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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kommt zum Autogipfel ins Kanzleramt. Beobachter werfen der Regierung Dilettantismus vor.

© Britta Pedersen/picture alliance/dpa

Autogipfel ohne Ergebnis: Verzettelt in Masterplänen zur Mobilität

Nach dem Autogipfel im Kanzleramt gibt es viel Enttäuschung. Denn Vorschläge für mehr Ladesäulen gibt es schon lange, nur die Umsetzung stockt weiterhin.

Verärgert haben Teilnehmer und Beobachter auf das magere Ergebnis des Autogipfels im Bundeskanzleramt am Montagabend reagiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte mit Vertretern der Bundesregierung, der Autobranche und Gewerkschaften drei Stunden lang über die Zukunft der Schlüsselindustrie beraten. Beschlossen wurde nichts. Die Teilnehmer verständigten sich lediglich darauf, mit einem „Masterplan“ den Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos in Deutschland zu beschleunigen.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warf dem Bund schwere Versäumnisse in der Verkehrspolitik vor. „Es ist schwer erträglich“, sagte er am Dienstag in Stuttgart mit Blick auf die Politik von Angela Merkel. Er habe sich bereits beim Dieselgipfel über die mangelnde Professionalität der Vorbereitung gewundert. Der Grünen-Politiker kritisierte, dass man zu lange über Altlasten rede und nicht in einen Arbeitsprozess komme, um die drängenden Fragen der Zukunft zu klären.

Katharina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), sagte, es entstehe zunehmend der Eindruck, „dass sich die Politik in Kommissionen, Gipfeln und Masterplänen verzettelt, anstatt mit der Umsetzung vorliegender Vorschläge zu beginnen“. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) habe bereits Vorschläge zum Ausbau der Ladeinfrastruktur gemacht. „Dieses Maßnahmenpaket gilt es zügig umzusetzen.“

Bund fördert, Industrie investiert

Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) verwies auf die Forderungen der NPM und die Investitionen der Energiewirtschaft. „Der stärkste Hebel für den Umstieg auf Elektromobilität liegt jedoch bei den Fahrzeugflotten und bei der Förderung privater Ladeinfrastruktur“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte statt eines neuen Masterplans das Ende der Diesel-Subventionen, die Einführung einer Kerosinsteuer, eine Malusregelung beim Kauf von „Spritfressern“ und die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen.

Der Bund fördert Investitionen in die Infrastruktur bereits mit 300 Millionen Euro, die Autokonzerne sind zugleich dabei, ein Netz von Schnellladepunkten an den Autobahnen zu errichten. Auch große Energieversorger investieren. Dennoch ist der Bedarf groß, wenn im Jahr 2030 sieben bis zehn Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen versorgt werden müssen. Außerdem gilt die lückenhafte Infrastruktur als zentrales Hürde für Käufer, sich ein E-Auto anzuschaffen.

Scheuer bringt Gesetz auf den Weg

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schickte am Dienstag ein weiteres Gesetzespaket in die Abstimmung zwischen den Ressorts, mit dem bis zu 300.000 Ladepunkte errichtet werden sollen. Offen ist die Finanzierung für die eine Milliarde Euro in Rede stehen. Die finanzielle Förderung soll laut Verkehrsministerium bis hin zu privaten Investitionen in Ladepunkte etwa an Eigenheimen oder Tiefgaragen-Plätzen gehen.

Neben der finanziellen Förderung sind dafür allerdings auch rechtliche Änderungen etwa im Wohnungsrecht nötig, die die Ministerien für Justiz und Wohnen betreffen. Die Anpassung des Miet- und Wohnungseigentumsrechts müsse „schnellstens in die Tat umgesetzt werden“, bekräftigte BDEW-Hauptgeschäftsführer Kapferer eine alte Forderung.

Der Duisburger Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sprach nach dem Autogipfel von einem „Offenbarungseid“ der Regierung und forderte den Rücktritt von Verkehrsminister Scheuer. Es sei „dilettantisch“, sich erst jetzt verkehrspolitisch intensiver mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschäftigen. Nach zehn Jahren Untätigkeit „kann man heute nicht die deutsche Autoindustrie an den Pranger stellen“, kritisierte Dudenhöffer im „WDR“-Hörfunk.

Reform des Miet- und Wohneigentumsrechts stockt

Weitere finanzielle Zusagen für die Autoindustrie machte die Regierung am Montagabend nach Angaben des Autoverbands VDA nicht. „Wir haben keine Zusagen bekommen. Wir haben auch keine Versprechen gemacht“, sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes im Deutschlandfunk. Die Verständigung auf einen Masterplan nannte er aber ein „sehr konkrete Vereinbarung“. Wenn es bis 2030 sieben bis zehneinhalb Millionen E-Fahrzeuge im Bestand geben solle, „brauchen wir zirka 100.000 Schnelllade-Säulen, zirka eine Million öffentliche Ladepunkte und mehrere Millionen private Ladepunkte“, sagte Mattes. Das Ladesäulenregister des BDEW weist rund 17.400 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Deutschland aus, davon zwölf Prozent Schnelllader.

Laut VDA investiert die deutsche Autoindustrie in den kommenden drei Jahren 40 Milliarden Euro in die Elektromobilität. „Wir brauchen den Staat zum Beispiel, wenn es darum geht, gesetzliche Rahmenbedingungen zu verändern“, sagte Mattes. Zum Beispiel beim Wohnungseigentumsgesetz oder auch beim Mietrecht, „so dass in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern es leicht ist für den einzelnen Anwohner, dort eine Ladestation zu errichten“.

Auch müsse die Förderungskulisse für Ladesäulen, die auf Parkplätzen von Baumärkten oder Einkaufszentren errichtet werden, erweitert werden. Reinhard Zirpel, Präsident des Importeursverbands VDIK, forderte den Bund auf, „kurzfristig ein neues Förderprogramm zum Aufbau insbesondere privater Ladeinfrastruktur“ aufzulegen. Rund 85 Prozent der Ladevorgänge fänden zuhause statt.

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