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Wirtschaft: Auf der Bremse

Die Bahn will bis 2006 an die Börse, doch der Widerstand wächst bei Gewerkschaft, Opposition – und in der Koalition

Von Carsten Brönstrup

und Bernd Hops

Hartmut Mehdorns Plan ist ehrgeizig. Bis 2006 möchte der Chef der Deutschen Bahn sein Unternehmen an die Börse bringen. „2004 mindestens eine schwarze Null beim Betriebsergebnis“ – das ist die Mindestvorgabe von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), bevor er dem Plan zustimmt. Das dürfte zu schaffen sein. Mehdorn selbst peilt nun sogar einen dreistelligen Millionengewinn für dieses Jahr an, damit Anfang 2006 bis zu 40 Prozent des Unternehmens verkauft werden können. Doch der Widerstand gegen einen Börsengang wächst: Schröders Koalitionspartner die Grünen, viele Verkehrsexperten, die Gewerkschaften, die Opposition ohnehin bremsen den Gang aufs Parkett.

„Es müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllt werden“, sagt Norbert Hansen, Chef der Gewerkschaft Transnet. Er fordert unter anderem „eine Beschäftigungsgarantie bis 2010“ – sonst werde die Gewerkschaft „alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen“, um den Börsengang zu blockieren. Der Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt hält einen Börsengang noch in dieser Wahlperiode für „absolut unrealistisch“. „Das ist mit einem positiven Betriebsergebnis in diesem Jahr nicht getan“, sagt Schmidt. Auch die SPD-Bahnexpertin Karin Rehbock-Zureich verlangt „nachhaltig schwarze Zahlen“.

Damit droht nicht nur ein Knick in Mehdorns Karriereplanung. Die Sanierung des Konzerns ist eines der wichtigsten verkehrspolitischen Projekte der Republik. Der Umbau der einstigen Beamtenbiotope Bundesbahn und Reichsbahn in eine börsennotierte Aktiengesellschaft soll dem Staat Milliarden sparen helfen, mehr Menschen zum Zugfahren bewegen und den Verkehrskollaps durch eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene verhindern. Obendrein könnte ein Verkauf der Bahn viel Geld in die leeren Kassen des Staates spülen – ganz so wie beim Verkauf der Ex-Bundesbetriebe Lufthansa, Telekom und Post. So weit der Plan. Doch weil es nicht nur um die 240000 Bahn-Beschäftigten geht, sondern auch um Standortpolitik und die Eitelkeiten der 16 Bundesländer, hat ein Verkauf der Bahn „ganz andere politische Dimensionen“, wie es ein Bahn-Fachmann formuliert. Werde der Börsengang aber immer weiter verschoben, bleibe der Konzern am Tropf des Staates – „bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag“.

Einer der größten Knackpunkte ist die Frage, ob die Bahn mitsamt dem Schienennetz verkauft werden darf. Die privaten Wettbewerber sind strikt dagegen, weil sie befürchten, von dem ehemaligen Monopolisten auch künftig behindert zu werden. Auch zahlreiche Fachleute äußerten jüngst vor dem Bundestags-Verkehrsausschuss Bedenken gegen einen integrierten Börsengang. Zudem hat die Bahn nicht das Geld, um das 36000 Kilometer lange Schienennetz auf Dauer zu erhalten und auch noch neue Strecken zu bauen. Bislang wurde sie vom Bund dafür mit vier Milliarden Euro subventioniert, in Zukunft wird es weniger sein (siehe Artikel unten). Einem Käufer der Bahn müsste der Bund also langfristige Zuschüsse garantieren. „Das Netz belastet die Rendite immer“, sagt Grünen-Experte Schmidt. Eine annehmbare Lösung wäre, wenn der Bund Besitzer des Netzes bliebe, aber die Bahn langfristig mit dem Betrieb beauftrage. „Sonst gibt es für einen privaten Investor eine staatlich garantierte Rendite“, spottet Schmidt.

Aber auch bei diesem Kompromiss bleiben offene Fragen: Was passiert mit den Strecken auf dem Land, die wenig befahren werden, deren Unterhalt aber viel Geld kostet? Ein Bahn-Vorstand, dessen Aktionäre Gewinne sehen wollen, könnte geneigt sein, Investitionen auf die großen Strecken zu konzentrieren. „Das Land muss sich in einer Debatte klar werden über die Zukunft der regionalen Strecken – erst dann darf es einen Börsengang geben“, mahnt Dirk Flege, Geschäftsführer des Verbands „Allianz pro Schiene“.

Bis dahin will auch die Bahn so weit saniert sein, dass sie einem möglichen Investor gute Zahlen präsentieren kann. Daran arbeitet sie derzeit mit Hochdruck – Tochterfirmen wie Ameropa, Mitropa oder die Lufthansa-Beteiligung versilbert das Management derzeit. Das Ziel: Die Schulden von 14 Milliarden Euro sollen gedrückt werden. Die Investmentbank Morgan Stanley, die die Bahn derzeit auf Herz und Nieren prüft, hält einen Börsengang prinzipiell für machbar. Die Präsentation eines internen, detaillierten Berichts über die Kapitalmarktreife des Konzerns musste zuletzt jedoch mehrmals verschoben werden, weil es erst vor kurzem Klarheit über die Investitionszuschüsse des Bundes an die Bahn gab.

Das Management hofft, alle Kritiker noch rechtzeitig vom Sinn des Börsengangs überzeugen zu können. Wenn die erste Tranche der Anteile bis März 2006 nicht verkauft ist, wird es eng. Im Herbst ist Bundestagswahl. Und ob eine neue Regierung den Börsenplänen des Bahnchefs gegenüber so aufgeschlossen ist – „darauf wollen wir es lieber nicht ankommen lassen“, heißt es im Konzern.

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