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Wirtschaft: Auferstanden aus Ruinen

JENA .Die Firma Historicus hat einen neuen Trend entdeckt: Pilgerfahrten mit dem Ziel Jena.

JENA .Die Firma Historicus hat einen neuen Trend entdeckt: Pilgerfahrten mit dem Ziel Jena.Im Thüringer Städtchen verheißt der Reiseveranstalter Touristen die Offenbarung des "Achten Wunders".Dahinter verbirgt sich eine höchst irdische Erscheinung: Dr.h.c.Lothar Späth und seine Jenoptik AG.

Späth ist in der Ostthüringer Stadt eine wundersame Wandlung gelungen: vom gestrauchelten Ministerpräsidenten Baden-Württembergs zum Vorstandschef und schließlich zum Schutzpatron Jenas."Späth wird das schon machen", sagen die Leute auf der Straße, wenn es ein Problem gibt.Doch beim Börsengang interessieren nur der Vorstandschef Späth und seine Konzernzahlen.Da gelten allein attraktive Gewinne, dicke Aufträge und lukrative Neuentwicklungen in den drei Sparten Reinstraumsysteme (Clean Systems Technologies), Telekommunikation (Telecommunication Technologies) und Opto-Elektronik (Photonics Technologies).

Das besondere Augenmerk der Anleger gilt bei der "Mission Zukunft" der Sparte Clean Systems und vor allem deren Herzstück, der Meissner + Wurst GmbH & Co.Die Übernahme des Unternehmens 1994 markiert den Durchbruch der Jenoptik als High-Tech-Schmiede.Für Späth der wichtigste Schritt auf dem Weg, "aus Jenoptik ein hundsgewöhnliches Unternehmen zu machen".Vor sieben Jahren ein fast abstruser Gedanke.Als der Politiker Späth 1991 die Leitung des Restkombinats Zeiss Jena übernahm, sprach man in der Treuhand nur respektlos von einer "Immobilien- und Menschenansammlung".Für die meisten der knapp 30 000 Beschäftigten standen Kurzarbeit Null oder Entlassung an.

Nach politischem Willen sollte eine überlebensfähige Jenoptik Carl Zeiss Jena GmbH eine fünfstellige Mitarbeiterzahl behalten.Man einigte sich auf 10 200.Die traditionellen Zeiss-Produkte und 2800 Arbeitsplätze wurden kurz darauf ausgegliedert.Die Carl Zeiss Jena GmbH ist seitdem Tochterunternehmen von Carl Zeiss Oberkochen.Lothar Späth und seine Jenoptik GmbH mußten mit den verbliebenen Bereichen Optoelektronik, Systemtechnik und Präzisionsfertigung den Neuanfang bei "minus Null" wagen.Späths Unternehmerkarriere begann mit Abriß.Zu den Pflichten der Jenoptik GmbH gehörte die Verwertung und Verwaltung der ehemaligen Zeiss-Immobilien.

Um die war es 1992, als sich Späth ans Werk machte, übel bestellt: Die Standorte waren abgewirtschaftet, die Böden teilweise kontaminiert.In den ersten Jahren kann sich Jenoptik mit Recht als die größte Baufirma Jenas bezeichnen."Wir haben den Menschen viel zumuten müssen", sagt Späth heute.Doch der Wandel ist geschafft, für jeden sichtbar: die neue Wohnsiedlung "An den Fuchslöchern", das innerstädtische Einkaufszentrum Goethegalerie und vier Gewerbeparks, heute weitgehend ausgebuchte High-Tech-Standorte.Herzstück ist die Jenoptik-Verwaltung mitten in der Stadt.Bis zur Wende stand hier das Zentrale Produktionsgebäude des Kombinats.Manch alter Zeissianer sah mit Tränen, wie die Bagger seinen ehemaligen Arbeitsplatz dem Erdboden gleichmachten.

Aber irgendwann, so beschloß Lothar Späth, muß mit dem Bauen Schluß sein.Er wollte einen Technologiekonzern an die Börse führen.So verkaufte er zum 1.Januar 1998 74,9 Prozent des Developmentgeschäfts an eine Tochter der IVG Holding.Im Zuge der Stadt- und Unternehmenssanierung entwickelte sich Späth zu einer festen Größe der Wirtschaftsförderung.Das betrifft nicht nur die Ansiedlungen in den Gewerbegebieten.Bei der Bayerischen Vereinsbank weiß man auch von ausgegliederten Kombinatsfirmen, die Jenoptik "zwei- bis dreimal Geld gekostet haben".Der Chef half Existenzgründern auf die Beine, mit Ideen und Material, aber auch mit seinem Namen, wenn es bei der Finanzierung hakte.

C.MEYER-KOESTER, G.WEISHAUPT (HB)

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