonst“, hieß es bei ATU.

Auslöser des Booms ist Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Eine neue Verordnung schreibt vom heutigen Sonnabend an vor, dass Autofahrer bei Eis und Schnee verpflichtet sind, Winterreifen aufzuziehen. „Wer jetzt mit falschen Reifen unterwegs ist, gefährdet sich und andere. Wir wollen gefährliche Rutschpartien mit schlimmen Folgen verhindern“, sagte der Minister am Freitag.

Zwar freut sich die Branche über die Nachfrage, die Marktlage ist allerdings unklar. „Die Lager sind ziemlich leergefegt“, sagt Peter Hülzer, Vorsitzender des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk. Dies sei ein bundesweites Phänomen. Zwar habe die Industrie im Herbst mehr Reifen geliefert als im Vorjahr, durch die neue Pflicht sei aber auch die Nachfrage höher. Nachschub aus den Fabriken sei nicht mehr zu erwarten – zum einen laufe die Neuwagen-Produktion auf Hochtouren, zum anderen habe die Industrie die Fertigung schon wieder auf die Sommerreifen umgestellt. „Und im Ausland ist auch nichts zu bekommen, dort ist das Wetter genauso schlecht wie hier.“ Ein Marketing-Gag sei die Klage über knappe Reifen keineswegs. „Das haben wir vielleicht früher mal gemacht, um die verhaltene Nachfrage anzukurbeln, dieses Mal ist es aber bestimmt nicht so“, beteuerte Hülzer. 2009 verkaufte die Branche 24,3 Millionen Winterreifen.

Der Reifenhändler Vergölst bestätigt den Mangel. „Die Lage ist sehr angespannt“, sagte ein Sprecher. Zwar seien noch Exemplare zu bekommen, aber nicht mehr von jedem Hersteller und nicht mehr in jeder Größe. Preiskämpfe wie sonst üblich habe es daher in diesem Winter nicht gegeben. Die Kfz-Innung Berlin beklagt dagegen eine „Preissteigerung von 30 bis 100 Prozent“ und „enorme Lieferengpässe“. Einige Werkstätten könnten deshalb keine Reifen wechseln. Bei ATU gibt es genug Nachschub. „Es reicht, allenfalls beim Smart und bei Kleintransportern kann es eng werden", hieß es. ATU betreibe zwei eigene Lager und sei weniger abhängig von den Lieferungen der Industrie. Die Preise hätten nur „minimal“ angezogen und begönnen bei 50 Euro pro Reifen.

Wer ein Auto mietet, muss bei Schnee und Eis selbst darauf achten, dass der Wagen Winterreifen hat. Die passende Ausstattung lassen sich die Vermieter teuer bezahlen: Bei Europcar kostet die „winterliche Bereifung“ 12 bis 15 Euro pro Tag, bei Sixt 16 Euro, bei Hertz 15 Euro. Europcar begründet den Aufschlag mit den Kosten für den Reifenwechsel.

„Wir geben bei der jetzigen Witterung gar keine Autos mit Sommerreifen raus“, sagt eine Sprecherin von Europcar. Bei Sixt haben nach eigenen Angaben 95 Prozent der Fahrzeuge Winterreifen. „Wer eins mit Sommerreifen wählt, wird von uns bei entsprechender Witterung auf die Risiken hingewiesen“, sagte ein Sixt-Sprecher. Denn abgesehen von einem Bußgeld riskiert der Fahrer bei einem Unfall mit Sommerreifen eine Mitschuld. „Aus Verbrauchersicht wäre es sinnvoller, Ganzjahresreifen aufzuziehen“, sagte ein Sprecher des ADAC.

Wer sich nicht an die neuen Bestimmungen hält, muss nun mit empfindlichen Strafen rechnen (siehe Kasten). BRV-Vorsitzender Hülzer hofft aber auf Kulanz bei Polizeikontrollen. „Es wäre schön, wenn die Beamten angesichts der Probleme Gnade vor Recht ergehen lassen könnten.“

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