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Geheimnisvolles Alexandria. Während des Freiwilligendienstes lernen junge Leute mehr von Ägypten als jeder Tourist.

© imago/Danita Delimont

Auszeit nach dem Abitur: Raus in die Welt

Nach dem Abitur kann man studieren – oder Lebenserfahrung sammeln. Im Ausland funktioniert das prima.

Am Anfang hätte sie am liebsten alles hingeworfen und wäre nach Hause zurückgekehrt. „Das war ein ganz krasser Schritt in die Selbstständigkeit, plötzlich musste ich für mich selbst sorgen. Und dann war es auch einfach die Kultur – gerade als hellhäutige junge Frau muss man sich hier sehr selbstbewusst zeigen.“

Seit September vergangenen Jahres lebt Sophia Steinbacher in der ägyptischen Stadt Alexandria und unterstützt während ihres Freiwilligendienstes das Kollegium der deutschen katholischen Mädchenschule. Die 19-jährige Abiturientin aus Berlin ist beim Mathe- und Musikunterricht dabei, leitet die Schulband und hilft der Leiterin des Kinderchores. Inzwischen ist sie mit dem ägyptischen Großstadtleben vertraut. Sie wohnt in einer WG, hat Freundinnen und Freunde gefunden. „Jetzt ist alles ziemlich normal, ich hab mich an alles hier sehr gewöhnt.“

42 Prozent der Jugendlichen in Deutschland wollen nach der Schule eine Auszeit einlegen, so das Ergebnis des Schülerbarometers 2017, eine repräsentative Befragung des Marktforschers Trendence. Demnach planen rund 28 Prozent einen Auslandsaufenthalt, zehn Prozent können sich einen Bundesfreiwilligendienst oder ein Freiwilliges Soziales Jahr vorstellen, etwa vier Prozent würden sich für den Freiwilligen Wehrdienst entscheiden.

Welche Ziele und Interessen habe ich?

Wer sich mit dem Gedanken beschäftigt, nach dem Abitur ein Jahr im Ausland zu verbringen, sollte sich zuerst darüber klar werden, welche Ziele und Interessen er damit verfolgt: Geht es vor allem ums Reisen und darum, verschiedene Länder kennenzulernen? Soll der Auslandsaufenthalt auf die spätere Ausbildung vorbereiten, etwa in Form eines Sprachkurses oder Praktikums? Oder ist die Idee, sich irgendwo sozial zu engagieren? Zahlreiche private Unternehmen bieten Hilfestellung für die Organisation von Work- and-Travel-Programmen, Au-Pair- Aufenthalten oder Freiwilligendiensten. Die Kosten dafür können bei mehreren tausend Euro liegen.

Wer nicht über so viel Geld verfügt, hat die Möglichkeit an einem staatlich geförderten Programm teilzunehmen. Der Europäische Freiwilligendienst (EFD) wird aus dem EU-Programm Erasmus+ bezuschusst und bietet Projekte in ganz Europa, aber auch in südlichen mediterranen Ländern wie Tunesien, Marokko, Israel oder Jordanien. Der Internationale Jugendfreiwilligendienst (IJFD) wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und richtet sich an junge Leute bis 27 Jahre, die sich weltweit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen engagieren möchten.

Engagement für Umwelt, Kultur und Menschenrechte

Kulturweit heißt ein von der Deutschen Unesco-Kommission geförderter internationaler Freiwilligendienst mit Schwerpunkt im Kultur- und Bildungsbereich. Zudem existiert seit zehn Jahren das Programm weltwärts, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird. Rund 3500 junge Menschen zwischen 18 und 28 Jahren nehmen jährlich an dem Programm teil und engagieren sich in der ganzen Welt bei Projekten für Bildung, Gesundheit, Umwelt, Landwirtschaft, Kultur oder Menschenrechte.

Der Weg zum Freiwilligendienst im Ausland geht in aller Regel über eine von mehr als 400 Entsende- oder Austauschorganisationen, die es in Deutschland gibt. Sie unterstützen die jungen Erwachsenen bei der Wahl des Landes und des passenden Projekts, bieten Vor- und Nachbereitungsseminare an und stehen während des Auslandsdienstes als Ansprechpersonen zur Verfügung. In Berlin engagiert sich der Verein ICJA - Freiwilligenaustausch weltweit seit 1949 in der internationalen Friedensarbeit. Etwa 300 Menschen entsendet er jedes Jahr ins Ausland.

„Wir sehen das als großen Lernprozess für die Freiwilligen“, sagt Alexis Flevotomas, Referent für asiatische Länder beim ICJA. „Man lernt ganz viel über sich selber – das ist auch die Motivation, das Aufregende an so einer Zeit im Ausland. Die meisten kommen mit einem komplett neuen Blick auf Deutschland zurück, haben neue Freunde gewonnen und eine neue Sprache gelernt.“

Vermissen wird sie die Gastfreundschaft

Auch Sophia Steinbacher ist heute froh, dass sie ihren Freiwilligendienst nicht gleich abgebrochen, sondern sich Zeit genommen hat, um sich an alles zu gewöhnen. „Anfangs habe ich sehr mit mir gerungen, ob ich nach Ägypten gehen soll“, erinnert sie sich – zu fremd, zu unsicher. „Aber es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung.“ Wenn sie jetzt daran denkt, dass es schon bald wieder zurück nach Deutschland geht, fällt ihr vieles ein, das sie vermissen wird: „Die Spontaneität auf jeden Fall, die Gastfreundschaft, das Essen. Außerdem habe ich sehr viele tolle Menschen kennen gelernt.“

Was würde die Berlinerin anderen nach ihrer Erfahrung in Ägypten raten? Ganz einfach: „Man muss mutig sein, man wird aus seiner Komfortzone rausgetragen, aber wenn man es sich zutraut, sollte man es unbedingt machen.“

Alena Hecker

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