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Wirtschaft: Auf den Punkt

Eine Berliner Firma kämpft für die Internetadresse .berlin – der Senat ist dagegen

Berlin - Im Internet zählt vor allem eines: Aufmerksamkeit. Es nützt nichts, eine tolle Präsenz im Netz zu haben, wenn man nicht gefunden wird. Deswegen bezahlen Unternehmen viel Geld, um bei Google auf den kostenpflichtigen Werbeplätzen ganz oben zu stehen. Am einfachsten ist es jedoch, man wird intuitiv gefunden – wie zum Beispiel die Bundeskanzlerin unter www.bundeskanzlerin.de. Wer dagegen die Seite des Regierenden Bürgermeisters von Berlin sucht, muss sich www.berlin.de/rbmskzl merken – oder sich durchklicken. Die Berliner Firma dotBerlin GmbH kämpft seit Jahren für die Einführung der Adressendung .berlin. Doch der Berliner Senat ist dagegen.

Die Entscheidung darüber trifft die Icann, die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers. Sie ist eine Art inoffizielle Weltregierung des Internets. Die Icann wacht unter anderem darüber, dass es jede Adresse im Netz nur einmal gibt. Oberster Namensbereich sind die Top Level Domains (TLD). Das sind die Buchstaben, die bei der Adresse einer Internetseite hinter dem Punkt stehen, also zum Beispiel .de, .com oder auch .museum. Das Problem ist: Die Namen für die bereits existierenden TLD werden knapp.

11,5 Millionen Domains für die Endung .de sind aktuell bei der deutschen Registrierungsstelle Denic verzeichnet. Mehr als 70 Millionen Registrierungen hat .com. „Icann überlegt ständig, wie der Namensraum erweitert werden kann“, sagt der Düsseldorfer Internetrechtsexperte Michael Heller. Im Gespräch sind dabei auch regionale oder städtische TLD.

Dirk Krischenowski hat die Firma dotBerlin 2005 gegründet, fünf Mitarbeiter hat sie heute. DotBerlin war nach eigenen Angaben mit ihrem Engagement für .berlin Vorreiter, was städtebezogene TLD angeht. Inzwischen arbeiten aber auch Paris und New York an dem Thema. Doch vorab gibt es noch viele juristische Probleme zu klären, etwa ob Icann das Recht hat, die TLD .berlin an eine andere Institution als die Stadt Berlin zu vergeben – ganz abgesehen davon, dass es auf der Welt mehrere Orte namens Berlin oder Paris gibt.

Drei Gründe nennt Senatssprecher Günter Kolodziej, warum Berlin kein Interesse an .berlin hat: Zum einen habe die Stadt unter www.berlin.de einen gut eingeführten und gut angenommenen Internetauftritt. „Eine zweite Adresse bringt weder für die Stadt noch die Nutzer einen zusätzlichen Nutzen“, sagt er. Im Gegenteil müsse man Missbrauch befürchten, etwa wenn eine Domain wie www.porno.berlin registriert würde. „Die Stadt würde politisch und moralisch in Mitleidenschaft gezogen werden für das, was da geschieht“, sagt Kolodziej. Würde die Stadt aber ihrerseits in die Vergabe von Domains wie etwa auch www.hotel.berlin eingreifen, würde sie die gebotene Neutralität verletzen. Schließlich gebe es auch einen gültigen Vertrag mit dem Betreiber von Berlin.de, der die Stadt exklusiv an diesen binde.

„Die Idee, dass der Berliner Senat für das verantwortlich gemacht werden könnte, was auf einer Seite porno.berlin passiert, ist abwegig“, sagt Jurist Heller. Schließlich sei die Bundesregierung auch nicht verantwortlich für Inhalte auf www.porno.de. Heller hält regionale und städtische TLD für eine gute Idee. Sie seien identitätsstiftend.

DotBerlin ist überzeugt, dass .berlin eine Marke im Netz werden könnte, die die Stadt für Werbung in eigener Sache einsetzen kann. DotBerlin-Sprecher Johannes Lenz verweist dabei auf Bayerns Tourismus-Vermarkter: Sie glauben offenbar an die Werbewirksamkeit von eingängigen, ortsbezogenen Domains und verwenden auch die Adresse www.bayern.by – obwohl .by eigentlich die Länderkennung von Weißrussland ist. Neben der Werbewirkung für die Hauptstadt argumentiert dotBerlin auch damit, dass .berlin vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, die ihre Kunden vorwiegend vor Ort haben, attraktiv sei. Kleine Firmen, die bisher im Netz kaum gefunden würden, hätten die Chance, in dem neu geschaffenen Namensraum eine attraktive Adresse zu bekommen. Schließlich würde es Kunden leichter fallen, intuitiv den richtigen Handwerksbetrieb zu finden, sagt auch Jürgen Wittke, Geschäftsführer der Maler- und Lackierer- Innung. Die Innung tritt dafür ein, dass Kunden künftig unter www.handwerk.berlin die Berliner Handwerker – und nicht etwa einen Baumarkt finden.

Dass einprägsame Adressen viel Geld wert sind, weiß Marius Würzner, einer der Gründer der Firma Sedo, die im Internet eine Handelsplattform für Domainnamen betreibt. Für Adressen wie auto.de würden Preise im siebenstelligen Bereich aufgerufen, sagt er. Doch ob die Nachfrage nach regionalen Adressen so groß sein wird, da ist er skeptisch. „Es ist offen, ob das mehr Verwirrung stiftet oder wirklich eine Entlastung bei der Namensknappheit bringt“, sagt Würzner.

DotBerlin hat noch eine Weile Zeit, für .berlin zu werben. Vergangene Woche hat die Icann die Entscheidung über die Einführung regionaler TLD auf die erste Jahreshälfte 2009 verschoben. Auch wenn der Senat .berlin ablehnt – die Unterstützung des Bundestags hat die Firma. Die Abgeordneten beschlossen im Sommer, sich für die Weiterentwicklung des Adressraums um regionale TLD einzusetzen. Jörg Tauss, Sprecher der SPD-Fraktion für neue Medien, sagt: „Ich finde .berlin sollte es geben.“

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