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Abwrackprämie

© dpa

Autobranche: Die Prämie ist Schrott

Die neue Abwrackprämie in Höhe von 2500 Euro pro Gebrauchtwagen soll der Autobranche einen Nachfrageschub geben – schnell, unbürokratisch und wirkungsvoll. Doch die Branche ist skeptisch und sieht nur die Händler als große Gewinner.

Berlin - Seit Freitag liegt die Konjunkturspritze der Regierung auf dem Tisch. Die neue Abwrackprämie in Höhe von 2500 Euro pro Gebrauchtwagen soll der Autobranche einen Nachfrageschub geben – schnell, unbürokratisch und wirkungsvoll. Doch die Skepsis ist groß. Eine Umfrage bei Berliner Autohäusern und Schrottverwertern zeigt: Die Betriebe sind froh, dass überhaupt etwas passiert – mit einem plötzlichen Kundenansturm rechnet niemand. Vielmehr kommt eine neue Sorge hinzu. Die „Umweltprämie“ könnte die Gebrauchtwagenpreise weiter nach unten drücken, einzelne Marken begünstigen und an den deutschen Herstellern vorbeigehen.

„Das wird schon die Nachfrage steigern, aber sicher nicht alles auf den Kopf stellen“, sagt Wadim Kaufmann vom Renault Autohaus Kaufmann. Dass viele Besitzer von mindestens neun Jahre alten Gebrauchtwagen nun wegen der Prämie gleich einen Neu- oder Jahreswagen kaufen, bezweifelt er. Zudem müssten die Gebrauchten tatsächlich weniger als 2500 Euro wert sein, damit eine Verschrottung infrage komme – und keine lohnendere Inzahlungnahme. „Neuwagenkäufer steigen meist nicht aus so einem alten, wertlosen Auto“, meint auch Thomas Kramer vom Autopark 2000 in Berlin-Hönow. Nicht jeder könne sich einen Neuwagen leisten. Schade findet er, dass es künftig wohl keine Gebrauchten für weniger als 2500 Euro mehr auf dem Markt gebe. Die Prämie, so befürchten viele, wird das ohnehin niedrige Preisniveau für Gebrauchte weiter drücken.

Mit der vom Bund eingeplanten Summe von 1,5 Milliarden Euro können maximal 600 000 Prämien bezahlt werden. Wer zuerst kommt, kassiert zuerst. Anträge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) können auch die Händler für ihre Kunden stellen. Zusätzlicher Aufwand, der sich für die Unternehmen lohnen soll. Doch Fachleute rechnen nur mit etwa 300 000 Anfragen. Auch Jörg Wiltberger, Verkaufsleiter beim Autohaus Berolina, glaubt nicht, dass der massive Nachfrageeinbruch in den vergangenen Wochen nun ein plötzliches Ende hat. „Möglicherweise ist das bei Händlern, die sich in einem günstigeren Preissegment befinden, anders“, gibt der VW- und Audi-Händler zu bedenken. Wie bei anderen Vertragshändlern deutscher Marken schwingt hier die Sorge mit, die Prämie helfe vor allem ausländischen Kleinwagenbauern. Wer jetzt seinen Wagen im Wert von 2500 Euro eintausche, werde nicht noch mehr als 10 000 Euro drauflegen und einen neuen VW kaufen. Das bestätigt Christian Spiegl, Vertriebsleiter bei Peugeot Berlin-Brandenburg: „Wir hatten in den letzten Tagen schon Stornierungen, weil die Leute auf die Ausgestaltung der Verschrottungsprämie gewartet haben.“ Der Händler rechnet mit einem höheren Absatz, Peugeot sei im günstigen Kleinwagensegment sehr gut aufgestellt. „Die Umweltprämie ist ein Händler-Programm“, sagt auch Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte an der Universität Duisburg-Essen. „Die Produzenten werden davon wenig haben.“ Die Prämie helfe den Händlern, ihre Höfe von Tageszulassungen, Jahres- und Vorführwagen zu leeren – der Neuwagenverkauf werde kaum profitieren. Das hat auch mit dem hohen Anteil von gewerblichen Neuzulassungen zu tun. Knapp 60 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Autos (2008: knapp drei Millionen) werden von gewerblichen Kunden (Vermietern, Flotten, Unternehmen) gekauft, die ihre Autos zu 80 Prozent leasen. Diese Kundengruppe kommt aber nicht in den Genuss der Umweltprämie. Auch private Leasingkunden gehen nach Angaben des Verbands der deutschen Autoindustrie leer aus: „Beim Leasing bleibt der Wagen im Besitz des Händlers. Im Kfz-Schein ist die Leasingfirma eingetragen“, sagte ein VDA-Sprecher. „Für den privaten Leasingnehmer gibt es also keine Umweltprämie, weil der Neuwagen nicht auf ihn zugelassen ist.“ Der Anteil des klassischen Privatleasings ist allerdings sehr gering. Anders bei der im Handel verbreiteten Drei-Wege-Finanzierung, die bei knapp 40 Prozent aller privat erworbenen Neu- und Gebrauchtwagen Anwendung findet. Dabei hat der Kreditnehmer am Ende der Laufzeit drei Möglichkeiten: das Auto zurückzugeben, weiterzufinanzieren oder zu kaufen. „Käufer, die die Drei-Wege-Finanzierung wählen, kommen auch in den Genuss der Umweltprämie, weil das Fahrzeug auf sie zugelassen wird“, sagt ein Sprecher der Mercedes-Benz-Bank.

Doch vor dem Kauf des neuen liegt die Verschrottung des alten. Dies dürfen nur anerkannte Demontagebetriebe gemäß der Altfahrzeugverordnung. 26 gibt es in Berlin, 1200 bundesweit. Viele hoffen, dass die Umweltprämie Umsatz bringt. „Viele Verwerter haben mit der Konjunkturdelle zu kämpfen“, sagt Ulrich Leuning, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen. Bis Mitte 2008 seien Rohstoffe bei der Industrie gefragt gewesen. Seitdem aber seien die Erlöse massiv gefallen. Um bis zu 40 Prozent ist der Schrottpreis nach Angaben des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung seit Herbst 2008 eingebrochen. „Gewinn macht man zurzeit nur mit Ersatzteilen“, sagt Andreas Schmidtke, Betreiber der Autopresse Tempelhof. Die Umweltprämie könne diesem Geschäft nur guttun. Den großen Ansturm der Autobesitzer werde es aber nicht geben, glaubt er. Dennoch sei die Autopresse vorbereitet: „Wir können ad hoc umschalten und bis zu 10 000 Wagen im Jahr verschrotten“, sagt Schmidtke. Im vergangenen Jahr waren es nur 1400.

Das Misstrauen des Unternehmers ist verständlich. Schon 1998 mit Einführung der Altfahrzeugverordnung hofften zertifizierte Betriebe auf mehr Arbeit, weil nur sie noch Fahrzeuge verschrotten durften. Doch das Gegenteil trat ein. Strenge Auflagen machten die Entsorgung teurer. „Damals gab es niedrige Schrottpreise und die Autobesitzer mussten zuzahlen, wenn sie ihr Auto nach den vorgeschriebenen Qualitätsstandards verwerten lassen wollten“, sagt Ulrich Leuning. Die meisten verkauften ihre Fahrzeuge daher lieber an Gebrauchtwagenhändler. Etwa 3,2 Millionen Pkw werden jährlich aus dem zentralen Fahrzeugregister gelöscht. Nur etwa 450 000 davon gelangen in die Verwertung. Die übrigen Autos landen überwiegend im Ausland. Oder bei Gebrauchtwagenhändlern, die ohne Zertifizierung Autos illegal im Hinterhof ausschlachten – und damit den Markt der Demontagefirmen kaputt machen. Manche Experten befürchten allerdings auch, dass jetzt einige Händler und Schrottplatzmitarbeiter die Prämie missbrauchen könnten: Alte Autos würden dann nicht in der Presse, sondern in Afrika oder Osteuropa landen.

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