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Das richtige Brett. Bio-Köche müssen nicht nur Bio kochen können. Sie lernen auch, das man das konventionelle Gemüse und Fleisch nicht auf derselben Unterlage schneiden darf wie die Bio-Produkte. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa-tmn

Wirtschaft: Auf die Plätze

Die Branche boomt. Immer mehr Restaurants bieten Bio-Essen an. Köche, die Lieferanten kennen und über Kennzeichnung und Lagerung Bescheid wissen, sind begehrt. Wer sich jetzt weiterbildet, bringt sich für die Zukunft in Position

Seit zwanzig Jahren arbeitet Silke Discher in ihrem Traumberuf als Köchin, seit neun Jahren im „Seehotel Großherzog von Mecklenburg“ in Boltenhagen. Seit einem Jahr nun darf sie sich „geprüfte Bio-Köchin“ nennen.

Die stellvertretende Küchenchefin des First-Class-Hotels ist eine von 14 Köchen in Deutschland, die diese Bezeichnung führen dürfen. Denn: So viele Absolventen sind aus den bisher zwei Kursen der Hotelschule Rostock hervorgegangen, die als erster Anbieter eine umfassende Bio-Koch-Weiterbildung ins Programm genommen hat.

Silke Dischers Chef trug die Kosten für den Vollzeitkurs – und ließ ihr extra eine Schürze anfertigen, auf der steht: „Hier kocht ein zertifizierter Bio-Koch!“

Die trägt die 39-Jährige gern: „Ich bin ganz stolz darauf, jetzt eine geprüfte Bio-Köchin zu sein“, sagt sie. Zwar hat sie in ihrem Betrieb auch vorher schon hundert Prozent Bio und regional gekocht – ihre alltägliche Kochpraxis wird sich durch den Kurs also kaum ändern. Was sie aber aus Rostock vor allem mitgenommen hat, sind Kontakte zu Lieferanten und Bauern und neues Wissen über Bioanbau und Viehhaltung.

Mit dem allgemeinen Boom bei Bio-Lebensmitteln steigt auch die Nachfrage nach Bio-Restaurants, Bio-Catering und Bio-Kantinen – und damit die Suche nach Köchen, die sich mit der Materie auskennen. „Wenn Betriebe auf Bio umstellen, muss das eine runde Sache sein und auch umgesetzt werden können“, sagt Sonja Grundnig vom Verband ökologischer Erzeuger „Bioland“.

„Das Nadelöhr für die Bio-Küche ist der Koch“, sagt Peter Pedersen, der Direktor der Hotelschule Rostock. Pedersen will die ökologischen Produzenten und Zulieferer mit den Restaurants, die auf Bio umstellen möchten, zusammenbringen. Noch immer gibt es Kommunikationsschwierigkeiten, Berührungsängste und Unsicherheiten im Umgang mit den Produkten. Wie verarbeitet man noch mal Schwarzwurzel? Und wie um Himmels willen zerlege ich einen ganzen Vogel Strauß?

Um Lösungen für solche Probleme zu finden, startete Pedersen im letzten Jahr den Pilotkurs zur Weiterbildung zum Bio-Koch, dem bereits ein weiterer folgte. Der dritte steht im September an. Die Köche sollen lernen, woher die Lebensmittel kommen, wie sie in der Biobranche am besten einkaufen und wie man sich ein Netzwerk an möglichst regionalen Erzeugern aufbaut, statt auf den Großmarkt zu setzen. Was gibt es übers Lagern zu wissen, über den Umgang mit Bio-Produkten, übers Kochen und das Zusammenstellen vollwertiger Menüpläne?

Auf Exkursionen lernen die Köche Öko-Höfe kennen, werden in diesem Jahr sogar aktiv an einer Schlachtung teilnehmen. Am Schluss steht eine Prüfung vor der Berufsakademie Mecklenburg-Vorpommern – eine staatlich anerkannte Prüfung gibt es allerdings noch nicht.

Bio-Köchin Silke Discher liegt die Tierhaltung besonders am Herzen. Deshalb war die gebürtige Wismarerin in der Weiterbildung auch besonders beeindruckt von einer Exkursion zum Landwerthof in Stahlbrode vor Rügen. Dort decken sich Tierliebe und Genussanspruch: „Die Tiere ruhen vor der Schlachtung an besonderen Plätzen, damit sie sich nicht aufregen und das Fleisch nicht zäh wird“, erzählt sie begeistert.

Ökowillige Gastronomen brauchen nicht nur Köche, die Bio kochen können, sondern auch Köche, die sich mit Zertifizierungen und Regeln rund um Bio auskennen. Wer auf der Speisekarte Bio anbieten will, braucht zum Beispiel ein Bio-Zertifikat. Wie in der Branche üblich gibt es auch hier verschiedene Auszeichnungen. Wer sich das Bio-Zertifikat auf das Menue drucken will, muss seine Küche nach der EG-Verordnung zertifizieren und regelmäßig kontrollieren lassen.

Das übliche Nebeneinander von Bio und konventioneller Nahrung verlangt auch eine ganz andere strategische Planung. „Sie dürfen da nicht einmal das selbe Brett benutzen“, erklärt Peter Pedersen. Wie man Zertifikate erwirbt beziehungsweise wie man sie erhält – auch das steht auf dem Lehrplan der Bio-Köche.

Bald könnten auch in Berlin Köche zu Bio-Köchen weitergebildet werden. Die Akademie Schmöckwitz hatte einen solchen Kurs in Zusammenarbeit mit der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL) schon im Frühjahr angeboten. Der kam jedoch mangels Teilnehmern nicht zustande. „Wir hatten einfach zu wenig Vorlaufzeit“, sagt die Geschäftsführerin der privaten Einrichtung, Birgit Domröse. Jetzt soll ein neuer Kurs am 5. September beginnen.

Die Idee entstand, weil der Bildungsanbieter im eigenen 4-Sterne-Hotel Bio anbieten wollte und selbst Bedarf an versierten Köchen hatte, die sich mit Nachweisen, Kennzeichnung und Inhaltsstoffen auskennen. Der Biotrend im Gastronomiebereich sei durch Gemeinschaftsversorger wie Kitas und Schulen auf den Weg gebracht worden. „Nun ziehen Restaurants und Imbisse nach“.

Der Kurs in Neukölln soll acht Wochen statt vier Wochen wie in Rostock laufen, und das in Vollzeit. In Berlin wie in Rostock richtet sich das Angebot an ausgebildete Köche und Küchenmeister. Die Teilnahme kostet zwischen 1350 Euro und 1550 Euro.

Während großzügige Gastronomiebetreiber ihren Angestellten die Weiterbildung zahlen, müssen sich viele Teilnehmer das Bio vor dem Koch selber finanzieren. Neun der 14 Absolventen in Rostock sind Selbstzahler. Einen Teil der Kosten können sich manche über Förderprogramme wie die Bildungsprämie vom Staat zurückholen. Für Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte ist die Komplettfinanzierung über einen Bildungsgutschein möglich.

Anja Martin

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