zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Auf der Suche nach Anschluss

Am Mittwoch stellt Konzernchef Obermann seine neue Strategie vor. Viel Zeit zur Umsetzung bleibt ihm nicht

Die gemütlichen Zeiten sind vorbei. Der frühere Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke hatte zwar einen harten Sparkurs eingeleitet. Doch in den Augen vieler Beobachter ging er zu zögerlich vor, setzte zu sehr auf Konsens. Inzwischen bewegt sich die Deutsche Telekom in einem deutlich härteren Wettbewerbsumfeld – und mit René Obermann auf dem Chefposten haben sich der Druck und das Veränderungstempo mächtig erhöht. Mitarbeiter, Anteilseigner und Börsianer schauen gespannt auf den kommenden Mittwoch. An diesem Tag wird René Obermann dem Aufsichtsrat seine neue Strategie präsentieren. Einen Tag später, mit der Vorlage der Bilanz für 2006, wird er seine Pläne auch der Öffentlichkeit vorstellen.

Bereits Ende Januar hatte der Konzern gewarnt, dass der Gewinn in 2007 um eine Milliarde Euro niedriger ausfallen werde als bisher geplant. 2006 werde man aber die – bereits im September reduzierten – Ergebnisziele erreichen. Überraschungen bei den Zahlen erwarten Analysten nicht. Doch die Zahlen werden zeigen, wo die Probleme liegen: Mehr als zwei Millionen Kunden haben im vergangenen Jahr ihren Anschluss bei der Telekom gekündigt. Der Umsatz im traditionellen Festnetz sinkt. Die Kostenstruktur der Telekom stimmt nicht, das Unternehmen bietet seine Produkte zu teuer an – auch weil es zu teuer produziert. Mit sinkender Kundenzahl und schrumpfenden Umsätzen wird sich der Druck – gerade auch auf die Personalkosten – weiter erhöhen.

Aber welchen Spielraum hat das Management? Viele Ideen werden durchgespielt. In den Sitzungen des Top-Managements mit den Unternehmensberatern, darunter der frühere McKinsey-Chef Jürgen Kluge, werden jede Woche mehr als 200 Seiten präsentiert, sagt ein Kenner des Unternehmens. Dabei blieb nicht viel Zeit: Obermann ist gerade dreieinhalb Monate im Amt. Da die Telekom zwar billiger, aber wohl niemals der billigste Anbieter werden kann, setzt er vor allemdarauf, den Service zu verbessern. Dazu hat der Telekom-Chef die Organisationsstruktur verändert und zusammengelegt, was zusammengehört, aber bisher gegeneinander gearbeitet hat: Der Kundenservice von Festnetz, Mobilfunk und Internet kommt nun aus einer Hand. Der Kunde soll nur noch einen Ansprechpartner für seine Kommunikationswünsche haben.

Was einfach klingt, ist im Konzern mit 160 000 Mitarbeitern im Inland – darunter 46 000 Beamten – nicht einfach umzusetzen. Auf den oberen Management-Ebenen steht die Organisation, darunter herrscht Unsicherheit. Die Telekom möchte die Arbeitsbedingungen an das Marktniveau anpassen und meint damit: Die Mitarbeiter sollen länger arbeiten und weniger verdienen. Mehr als 45 000, die Gewerkschaft Verdi fürchtet mehr als 60 000 Mitarbeiter, sollen dazu in eigenständige Service-Firmen ausgegliedert werden. Damit hätte die Telekom einen eigenen Niedriglohn-Sektor im Konzern.

Dagegen hat Verdi heftigen Widerstand angekündigt. „Das ist eine große Herausforderung für das Management“, sagt Analyst Ulrich Taubert vom Bankhaus Metzler. „Es gibt kaum eine Alternative zum Personalumbau, um die Telekom wettbewerbsfähiger zu machen. Aber dabei muss es gelingen, die Mitarbeiter zu motivieren und mitzunehmen.“

Und die Herausforderung wird noch größer: Beschlossen ist, dass zwischen 2006 und 2008 noch einmal 32 000 Mitarbeiter die Telekom verlassen. Seit der Privatisierung hat die Telekom bereits 120 000 Arbeitsplätze abgebaut. Heute betreut ein Telekom-Mitarbeiter im Schnitt 390 Kunden. Das ist weniger als bei jedem anderen europäischenWettbewerber. Und je mehr Kunden die Telekom an Wettbewerber verliert, desto schlechter wird die Relation.

Inzwischen verzichten immer mehr Kunden ganz auf einen Telefonanschluss und telefonieren über das Internet. Zwar nutzen alternative Anbieter wie 1&1 oder Freenet die Leitungen der Telekom. Doch wenn der Kunde erst einmal weg ist, sind es 1&1 und Freenet, die ihm lukrative zusätzliche Produkte verkaufen können. Die Telekom wird zum reinen Versorger degradiert. „Die Telekom muss künftig mehr als die reine Leitung anbieten“, sagt ein Branchenkenner. Fernsehangebote über das Telefonkabel seien nur ein erster Schritt. „Die Telekom muss endlich Ernst machen mit integrierten Produkten wie etwa einer einheitlichen Benutzeroberfläche im Telefon zu Hause, im Internet und auf dem Handy.“ Wenn die Telekom es nicht macht, machen es Firmen wie Google oder Microsoft, sagen Experten.

In der Branche und der Politik wird bereits diskutiert, ob auch Inhalteanbieter wie Google künftig für die Nutzung der Infrastruktur zahlen müssen. In den USA fällt die Entscheidung wohl zugunsten der Internetfirmen aus. Die Politik in Europa, sagt ein Branchenexperte, könnte im Sinne der Netzbetreiber entscheiden.

Viele Probleme kann die Telekom lösen, wenn sie ihr altes Telefonnetz auf die nächste Netzgeneration umstellt, die auf Internettechnik basiert (siehe unten). Die Umstellung will das Management nun beschleunigen. Mit dem neuen Netz sinken die Betriebskosten um ein Drittel. Neue Produkte sind möglich. Aber: Für den Betrieb werden künftig noch weniger Mitarbeiter gebraucht. Harte Verhandlungen mit Verdi stehen bevor. Welchen Weg Obermann einschlagen wird, darüber herrscht viel Unsicherheit. Sogar über eine Zerschlagung des Konzerns wird spekuliert. Auch eine Trennung vom Netz sei nicht ausgeschlossen. „Alles wartet auf den weißen Rauch am Mittwoch“, sagt ein Kenner des Unternehmens. „Es kann eine ganz radikale Lösung kommen – aber auch das Gegenteil.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false