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Wirtschaft: Auf der Suche nach neuen Jobs

BERLIN .Er hätte mit der Faust auf den Tisch hauen können.

BERLIN .Er hätte mit der Faust auf den Tisch hauen können."Es ist immer wieder dasselbe, was vorgeschlagen wird", schimpfte Meinhard Miegel, Direktor des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn, "aber außerordentlich wenig ändert sich." Miegel beklagte ein "Umsetzungsdefizit", ein "Erkenntnisdefizit" lasse sich nun wahrlich nicht beobachten.Trotzdem ging es bei der XXI.Tonbach-Round-Table-Diskussion von Dräger- und Zeit-Stiftung vor allem um die Erkenntnisse.Die Tagung am Montag und Dienstag im Schloß Bellevue in Berlin, dem Amtsitz von Bundespräsident Roman Herzog, stand unter der Überschrift: "Innovative Annäherung an Beschäftigungsprobleme in Europa, Japan und den USA".

Rund 80 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien hörten gebannt zu, als Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) Europa und Japan davor warnte, die Vereinigten Staaten ungeprüft als Vorbild zu nehmen.Zuviel läuft nach Auffassung von Schmidt falsch in Amerika: Die Blase an der US-Börse droht zu platzen, das Leistungsbilanz-Defizit der Wirtschaft nimmt ein gefährliches Ausmaß an, eine neue Unterschicht bildet sich.Folglich könne man nicht einfach das amerikanische Modell übertragen."Für verschiedene Volkswirtschaften gibt es auch verschiedene Rezepte gegen Arbeitslosigkeit." Doch hätten die USA, so Schmidt, einige Strategien ausprobiert, um den Wohlfahrtsstaat zu reparieren: zum Beispiel die Deregulierung - also das Zurückfahren staatlicher Regeln - und ein beweglicheres Hochschulsystem, das Innovationen für die gesamte Volkswirtschaft erzeuge.Erkenntnisse also präsentierte auch der ehemalige Kanzler genug - was aber läßt sich davon sogleich in Politik umsetzen? "Die Führung in Europa fehlt", sagte Schmidt, "doch sie wäre wichtig im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit." Fazit: "Mut ist keine Sache, die derzeit im Überfluß vorhanden ist."

Insgesamt ging ein neidischer Blick über den Atlantik.Die Dynamik der US-Wirtschaft hatte es einigen Referenten angetan: Seit 1991 entstanden in den Vereinigten Staaten 30 Mill.neue Stellen, im selben Zeitraum sind elf Mill.weggefallen.Bleibt netto ein Plus von 19 Mill.Jobs - oder 230 000 im Jahr.Der ehemalige Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Herbert Giersch, erinnerte daran, daß es so nicht immer war.Er skizzierte die einstige Dynamik in Deutschland zur Zeit des Wirtschaftswunders, als Beschäftigung in ähnlichem Ausmaß entstand.Damals gab es einen höchst flexiblen Arbeitsmarkt, in dem zunächst Flüchtlinge und Vertriebene sowie später Gastarbeiter dorthin gingen, wo sie gebraucht wurden.Giersch predigte die Notwendigkeit eines funktionierenden Marktes."Der Arbeitsmarkt ist ein Markt wie viele andere", sagte er - eine Wahrheit, die ihm zufolge niemand gerne hören mag.

Widerspruch kam von Ursula Engelen-Kefer, der stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschafts-Bundes (DGB).Sie warnte davor, die Balance zwischen Beschäftigung und sozialer Sicherheit aus dem Auge zu verlieren."Wir wollen nicht deregulieren, sondern die Regulierung reformieren", stellte sie fest.Damit sprach sie einen Satz aus, der auf der Konferenz zum geflügelten Wort wurde - nur wiesen ihn jene, die ihn dann später zitierten, ausdrücklich zurück.Doch welcher Weg führt zur Deregulierung? Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) machte sich daran, die Rolle des Bündnisses für Arbeit und des Europäischen Beschäftigungspakts der Europäischen Union hervorzuheben.Der ehemalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Otto Schlecht, konterte und kritisierte die "Inflation der hochtrabenden Begriffe".Bündnisse und Pakte verwischten nur Verantwortung.Der Altliberale Ralf Dahrendorf bezweifelte sogar, ob es überhaupt so etwas gebe wie "das europäische Interesse"? Die Europäer müßten sich endlich darüber einig werden, ob sie "immer mehr Koordination" wollten oder "einen Rahmen für Wettbewerb".Also doch noch ein Mangel an Erkenntnis, den allerdings die Konferenz nicht aufzuklären vermochte.

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