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Wirtschaft: Auf großer Abschiedsfahrt

Samsung-Mitarbeiter protestieren mit einer Schiffstour auf der Spree – lautstark, aber ohne allzu viel Hoffnung

Berlin Es waren keine gewöhnlichen Ausflugsschiffe, die da am Freitag die Spree hinunterschipperten, eher schon zwei Protestdampfer, besetzt von mehreren hundert Samsung-Mitarbeitern. Seit der koreanische Konzern angekündigt hat, sein Werk in Berlin-Oberschöneweide zum 31. Dezember dicht zu machen und 750 von 800 Angestellten zu entlassen, kämpfen sie um ihre Jobs. Nach Protestaktionen am Potsdamer Platz und vor der deutschen Samsung-Zentrale in Schwalbach am Taunus traf es nun das Zentrum der politischen Macht. IG-Metall-rot beflaggt, mit Trillerpfeifen, Blechtrommeln und Megaphonen bestückt glitten die Schiffe vorbei an Reichstag, Abgeordnetenhaus und Kanzleramt. „Von Samsung ausgesaugt bis auf die Knochen“, stand auf einem Pappskelett, das über die Rehling baumelte. Am Ufer sammelten sich Touristen und knipsten deutschen Arbeitskampf.

Wenn sich Lautstärke proportional zu Verzweiflung verhält, dann muss nackte Existenzangst in Oberschöneweide herrschen. Wegen des ohrenbetäubenden Trillerpfeifenkonzerts an Bord riet Betriebsratschef Wolfgang Kibbel zu Ohrenstöpseln. „Was erwarten Sie von den Kollegen bei 20 Prozent Arbeitslosigkeit in Berlin und der Aussicht auf Hartz IV?“

Samsung will sein Werk in Oberschöneweide schließen, weil dort Röhrenbildschirme produziert werden, die nun von einer neuen Generation Bildschirme abgelöst werden. Das Werk sei nicht für die Umstellung der Produktion auf die neuen Techniken geeignet, heißt es aus dem Konzern. Samsung wird in Ungarn weiterhin die alten Röhren herstellen lassen, weil dort die Löhne niedriger sind.

Wolfgang Hensel arbeitet seit 1993 für Samsung als Bildröhrenprüfer, schon zu DDR-Zeiten hat er den Job gemacht. Der 55-Jährige ist an Bord des Protestschiffs, weil ihn die „schäbige Art und Weise“ stört, wie Samsung mit den Mitarbeitern umgehe. Der Konzern habe die Belegschaft jahrelang in Sicherheit gewogen, obwohl man unter den Kollegen schon geahnt habe, dass sich die Produktion nicht mehr lohne. „Im Frühjahr hatte es geheißen, wir würden mindestens noch drei Jahre produzieren. Aber Samsung investierte nicht.“ Jetzt lasse das Unternehmen die Belegschaft über den Sozialplan im Unklaren. Hensel hat wenig Hoffnungen, dass sein Arbeitsplatz gerettet wird. „Produziert wird nüscht mehr in Oberschöneweide. Ich hoffe, dass die Gewerkschaft noch eine anständige Abfindung rausholt“, sagt er. „Was dann kommt? Arbeitslosengeld I und Jobsuche. Aber in meinem Alter wird das schwierig.“

Dietmar Hinz ist da zuversichtlicher. Er arbeitet seit 17 Jahren in Oberschöneweide am Fließband. „Ich bin 34 Jahre alt und würde auch ins Ausland gehen. Es ist trotzdem komisch, mit der Arbeitslosigkeit konfrontiert zu werden. Ich kannte das nur aus dem Fernsehen. Samsung war nicht fair zu uns. Im Vier-Schichten-System haben sie alles aus uns herausgeholt, für 1200 Euro netto.“

Samsung hatte Anfang der 90er Jahre das ehemalige DDR-Werk für Fernsehelektronik von der Treuhand übernommen. Der damalige Chef, In Kim, versprach eine lange Zukunft. Sogar die Enkelkinder der Angestellten würden noch bei Samsung arbeiten, sagte er. Die Stadt Berlin zahlte Samsung Fördermittel für das Werk, zuletzt 29 Millionen Euro. Daran war der Erhalt der Arbeitsplätze geknüpft. Die Bestandsgarantie läuft aber laut Vertrag am 31. Dezember ab. Es sieht danach aus, als ob es der letzte Arbeitstag für Dietmar Hinz und Wolfgang Hensel bei Samsung sein wird. Doch Betriebsrat Kibbel sagt: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

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