zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Aufschwung frühestens im nächsten Jahr

Unternehmen und Ökonomen erwarten für 2003 bestenfalls Stagnation – Clement überdenkt Prognose

Berlin (brö/fw). Die Hoffnungszeichen für die deutsche Wirtschaft mehren sich. 2004 könne das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,5 Prozent und mehr wachsen, sagten Wirtschaftsforscher am Dienstag. Der Grund seien die besseren Rahmenbedingungen. Bis zum Ende dieses Jahres werde die Konjunktur dagegen bestenfalls stagnieren. Derzeit sind die Unternehmen so pessimistisch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) schließt nicht aus, dass die Regierung ihre Wachstumsprognose von 0,75 Prozent erneut absenkt.

„Die Voraussetzungen für einen Aufschwung 2004 sind gut“, sagte Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen WeltWirtschafts-Archivs (HWWA), das zu den sechs Forschungsinstituten zählt. Zwar werde es 2004 „keine große Dynamik“ geben, ein Plus von 1,5 Prozent sei aber zu erwarten. Das HWWA begründete seinen Optimismus mit der gesunkenen Inflation, mit der Aussicht auf eine Konjunkturerholung in den USA sowie mit dem günstigen Zinsniveau in Europa. Daneben habe die Stabilisierung der Börsen und das Ende des Irak-Kriegs für Optimismus gesorgt, sagte HWWA-Konjunkturexperte Eckardt Wohlers.

Auch Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, hält die Aussichten für 2004 für günstig. Schaffe die Bundesregierung mit der Agenda 2010 wachstumsfördernde und beschäftigungsfreundliche Bedingungen, sei 2004 ein Wachstum von 1,5 bis zwei Prozent möglich, sagte er dem Tagesspiegel. Allerdings sei das Reformpaket der Koalition nur ein Anfang. Franz: „Nach der Agenda ist vor der Agenda“. Zudem solle die Regierung die Steuerreform 2005 vorziehen.

Der Konjunkturindex, den Franz’ Institut allmonatlich ermittelt, stützt den Optimismus. Im Juni stieg er um 2,6 Punkte auf 21,3 Punkte, wie das ZEW mitteilte. Das war der sechste Anstieg in Folge. Ermittelt wird die Kennzahl durch eine Umfrage unter 294 Analysten. Vor allem die jüngste Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank habe für bessere Stimmung gesorgt, hieß es.

In diesem Jahr wird die deutsche Wirtschaft dagegen bestenfalls stagnieren. Das vermutet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nach einer Umfrage unter 21000 Unternehmen in den Monaten April und Mai. Nur 17 Prozent erwarteten für die kommenden Monate bessere Geschäfte, 42 Prozent äußerten sich skeptisch. „So schlecht waren die Erwartungen zuletzt im Rezessionsjahr 1993“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Nur 13 Prozent schätzten ihre aktuelle Lage als gut ein. „Die Konjunktur quält sich im Seitwärtsgang“, sagte Wansleben. Schuld daran sei auch der geringere Export, einst die Stütze des Wachstums. Beim Wachstum werde es nur eine rote Null, also ein leichtes Schrumpfen des BIP geben. Bei Konsumenten und Unternehmen sitze die Unsicherheit tief. Bremsend wirke auch der hohe Euro-Kurs.

Zwar machte der DIHK auch „Stabilisierungstendenzen“ aus – so hätten sich die Branchen Bau und Handel nicht so schlecht entwickelt wie noch zu Jahresbeginn befürchtet. Daher helle sich das Wirtschaftsklima vor allem im Norden und im Osten der Republik auf. Für eine Belebung auf breiter Front reiche es aber nicht, sagte Wansleben. Dies erwartet auch das HWWA – es reduzierte seine Wachstumsprognose von 0,7 Prozent auf 0,0 Prozent. Derzeit dürfe Deutschland in der Rezession stecken, da die Wirtschaft nicht nur im ersten, sondern auch zweiten Quartal schrumpfen werde.

Über eine Senkung ihrer Prognose denkt auch die Bundesregierung nach. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) schloss dies in einem „Stern“-Interview nicht aus. Derzeit geht die Koalition von einem Wachstum von 0,75 Prozent aus. Wolfgang Wiegard, Chef des Sachverständigenrates, sagte, die Regierungsprognose sei „nicht mehr zu erreichen“. Statt dessen werde es ein Wachstum „so um die 0,3 Prozent“ geben.

Die Börsen reagierten vor allem auf die Aussichten für 2004. Das trieb den Deutschen Aktienindex Dax zeitweise um 1,5 Prozent ins Plus. Gegen Abend bröckelten die Gewinne aber wieder ab, der Dax schloss bei 3286 Punkten, das war ein Plus von immer noch 0,68 Prozent.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false