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© dpa

Autobranche: Stau in der Luxusklasse

Nach dem Abwrackjahr 2009 hoffen die Autobauer auf Firmenkunden. Doch die halten sich zurück.

Berlin - Die Berliner kennen das: Alle paar Tage wird irgendwo in der Hauptstadt eine Straße gesperrt, weil ein Staatsgast von A nach B gefahren wird. Meist rauschen die Würdenträger in großen, dunklen Limousinen deutscher Hersteller vorbei. Für Mercedes, BMW und Audi bringen die Paraden maximale Aufmerksamkeit. Wenn die polierte S-Klasse, der 7er oder der A8 abends noch einmal durch die Fernsehnachrichten rollt, freuen sich die Marketingleute der Autokonzerne. Denn hier oben, im Topsegment der Pkw-Premiumklasse, brauchen sie den Glamour, hier oben verdienen sie ihr Geld. 60 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Autos werden nicht an Privatkunden verkauft, sondern von Diplomaten, Behörden, Unternehmen oder Autovermietern abgenommen, meist über Leasingverträge. Und von den Herstellern und Händlern selbst. Sie lassen Neuwagen auf sich selbst zu, um sie als Werkswagen oder Tageszulassungen mit Rabatt an Privatkunden verkaufen zu können.

All das gilt für normale Autojahre. Doch 2009, im Jahr der Abwrackprämie und der Wirtschaftskrise, war nichts normal auf dem deutschen Pkw-Markt. Der Anteil der wichtigen gewerblichen Kunden an den rund 3,8 Millionen Neuzulassungen schrumpfte auf 40 Prozent, weil die Prämie vor allem private Kunden in die Autohäuser lockte. Die waren aber nicht an üppig ausgestatteten Luxuslimousinen, sondern vor allem an Kleinwagen interessiert. Und die Flottenmanager, die die Dienstwagen für Vorstände, Abteilungsleiter und Außendienstler bestellen, zögerten bei Neuanschaffungen, weil die Krise sie zum Sparen zwang. „2009 gab es einen Bestellstopp“, sagt ein BMW-Sprecher. Insgesamt wurden 430 000 gewerbliche Neufahrzeuge weniger zugelassen als 2008. Allein bei den Firmenfuhrparks lag das Absatzminus bei mehr als 22 Prozent.

Nach dem Auslaufen der Abwrackprämie und mit der Erholung der Konjunktur setzen die Premiumhersteller 2010 auf eine Rückkehr der gewerblichen Kunden. Weil acht von zehn Dienstwagen aus deutscher Produktion stammen, ist das Geschäft eigentlich eine sichere Bank. Die Vertriebsabteilungen verbreiten Zuversicht: „Wir sind im Flottengeschäft sowohl bei den Zulassungen als auch beim Auftragseingang positiv in dieses Jahr gestartet“, sagt Daniel Bartos, Mitglied der Geschäftsführung des Mercedes-Benz Vertriebs Deutschland. Mit der neuen E-Klasse sei Mercedes „im Wettbewerbsvergleich sehr gut unterwegs“.

Auch BMW sieht sich mit der neuen 5er-Serie, die erst Ende März auf den Markt kam, gut aufgestellt. „Die Bestellungen sind höher, als wir geplant hatten, im Flottengeschäft liegen sie auf Rekordhoch“, freut sich Vertriebssprecher Alexander Bilgeri. Mehr als 80 Prozent aller 5er Modelle werden an gewerbliche Kunden verkauft. Auch Wettbewerber Audi ist mit seinem neuen Flaggschiff A8 auf Werbetour, das seit wenigen Tagen bei den Händlern steht und bei Dienstwagenfahrern Begehrlichkeiten wecken soll.

Doch der Optimismus trügt. Nach Zahlen des Marktbeobachters Dataforce kommt der gewerbliche Flottenmarkt, der in „Normaljahren“ bei 650 000 Fahrzeugen liegt, nicht in Fahrt. Im Januar wurden so wenige Dienstwagen zugelassen wie zuletzt Anfang 2001. Und im Februar gingen die Verkäufe an Unternehmen noch einmal im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,8 Prozent zurück. Gestützt wurde das Geschäft allein von Autovermietern und Eigenzulassungen der Autohändler. „Die Zahlen belegen noch nicht unsere Euphorie“, räumt BMW- Sprecher Bilgeri ein.

Auch die Aussichten für das Gesamtjahr rechtfertigen keine Begeisterung. Nach einer Dataforce-Umfrage unter deutschen Fuhrparkleitern plant nur ein Drittel, 2010 Neuwagen zu beschaffen. In Flotten mit mehr als zehn Fahrzeugen will immerhin die Hälfte der Befragten investieren. Aber: Meist geht es nur um den Austausch alter Autos. Lediglich sieben Prozent der Flottenmanager wollen ihren Fuhrpark auch vergrößern. „Selbst wenn 150 000 gewerbliche Neuzulassungen 2010 dazukämen, wäre das bei einem Gesamtmarkt von rund drei Millionen Neuwagen noch keine Rettung“, gibt Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen zu bedenken.

„Angesichts der noch immer nicht überwundenen Wirtschaftskrise halten wir uns gegenwärtig beim Kaufen beziehungsweise Leasen zurück“, bestätigt ein Sprecher des Pharmakonzerns Bayer, der weltweit eine Flotte von 24 000 Fahrzeugen unterhält. „Es gibt aber keinen Orderstopp.“ Pro Jahr wechselt der Dax-Konzern 7000 Fahrzeuge aus, 80 Prozent davon sind geleast. Wer angesichts des schwachen Marktes bei den Firmenkunden punkten will, muss mit dem Preis runter – und bei Ausstattung und Service nachlegen. Großkundenrabatte von mehr als 25 Prozent sind ohnehin üblich, wenn langjährige Rahmenverträge geschlossen werden. In Einzelfällen geht auch mehr. So wird von Rabatten von 45 Prozent für die neue Mercedes E-Klasse berichtet. Dies würde den Erfolg der letzten Wochen erklären: Während Mercedes bei Firmenkunden im Februar um knapp 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegte, fiel Audi um rund 25 Prozent zurück. Eine Mercedes-Sprecherin verweist auf „attraktive Konditionen und Ausstattungspakete“: „Entscheidend ist nicht der Nachlass auf das Fahrzeug, sondern die ,Cost of ownership’“.

Hier, bei den Gesamtkosten für den gewerblichen Nutzer, kommen neue Verkaufsargumente ins Spiel: CO2-Ausstoß und niedriger Spritverbrauch. Konzerne wie Bayer, Siemens oder die Telekom haben sich auch für ihre Dienstwagen Umweltziele gesetzt – oder sie sind dabei, diese schärfer zu formulieren. „Siemens legt jedes Jahr für seine verschiedenen Flotten Referenzwerte für Verbrauch und Emissionen fest. Bis in den oberen Führungskreis gilt dann ein Bonus-Malus-System“, sagt ein Konzern-Sprecher. „Wer den CO2- oder Spritverbrauchswert überschreitet, muss draufzahlen, wer sie unterschreitet, bekommt einen Bonus.“ Bayer prüft nach Angaben eines Sprechers auch die Anschaffung von Hybrid- Fahrzeugen. Macht diese Einkaufspolitik Schule, müssen sich die deutschen Premiumhersteller mehr einfallen lassen als Lederausstattungen und PS-Rekorde. Eine Hybridflotte hat – bis auf wenige Einzelmodelle – keiner der deutschen Produzenten im Angebot.

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