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Auslandsaktien: Bittere Pille für Finanzminister Steinbrück

Dem Fiskus drohen Rückforderungen in Höhe von fünf Milliarden Euro. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof war die in Deutschland bis ins Jahr 2000 praktizierte Versteuerung ausländischer Aktien rechtswidrig.

Luxemburg/Berlin - Frohe Nachricht für deutsche Anleger, Hiobsbotschaft für die Finanzminister: Aktionäre können nach einem Grundsatzurteil des höchsten EU-Gerichts beim Fiskus nachträglich Steuergutschriften für Auslandswertpapiere einfordern. Den deutschen Staatskassen drohen daher Steuerausfälle von bis zu fünf Milliarden Euro. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte am Dienstag in Luxemburg die bis Ende 2000 in Deutschland praktizierte steuerliche Benachteiligung bei Dividendenzahlungen von Auslandsunternehmen.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) kritisierte den Richterspruch scharf und befürchtet "schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen". Nach seinen Angaben entfällt die Hälfte der fünf Milliarden Euro auf den Bund. Der exakte Steuerausfall hänge von den Anträgen auf Steuererstattung ab. Berlin hatte gehofft, dass der EuGH die Auswirkungen seines Urteils auf die öffentlichen Haushalte berücksichtigt und die Rückwirkung zeitlich beschränkt. Die obersten EU-Richter lehnten aber eine zeitliche Beschränkung der Urteilswirkung in dem nun entschiedenen "Fall Meilicke" rundweg ab.

Regelung verstieß gegen freien Kapitalverkehr in der EU

Die vom EuGH beanstandete frühere Regelung hatte eine Steuergutschrift für Dividenden im Rahmen der Einkommensteuer ausgeschlossen, wenn die auszahlende Gesellschaft ihren Sitz nicht in Deutschland hatte. Aus Sicht der obersten EU-Richter verstieß dies gegen den freien Kapitalverkehr in der EU. Sie kippten die Vorschrift aus zwei Gründen: Zunächst behindere sie Anleger, die Ausschüttungen von ausländischen Unternehmen erhalten. Zudem würden ausländische Unternehmen eingeschränkt, in Deutschland Kapital zu sammeln.

In Deutschland hatten Privatleute gegen die steuerliche Regelung geklagt. Der Fall war dem EuGH vom Kölner Finanzgericht vorgelegt worden. Das Finanzministerium nannte zumindest die Ablehnung der zeitlichen Beschränkung der Urteilswirkung überraschend. Es ist der Ansicht, dass beide in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Voraussetzungen für eine zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen erfüllt gewesen seien. Neben den drohenden Ausfällen von bis zu fünf Milliarden habe zum Zeitpunkt der Änderung der Rechtslage erhebliche Unsicherheit über Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die Ausgestaltung der Körperschaftsteuer bestanden.

Gegensätzliche Positionen auch innerhalb des Gerichts

Der Fall ist kompliziert und beschäftigt das Luxemburger Gericht schon länger. Ein Generalanwalt des Gerichts hatte sich zuvor für eine zeitliche Beschränkung des Urteils ausgesprochen, eine Generalanwältin hatte jedoch später genau die gegenteilige Ansicht vertreten. Berlin hätte den Aktionären ausländischer Gesellschaften eine Steuergutschrift gewähren können, die nach der geschuldeten Körperschaftssteuer im Heimatland des Unternehmens berechnet worden wäre, schrieb das Gericht nun. Eine solche Lösung würde den freien Kapitalverkehr weniger behindern. Das damalige Steuersystem erlaubte es laut Gericht Anlegern in Deutschland, gegenüber dem Fiskus drei Siebtel der an sie gezahlten Dividenden von der Einkommensteuerschuld zu kürzen.

Die Geschichte des Falls reicht in die 90er Jahre zurück. Von 1995 bis 1997 erhielt ein Anleger Dividenden von Unternehmen aus den Niederlanden und Dänemark. Nach seinem Tod im Jahre 2000 beantragten die Erben für diese Ausschüttungen eine Steuergutschrift beim Finanzamt. Ohne Erfolg. Die Erben zogen dann vor das Finanzgericht Köln, das dann den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte. (tso/AFP)

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