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Wirtschaft: Ausgesprochen zornig

Auf der Hauptversammlung entlädt sich die Wut über geplante Lohnkürzungen. Die Aktionäre haben dafür wenig Verständnis

Köln - Ein paar Minuten hat René Obermann zu den Aktionären gesprochen, da bricht das Pfeifkonzert in der Kölnarena los. Der Telekom-Chef hat dazu gerade die Vorlage geliefert: „Strukturell und personell reformieren“ wolle er den Konzern – und die Männer und Frauen mit den roten Halstüchern wissen, was der Vorstandschef meint. Sie sollen länger arbeiten für weniger Geld. Obermann schaut ungläubig. „Warum Sie pfeifen, wenn der Vorstand sparen will, verstehe ich nicht“, sagt er und fügt matt hinzu: „Man kann es nicht allen recht machen.“

René Obermanns erste Hauptversammlung als Telekom-Chef ist alles andere als ein Heimspiel. Vor 8500 Aktionären, darunter hunderte Mitarbeiter, verteidigt er das Sparprogramm des Konzerns. Immer wieder unterbrechen ihn die wütenden Mitarbeiter. 50 000 von ihnen will der Vorstand künftig in neuen Service- Gesellschaften beschäftigen, wo sie ein deutlich geringeres Gehalt erwartet. So reagiert der Konzern darauf, dass ihm die Festnetzkunden in Deutschland immer schneller weglaufen, allein im ersten Quartal 600 000. Bis 2010 will Obermann mit dem Programm „Sparen für Service“ jährlich Kosten zwischen 4,2 Milliarden bis 4,7 Milliarden Euro einsparen.

„Angesichts des steigenden Zeit- und Kostendrucks müssen wir zügig agieren“, sagt Obermann. Kaum brandet der Beifall seiner Unterstützer auf, übertönen die etwa 500 Belegschaftsaktionäre in der Halle mit Pfiffen und Zwischenrufen seine Rede. Obermann hält dann inne, lächelt und als ob er das selbst für unangemessen hält, versteinert sich seine Miene sofort wieder. „Wir werden uns jetzt mit einem möglichen Verkauf von Teilen der Servicebereiche an Drittanbieter auseinandersetzen müssen“, droht er.

Das Plenum ist zweigeteilt. Für die mit den roten Tüchern ist Obermann zur Hassfigur geworden, die ihre Existenzen bedroht. „Lügner“, und „Du gehst als Erster“, schallt es ihm entgegen. Für die anderen Aktionäre ist Obermann der Hoffnungsträger, der die unter dem Ausgabepreis dümpelnde T-Aktie wieder auf Trab bringen soll. Sowohl die Fondsvertreter in ihren dunklen Anzügen als auch die vielen Kleinaktionäre, meist Rentner in sandfarbener Kleidung, unterstützen vor allem seine Forderung nach einer längeren Arbeitszeit.

„Es ist schon ein Anachronismus, für die 34-Stunden-Woche zu streiten. Fast jeder Schüler in Deutschland muss länger arbeiten“, sagt Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS. „Mit der Ausgliederung haben Sie den Stier an den Hörnern gepackt – bitte lassen Sie ihn nicht los“, sagt Hans-Richard Schmitz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Man kann ein Unternehmen nicht gegen die Belegschaft führen“, hält Kornelia Dubbel dagegen, die für die Mitarbeiter über die Auslagerung verhandelt. Sie weist auch darauf hin, dass die Mitarbeiter die Verkürzung der Arbeitszeit auf 34 Wochenstunden – wenigstens zum Teil – mit Lohneinbußen bezahlt haben.

Schon am Morgen drücken streikende Mitarbeiter den Aktionären am Eingang der Kölnarena Flugblätter in die Hand. Viele weisen die Papiere zurück. Die Forderung, die Dividende von 72 Cent pro Aktie zugunsten der Mitarbeiter zu kürzen, wollen sie nicht unterstützen. „Die Dividende ist das einzige Trostpflaster für meine Kursverluste“, sagt einer.

Der Telekom stehen weiter unruhige Zeiten bevor: Die Tarifverhandlungen für die Service-Gesellschaften waren vor einer Woche gescheitert. Am heutigen Freitag will Verdi die Urabstimmung über unbefristete Streiks beschließen, die in zwei Wochen beginnen könnten.

Nils-Viktor Sorge

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