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Alles auf Rot. Die Bahn sagt, sie habe sich intensiv auf den für heute angekündigten Streik der Lokführer vorbereitet.

© Reuters

Außer Rand und Bahn: Verkehrsgewerkschaft EVG stellt sich gegen Lokführer-Streiks

Für Montag hatte die Gewerkschaft GDL eigentlich Streiks angekündigt. Neben Arbeitgebern und Kunden kritisiert das auch die große Konkurrenz von der Verkehrsgewerkschaft EVG.

Bislang hatte in der Tarifauseinandersetzung nur die Verkehrsgewerkschaft EVG im Oktober für wenige Stunden die Arbeit niedergelegt. Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), will gleich an mehreren Tagen zu Warnstreiks aufrufen. Und parallel dazu soll es eine Urabstimmung über einen dauerhaften Arbeitskampf geben. Die für den heutigen Montag angekündigten Streiks blieben jedoch zunächst aus.

Die Deutsche Bahn teilte am Wochenende mit, sie habe sich intensiv auf die angekündigten Warnstreiks der GDL vorbereitet. Um die Auswirkungen für die Reisenden so gering wie möglich zu halten, werde die Bahn mehrere hundert zusätzliche Mitarbeiter einsetzen. Vor allem das Service-Personal an den Bahnhöfen und bei der telefonischen Reiseinformation werde verstärkt, teilte die Bahn mit. Auch würden dort zusätzliche Mitarbeiter eingesetzt, wo die Disposition von Mitarbeitern und Fahrzeugen erfolgt.

Die GDL fordert eine einheitliche Bezahlung für alle 26 000 Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr, die fünf Prozent über dem jetzigen Bahn-Niveau liegen soll. Heute verdienten Lokführer bei Privatbahnen bis zu 30 Prozent weniger als bei der Bahn. Den Flächentarifvertrag, den die wesentlich größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG im Januar mit der Bahn und ihren sechs großen Wettbewerbern – Arriva, Abellio, Benex, Veolia, Keolis und Hessische Landesbahn – für den Nahverkehr ausgehandelt hat, lehnt die GDL ab. Sie vertritt nach eigenen Angaben 75 Prozent der Lokführer, bei der Bahn liege ihr Organisationsgrad bei 80 Prozent. Neben den tariflichen Verbesserungen will die GDL auch die Absicherung ihrer Klientel verbessern – etwa bei Arbeitsunfähigkeit oder wenn der Arbeitgeber Aufträge verliert.

Die Schuld daran, dass der Konflikt nun eskaliert, will niemand übernehmen, die Beteiligten schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu: „Die Arbeitgeber haben uns provoziert“, befindet GDL-Chef Weselsky. Das Angebot der Deutschen Bahn zur Lohnerhöhung sei unzureichend, sie verlange sogar eine Stunde Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Und die Privatbahnen lehnten einen Flächentarifvertrag ab, der über die Vereinbarung mit der EVG hinausgehe. Verhandeln will Weselsky erst wieder, wenn neue Angebote vorliegen. Der Ton wird ruppiger. „Die GDL soll aufhören, die Öffentlichkeit und ihre Mitglieder hinters Licht zu führen“, hieß es bei der Bahn daraufhin. Die Gewerkschaft solle zu seriösen Verhandlungen zurückkehren.

Bereits 2007 und 2008 hatte die GDL mehrfach den Bahnverkehr deutschlandweit lahmgelegt. Damals erstritt sie auch das Recht, die Lokführer in Verhandlungen allein zu vertreten – und handelte zudem ein Lohnplus von elf Prozent aus. Weselsky gibt offen zu, dass es auch dieses Mal um Konkurrenz und alte Feindschaften im Gewerkschaftslager geht. „Wir werden nicht die Tarifergebnisse einer schwachen Gewerkschaft übernehmen“, tönt er. Andere aus der Führungsebene werden noch deutlicher. „Warum sollen wir ein Ergebnis einer Gewerkschaft übernehmen, die einen viel geringeren Organisationsgrad bei den Lokführern hat als wir?“

Bei der Bahn herrscht Unverständnis über diese Haltung. „Wir wollen fast alles erfüllen, was die fordern, trotzdem machen sie Radau“, sagt ein einflussreicher Manager. Die Bahn-Lokführer hätten in den vergangenen fünf Jahren ein Lohnplus von 18 Prozent erreicht – so viel habe kaum eine andere Berufsgruppe. Womöglich sei es aber mit ein oder zwei „Show-Warnstreiks“ getan. Mehr als auf ein rasches Ende hoffen kann die Bahn ohnehin nicht tun. Der Versuch, die GDL-Streiks per Gericht stoppen zu lassen, scheiterte 2007 kläglich. Und mehrere tausend streikende Lokführer kann der Konzern ad hoc nicht ersetzen – schon jetzt fehlen Leute auf den Loks.

Die Privatbahnen hoffen, dass die GDL beim Publikum nicht ähnliche Sympathien einheimsen kann wie 2007. Es gebe bereits einen Branchentarifvertrag, zudem sei die Zufriedenheit der Fahrgäste mit den Bahn-Konkurrenten hoch. „Weselsky verschätzt sich“, heißt es im Lager der Privaten.

Derweil warnt die Konkurrenzgewerkschaft EVG die Arbeitgeber davor, den GDL-Forderungen nachzugeben. „Wenn die Arbeitgeber der GDL einen besseren Abschluss als mit uns zugestehen, wird das weit reichende Konsequenzen haben“, sagte der Vorsitzende Alexander Kirchner dem Tagesspiegel. Dann werde man Nachverhandlungen fordern und gleiche Bedingungen verlangen. „Obendrein ist dann die Tarifeinheit Geschichte, und wir können nicht mehr sagen, wir halten mit unserer Politik den Laden zusammen“, prognostizierte der Gewerkschafter weiter. „Ich halte es für denkbar, dass wir dann Verhandlungen für einzelne Berufsgruppen führen, die wie die Lokführer im System Bahn ein besonders hohes Druckpotenzial haben – Fahrdienstleiter, Zugbegleiter, Werkstatt-Spezialisten.“ Schon im Sommer habe die EVG die Arbeitgeber vor der nun eintretenden Situation gewarnt. Es gehe nicht an, dass eine Berufsgruppe allein auf ihren Vorteil bedacht sei. Es gehe um alle Mitarbeiter in einem Unternehmen, nicht nur um die Lokführer. Kirchner kritisierte zudem das Vorhaben der GDL, auch die krisengeschüttelte S-Bahn Berlin zu bestreiken. „Wenn man es sich vermiesen will mit den Kunden, dann macht man das so wie die GDL.“ Ohnehin sei die S-Bahn der falsche Adressat, wenn man das Unternehmen treffen wolle.

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