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Wirtschaft: Auf der ökologischen Überholspur

Die Autobranche rühmt sich ihrer Nachhaltigkeit und umweltfreundlichen Innovationen – Geld verdient sie ganz konventionell.

Porsche hat ein ganz eigenes Verständnis von ökologischer Nachhaltigkeit: Im kommenden Jahr beginnt der Sportwagenhersteller mit der Produktion des 918 Spyder, eines Rennwagens für die Straße, der neben einem Verbrennungsmotor mit zwei Elektroantrieben ausgestattet ist. Kaum mehr als drei Liter Benzin soll das Hybrid-Geschoss verbrauchen – auf dem Papier und bei schonender Fahrweise bis Tempo 120. Tritt der Fahrer das Gaspedal kräftiger durch – etwa, um die Höchstgeschwindigkeit von rund 320 km/h zu erreichen – springt der 570 PS starke V8 an und bläst rund elf Liter Sprit durch den Vergaser. Angeblich ist die Nachfrage schon dreimal höher als die geplante Produktion von 918 Exemplaren. 768 000 Euro wird der 918 Spyder kosten. Grüne Exklusivität hat ihren Preis.

Doch was ist „grün“ an diesem Auto, das Porsche für „überragend effizient“ hält? Verkehrsverbände, Greenpeace und andere sprechen von Greenwashing in Reinform und finden zahlreiche weitere Beispiele in der Autoindustrie. Der Vorwurf: Die deutschen Hersteller verlieren sich in extremen Studien oder tun nur das Nötigste, um gesetzliche Umweltnormen zu erfüllen – und gehen im Übrigen ihren guten Geschäften mit herkömmlichen Autos nach, die mehr PS haben als früher, größer und schwerer sind und mehr Sprit verbrauchen und CO2 ausstoßen, als sie müssten.

Nachhaltigkeit, Umweltschutz – alles nur Imagepflege und Verkaufshilfe für ein schmutziges Produkt? Der ökologische Verkehrsclub VCD zeigte unlängst in seiner Umweltliste, dass die Branche durchaus ökologische Innovationen auf den Markt bringen kann. So gewann mit dem VW eco Up erstmals seit Jahren ein deutsches Modell den VCD-Umweltcheck von 400 Autos. Aber: Das Erdgasauto wird ein Nischenprodukt bleiben, auch in seiner eigenen Modellfamilie, die bis zu einem aufgemotzten, PS-starken Sport-Up reicht. Gleichwohl nutzt VW das VCD-Gütesiegel für den Eco-Up in der Werbung, um sein Effizienzlabel „Think Blue“ zu platzieren.

Die Umweltverbände erwarten freilich mehr von der Industrie und versuchen, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen: Die Branche, die sich als Effizienz- und Innovationstreiber bezeichne, sei längst technologisch in der Lage, CO2-Grenzwerte von 80 Gramm pro Kilometer zu erreichen. Ein Wert, den die EU den Herstellern erst weit nach 2020 vorschreiben will.

Der regulatorische Druck der Politik wirkt aber durchaus. „Noch nie wurden so viele Nachhaltigkeits-Innovationen in der Automobilindustrie vorgestellt wie in diesem Jahr“, berichtet das Car-Institut der Universität Duisburg-Essen, das den „Öko-Globe“ vergibt, einen internationalen Umweltpreis für die Mobilitätsindustrie. „Wichtig ist jetzt aber, dass die Innovationen nicht im Markt untergehen“, warnt Car-Leiter Ferdinand Dudenhöffer. Ein Markt, auf dem sich alternativ angetriebene Fahrzeuge im Schneckentempo voranbewegen. 99 Prozent aller Neuwagen wurden nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes 2011 mit Benzin (52 Prozent) und Diesel (47 Prozent) zugelassen. Nur rund ein Prozent der Neuzulassungen wurden mit Antrieben wie Gas, Elektro- oder Hybridtechnologie ausgeliefert.

Die Industrie sieht sich dennoch auf der ökologischen Überholspur: Die CO2- Emissionen ihrer in Deutschland neu zugelassenen Pkw hätten sich seit 2006 von 175 auf 142 Gramm im Frühjahr 2012 verringert, erklärt der Autoverband VDA. Mehr als 60 Prozent aller neuen Pkw hätten einen Normverbrauch von weniger als sechs Litern. „Quantensprünge in der Umweltfreundlichkeit“ habe man hinter sich. Dennoch legen die Hersteller im Autohaus andere Maßstäbe an, wenn sie ihre Fahrzeuge verkaufen: So orientiert sich das kürzlich vorgeschriebene Effizienzlabel, das Autos in farblich unterschiedene Umweltklassen einteilt, am Gewicht. Ein Audi Q7 Geländewagen (200 Gramm CO2) bekommt so ein hellgrünes B, ein Smart mit weniger als 90 Gramm CO2 nur ein gelbes C. Henrik Mortsiefer

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