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Kalter Protest. Vor der Europäischen Zentralbank setzten Demonstranten am Montag ihren Protest unter dem Motto „Occupy Frankfurt“ fort. Foto: Reuters

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Wirtschaft: Auf einem langen Weg

Bundesregierung bemüht sich um geringere Erwartungen an den EU-Gipfel

Berlin - Die Bundesregierung hat die Erwartungen an den EU-Gipfel am nächsten Sonntag zur Euro-Schuldenkrise gedämpft. Sie rechnet nicht mit dem großen Befreiungsschlag und einer Lösung aller Probleme. „Das sind wichtige Arbeitsschritte auf einem langem Weg“ sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dieser Weg werde mit Sicherheit weit bis ins nächste Jahr hineinreichen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe daher darauf verwiesen, dass Träume, dass am nächsten Montag mit dem Paket alles gelöst wäre und alles vorbei sein werde, wieder nicht erfüllt würden, sagte Seibert. Man hoffe aber, in Brüssel „ordentlich voranzukommen“.

Die angestrebte Lösung setze sich aus mehreren Handlungsfeldern zusammen. Zu Details des angekündigten umfassenden Pakets wollte sich Seibert vor dem EU-Gipfel nicht äußern. Die Partner arbeiteten hart und vertraulich bis zu diesem Wochenende. Details sind auch nicht von einer Regierungserklärung Merkels vor dem Bundestag zum EU-Gipfel zu erwarten, die sie voraussichtlich an diesem Freitag hält. Am Mittwoch wird der Griechenland-Bericht der „Troika“ aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds erwartet. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will den Haushaltsausschuss des Bundestages am Donnerstag informieren.

Die Euro-Länder wollen bei dem Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs kommenden Sonntag in Brüssel ein umfassendes Lösungspaket vorlegen. Dabei geht es um ein tragfähiges Konzept zur Entlastung des hoch verschuldeten Euro-Landes Griechenland. Diskutiert wird dabei auch eine stärkere Beteiligung privater Banken und Versicherer an einem zweiten Rettungspaket für Athen.

Teil des Lösungspakets sind auch Pläne zur Stabilisierung und Rekapitalisierung europäischer Banken – notfalls auch zwangsweise. Zudem geht es darum, den gerade erst erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF über eine Hebelwirkung noch schlagkräftiger zu machen. Im Gespräch ist eine Kreditausfallversicherung. Schließlich werden Maßnahmen zu einer besseren wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung der Euro-Zone erörtert – bis hin zu Vertragsänderungen. Zu einer stärkeren Beteiligung privater Banken an einer Griechenland-Rettung wollten sich Seibert und ein Sprecher des Finanzministeriums nicht näher äußern. Schäuble hatte von einem „ausreichenden“ Anteil der Institute zur Schuldenreduzierung Athens gesprochen und einen größeren Beitrag nicht ausgeschlossen. Bisher sind Privatbanken zu einem freiwilligen Forderungsverzicht von 21 Prozent und zu längeren Kredit-Laufzeiten bereit. Inzwischen wird aber ein Schuldenschnitt mit einem Wertverlust griechischer Staatsanleihen von 40 bis 60 Prozent nicht mehr ausgeschlossen.

Auch Deutschland stellt Athen Notkredite im Rahmen des ersten Rettungspakets über die Staatsbank KfW bereit. Von den 22 Milliarden Euro sind bisher 13,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Der Bund garantiert dafür. Ein Schuldenschnitt könnte am Ende also auch den Staat als Gläubiger Athens treffen, sollten neben den Anleihe-Inhabern auch Kreditgeber eine drastische Umschuldung schultern müssen. Die deutschen Banken wehren sich gegen eine höhere Beteiligung und eine Zwangs-Rekapitalisierung.

Deutschland favorisiert bei der Rekapitalisierung ein abgestuftes Verfahren, bei dem Banken zunächst selbst versuchen sollen, Kapital bei Aktionären oder anderen Finanzinvestoren einzusammeln. Im nächsten Schritt könnte der Staat einspringen. Ein Spitzentreffen der Regierung mit Vertretern der Kreditbranche bis zum EU-Gipfel ist laut Seibert nicht geplant. Kritik an einer möglichen Zwangskapitalisierung äußerte CSU- Chef Horst Seehofer. „Das halte ich für eine problematische Idee“, sagte er in München. „Denn wenn die Banken das nicht können, wer ist dann wieder am Zug? Der Staat.“ Notfalls werde dann der Steuerzahler wieder auf der Matte stehen müssen. Zudem bekräftigte Seehofer, die Möglichkeit eines „Ausklinkens“ Griechenlands aus der Euro-Zone müsse ein „denkbares Modell“ sein. dpa

André Stahl

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