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Der Aufschwung ist da.

© dpa

Aufschwung: Das Wirtschaftswunder ist amtlich

Deutschland steckt mitten im Aufschwung: Export und Konsum ziehen an – aber die Anleger sind noch nicht überzeugt.

Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft wird weiter von der Nachfrage aus dem Ausland getragen – aber auch die Investitionen und der private Konsum im Inland ziehen an. „Damit dürfte sich der Aufschwung als stabiler erweisen als häufig befürchtet“, kommentierten Volkswirte der Commerzbank am Dienstag Wachstumsdaten des Statistischen Bundesamtes für das zweite Quartal. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sieht schon eine sich „selbsttragende Entwicklung“, die nicht mehr auf staatliche Konjunkturprogramme angewiesen ist. „Die Erholung hat die deutsche Wirtschaft in ihrer vollen Breite erfasst“, sagte Brüderle.

Mit großer Vorsicht wird hingegen die Lage der exportorientierten deutschen Wirtschaft an den Finanzmärkten beurteilt. Weil sich die Anzeichen mehren, dass die US-Wirtschaft deutlich an Fahrt verliert und auch in Asien das Wachstum schwächer wird, sackte der Dax am Dienstag um 1,5 Prozent unter die 6000- Punkte-Marke. Anleger investierten ihr Geld stattdessen auf dem Rentenmarkt. Der Run auf deutsche Bundesanleihen, die als langfristig besonders solide eingeschätzt werden, ging weiter. Massiv steigenden Kursen der Staatspapiere standen entsprechend sinkende Renditen gegenüber. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe lag auf einem Rekordtief von 2,220 Prozent. Dass Anleger ihr Geld zu solch mageren Konditionen für zehn Jahre festlegen, zeigt, wie groß die Sorge vor einer erneuten Abkühlung der Weltwirtschaft ist.

Beim Blick auf die Zahlen aus Deutschland scheint der Pessimismus übertrieben: Das Statistische Bundesamt bestätigte am Mittwoch seine Angaben vom 13. August, wonach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – also der Wert aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen – im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Jahres um 2,2 Prozent gewachsen ist. So üppig ist das Wachstum noch nie seit der Wiedervereinigung vor 20 Jahren ausgefallen. Und: 60 Prozent der Wirtschaftsleistung wurden vom Konsum getragen. „Das schürt insgesamt die Erwartung, dass die Binnennachfrage zum Teil in die Bresche springen kann, wenn die Impulse vom Außenhandel im zweiten Halbjahr abnehmen“, sagte Jörg Lüschow, Analyst bei der WestLB. Auf das Jahr 2010 hochgerechnet dürfte die deutsche Wirtschaft stärker wachsen als Wirtschaftsforscher erwartet hatten. So korrigierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung am Mittwoch seine Prognose von 1,9 auf drei Prozent. Die Bundesbank hatte ihre Prognose kürzlich von knapp zwei Prozent auf rund drei Prozent angehoben, die Deutsche Bank erwartet 3,5 Prozent.

Trotz erfreulicher Signale aus dem Inland profitiert Deutschland vom Anziehen der weltweiten Nachfrage nach Waren „Made in Germany“. Treiber für das Wachstum waren neben dem Außenhandel (Exporte plus 8,2 Prozent) auch die Investitionen. Sowohl in Ausrüstungen (plus 4,4 Prozent) als auch in Bauten (plus 5,2 Prozent) flossen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes deutlich mehr Mittel als im Vorquartal. „Es sind nicht nur Ersatzinvestitionen“, sagte dazu der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Hans Heinrich Driftmann. Die privaten Konsumausgaben waren um 0,6 Prozent höher als in den ersten drei Monaten dieses Jahres.

Vorbei geht der Aufschwung an der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischereibetrieben. Ihre Wertschöpfung ging im Vergleich zum Vorjahr zurück. Auch in den Sektoren Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen fiel das Wachstum unterdurchschnittlich aus.

Kehrseite des Aufschwungs sind die hohen öffentlichen Schulden. Unter dem Strich stand nach Berechnungen des Statistikamtes am Ende des ersten Halbjahres 2010 ein Finanzierungsdefizit von rund 42,8 Milliarden Euro. Die Defizitquote stieg auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit über die zulässige europäische Grenze von 3,0 Prozent. Experten fürchten, dass der Bund seine Sparanstrengungen forcieren muss – zulasten der Binnennachfrage. mit rtr

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