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Wirtschaft: Auferstehung an der Wall Street

Dem Autokonzern gelingt die Rückkehr an die Börse Barack Obama spricht von einem Meilenstein

Washington - Der Donnerstag war ein Zahltag. Und die US-Regierung stand diesmal auf der besseren Seite: nicht dort, wo man das Geld ausgibt, sondern es in Empfang nimmt. Vor knapp 17 Monaten hatte General Motors (GM), der kurz zuvor noch größte Autokonzern der Welt, den Gang in die geordnete Insolvenz angetreten. Nur mehrere Finanzspritzen der Regierung im Gesamtwert von 49,5 Milliarden Dollar retteten das Unternehmen. Im Gegenzug übernahm sie 61 Prozent an GM. Die übrigen Anteile gingen an die Regierung von Kanada, wo viele GM- Werke stehen, die Gewerkschaft der Autobauer UAW und an Investoren.

Am Donnerstag ging das Unternehmen wieder an die Börse. Das Interesse war so groß, dass der Preis der 478 Millionen angebotenen Stammaktien auf je 33 Dollar festgelegt wurde, die Obergrenze der geplanten Bandbreite. Ein zusätzliches Paket von 71,7 Millionen Aktien wurde platziert, das man in den USA „overallotment“ nennt. Darüberhinaus bot GM Vorzugsaktien im Wert von 4,35 Milliarden Dollar an. Gleich zu Handelsbeginn sprang die Aktie des Opel-Mutterkonzerns um sechs  Prozent auf glatte 35 Dollar hoch. Der Schlusskurs lag bei 34,19 Dollar, ein Plus von 3,6 Prozent. „Wir sind zufrieden mit dem Auftakt“, sagte Konzernchef Daniel Akerson auf dem Parkett der New York Stock Exchange. Er läutete das Comeback des US-Autogiganten im großen Handelssaal ein.

In der Summe wird der Erlös um die 21 Milliarden bis 23 Milliarden Dollar betragen; das wäre der größte Börsengang in der Geschichte der USA und womöglich weltweit. Den globalen Rekord hält bisher der Börsengang der Agricultural Bank of China vom Juni 2010 mit 22,1 Milliarden Dollar – und in den USA Visa mit 19,7 Milliarden Dollar im März 2008.

Für Deutschland und andere Staaten, die sich gezwungen sehen, große Konzerne vor der Pleite zu schützen, um Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und der Volkswirtschaft zu verhindern, stellt sich die Frage: Ist GM ein Beispiel, dass staatliche Rettungsmilliarden keine verlorenen Zuschüsse für die Steuerzahler sein müssen? Seit GM am 1. Juni 2009 die geordnete Insolvenz erklärte, hat der Konzern 7,4 Milliarden Dollar an Krediten, Zinsen und Dividenden an den Staat zurückgezahlt. Der Börsengang bringt der Staatskasse 13,6 Milliarden Dollar. Der Staatsanteil an GM sinkt von 61 auf 26 Prozent.

Sechs Monate lang wird die Regierung keine weiteren GM-Aktien verkaufen, um den Kurs nicht zu gefährden. Danach will sie sich allmählich von ihren verbleibenden 500 Millionen Anteilen trennen. Sie müsste einen Durchschnittspreis von 53 Dollar pro Aktie erzielen, um alle Kosten der Rettung abzudecken. Doch selbst wenn dem Staat am Ende rechnerisch ein Minus verbleibt, steht dem nach Analyse der „New York Times“ ein hoher Nutzen gegenüber: Das staatlich garantierte Überleben von GM und Chrysler hat 1,1 Millionen Menschen 2009 vor der Arbeitslosigkeit bewahrt und 314 000 Jobs 2010 gerettet. Das spart Arbeitslosenhilfe und Zuschüsse für Umschulungen.

Präsident Barack Obama sprach am Donnerstag von einem „Meilenstein für die amerikanische Automobilindustrie“. Er betonte sein Versprechen, eine lebensfähige Autoindustrie in den USA zu erhalten und zugleich die Interessen der Steuerzahler zu schützen. Republikaner hatten sich zwar nicht offen gegen die Rettung von GM und Chrysler ausgesprochen, aber das Ergebnis der Interventionen zur Rettung von Banken und Autokonzernen kritisiert. Im Wahlkampf spotteten sie, GM stehe für „Government Motors“, einen Staatsbetrieb.

Nach ersten Analysen gingen mehr als 90 Prozent der angebotenen GM-Aktien an Investoren aus Nordamerika. Weniger als fünf Prozent entfielen auf Fonds aus Asien und dem Nahen Osten. Der chinesische Konzern SAIC, ein Kooperationspartner GM’s auf dem größten Automarkt der Erde, kaufte ein Prozent. Man erwartet, dass die GM-Aktie in den nächsten Tagen um zehn bis 20 Prozent über den Ausgabepreis von 33 Dollar steigt.

Im Zuge der Neustrukturierung hatte GM vier seiner acht Automarken geschlossen und ist heute der zweitgrößte Autokonzern der Welt hinter Toyota und vor VW. Seinen Anteil am US-Markt hat der Konzern nach jahrelangem Rückgang nun bei 19 Prozent stabilisiert. In den ersten drei Quartalen 2010 wies General Motors einen Gewinn von 4,2 Milliarden Dollar aus. Große Hoffnungen richten sich auf das Modell „Volt“. Es ist ein Auto etwa in der Größe eines VW Golf und hat sowohl einen Elektro- als auch einen Benzinmotor. Mit Strom kann der Volt 40 Meilen (64 Kilometer fahren).

Diese Reichweite ist höher als der Weg, den drei Viertel der Amerikaner zur Arbeit und wieder nach Hause zurücklegen. Der zusätzliche Benzinmotor erlaubt aber auch längere Strecken. Mit 40 000 Dollar liegt der Preis des Volt freilich weit über dem für Autos ähnlicher Größe. Es ist ein von der Regierung gewünschtes Prestigeprojekt.

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