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Wirtschaft: "Auf Mandanten zu warten, ist nicht mehr zeitgemäß"

Immer mehr mittelständische Anwaltskanzleien schließen sich zusammen / Konkurrenz anderer beratender BerufeVON UWE RIEDER DÜSSELDORF.Auf der mittelständischen Anwaltschaft lastet ein doppelter Druck: Einerseits drängen immer mehr junge Juristen in den Anwaltsberuf, Tendenz steigend; andererseits schließen sich die Großen der Branche zu noch größeren Einheiten zusammen und verschärfen damit den Konkurrenzkampf um die Mandate.

Immer mehr mittelständische Anwaltskanzleien schließen sich zusammen / Konkurrenz anderer beratender BerufeVON UWE RIEDER

DÜSSELDORF.Auf der mittelständischen Anwaltschaft lastet ein doppelter Druck: Einerseits drängen immer mehr junge Juristen in den Anwaltsberuf, Tendenz steigend; andererseits schließen sich die Großen der Branche zu noch größeren Einheiten zusammen und verschärfen damit den Konkurrenzkampf um die Mandate.Als Ausweg aus dieser Misere setzen viele mittlere, regional ausgerichtete Kanzleien auf Kooperationen.Ihr Ziel: die Eigenständigkeit bewahren und trotzdem ortsunabhängig beraten zu können. Eines von mehreren Beispielen für eine solche Kooperation ist Advoselect, ein Zusammenschluß von knapp 50 Anwaltskanzleien in Europa.37 davon stammen aus Deutschland.Die Zusammenarbeit erfolgt in der Rechtsform einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessen-Vereinigung (EWIV) mit einer zentralen Geschäftsstelle in Stuttgart, die sich um die organisatorischen Dinge kümmert: gemeinsame Marketingaktivitäten, Rahmenverträge mit Informationsdiensten und anderes.Die angeschlossenen Kanzleien wollen ihren in erster Linie mittelständischen Mandanten durch den Verbund eine ortsunabhängige Beratung ermöglichen. Dahinter steht unter anderem das Problem, daß die anwaltliche Tätigkeit oft die Einschaltung eines Korrespondenzanwalts erfordert.Denn nicht alle Fälle lassen sich am Sitz des Mandanten beziehungsweise der ihn betreuenden Kanzlei lösen ­ insbesondere, wenn ein Prozeß erforderlich wird.Wie Frank Diem, Vorsitzender von Advoselect, erläutert, erstreckt sich die Kooperation aber auch auf die gegenseitige Beratung bei Problemfällen.So könnten für die Ausarbeitung komplizierter Verträge, für die es im eigenen Haus an Know-how fehle, Spezialisten aus dem Verbund hinzugezogen werden.Ein internes Datennetz erlaube einen schnellen Informationsaustausch.Der Kooperation liegen feste Regeln ­ etwa für die Honorare für gegenseitige Beratung ­ und klare Standards für die Aufnahme neuer Gesellschafter zugrunde.So können nur mittelständische Kanzleien bei Advoselect mitmachen.Dem Wachstum des Verbundes sind dadurch Grenzen gesetzt."Viele entsprechen nicht den Kriterien", sagte Diem dem Handelsblatt.Vor allem im Ausland gebe es oft Probleme mit der Größe von Kandidaten.Aber auch andere Kriterien seien oft schwer zu überprüfen, zum Beispiel die Finanzierung einer ausländischen Kanzlei.Diem: "Da muß man wahnsinnig vorsichtig sein." Ob sich die Kooperation wirtschaftlich auszahlt, läßt sich bisher nicht an konkreten Zahlen festmachen.Erhebungen über den Erfolg gibt es nicht.Klar ist nur, daß jede Kanzlei eine einmalige Einlage von 8000 DM leisten muß und dann jedes Jahr für den ersten Anwalt einer Kanzlei 4000 DM Grundbeitrag sowie für jeden weiteren Anwalt 800 DM zahlt.Als Zeichen für den Erfolg wertet Diem das interne Wachstum der Gesellschafter: 1992, bei der Gründung von Advoselect, habe die durchschnittliche Kanzleigröße bei 2,4 Anwälten gelegen.Heute seien es im Durchschnitt vier Anwälte. Positiv steht die Bundesrechtsanwaltskammer den vielen Initiativen mittelständischer Anwälte gegenüber, die sich in dieser oder ähnlicher Weise entwickelt haben.Eugen Ewig, Geschäftsführer der Kammer: "Aus unserer Sicht sind alle Bemühungen im Rahmen des Marktes zu begrüßen." Nur so werde man auch gegenüber der Konkurrenz anderer beratender Berufe bestehen können.Ewig: "Auf Mandanten zu warten, ist nicht mehr zeitgemäß."

UWE RIEDER

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