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Wenn es nach Deutschland geht, entsprechen 2020 nur 80 Prozent aller Autos dem Grenzwert.

© Manfred Scharnberg / VISUM

Autoindustrie: Deutschland tritt bei CO2-Werten auf die Bremse

Berlin will bei den CO2-Vorgaben die deutsche Autoindustrie schützen. Bundesumweltminister Altmaier spielt deshalb in der EU auf Zeit.

Luxemburg - Eine „Einigung“ hatten die Litauer, die derzeit im Ministerrat die Geschäfte führen, vor Sitzungsbeginn tapfer als Ziel ausgegeben. Noch bevor aber die EU-Umweltressortchefs bei ihrem Treffen am Montag in Luxemburg überhaupt den brisantesten Tagesordnungspunkt erreichten, wurde die Agenda schon wieder geändert. Die EU-Umweltminister haben eine Einigung im Streit um CO2-Normen für Autos vertagt. Unterhändler des Ministerrates werden nun in Kürze erneut mit dem Europaparlament verhandeln, kündigte der litauische Umweltminister Valentinas Mazuronis am Montagabend an.

Die Planänderung war dabei dem politisch gewichtigsten Teilnehmer der Runde geschuldet: Bundesumweltminister Peter Altmaier verkündete noch vor der Sitzung, man könne möglicherweise „in den nächsten Wochen“ zu einem Ergebnis kommen. Im Klartext: Nicht jetzt!

Die deutsche Zurückhaltung erklärt sich damit, dass die Bundesregierung noch nach weiteren Unterstützern sucht, um einen im Juni zwischen EU-Ratspräsidentschaft und Europaparlament ausgehandelten Kompromiss zu den neuen CO2-Obergrenzen für Pkws zu ändern. Schon vor den Sommerferien war eine Sperrminorität organisiert worden, um eine schnelle Verabschiedung hinauszuzögern. Nun wurde in den vergangenen Tagen und Wochen aktiv um Mitgliedstaaten geworben, die die deutsche Position durchsetzen helfen sollen – mit Erfolg.

Jüngstes Beispiel dafür, mit welchem Einsatz gekämpft wird, ist eine Verabredung mit Großbritannien, die am Freitag getroffen worden sein soll. „Es gab einen deutsch-britischen Hinterzimmer-Deal“, sagte ein belgischer EU-Diplomat dieser Zeitung. Demnach hat die Regierung in London nun Deutschland zusammen mit weiteren Staaten wie Polen dabei unterstützt, das vorliegende Kompromisspaket weiter zu blockieren. „Großbritannien hat geholfen“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Holger Krahmer, „und kann dafür nun wohl Entgegenkommen bei der Bankenunion erwarten“. Tatsächlich wollen die EU-Finanzminister am Dienstag eine Erklärung abgeben, die Londons Bedenken bezüglich der neuen Bankenaufsichtsstruktur entgegenkommt.

Solch ein „Kuhhandel“, so Krahmer, stelle „die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen infrage“. Der SPD-Abgeordnete Matthias Groote, der dem Umweltausschuss des EU-Parlaments vorsteht, schlug in dieselbe Kerbe: „Es ist dreist, dass die vermeintliche Klimakanzlerin Merkel und ihre Regierung eine fertige Abmachung immer wieder verschiebt.“

Im Juni war vereinbart worden, dass in Europa zugelassene Neuwagen durchschnittlich nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro gefahrenem Kilometer ausstoßen dürfen – wobei für die Flotten von Herstellern größerer Fahrzeuge höhere, für Kleinwagenhersteller geringere Werte gelten. Schon damals hatten sich die Verhandler auf sogenannte „Supercredits“ verständigt, mit denen sich die Autobauer Elektroautos von 2020 an mehrfach anrechnen lassen können, was de facto das Reduktionsziel etwas abschwächt. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard sprach daher von einem „ausgewogenen Kompromiss“ und warb in der Sitzung für eine zügige Annahme. Altmaier forderte dagegen die litauische Ratspräsidentschaft auf, einen neuen Kompromissvorschlag vorzulegen – andernfalls werde er dies selbst tun. In einem deutschen Papier, das seit zwei Wochen in Brüssel kursiert, ist nachzulesen, dass 2020 nur 80 Prozent aller Autos dem Grenzwert entsprechen sollen. Erst 2024 wären dann alle Fahrzeuge der neuen Obergrenze unterworfen.

Altmaier verteidigte diese weitere Aufweichung der Abgasziele: „Die deutsche Position ist es, dass wir für einige wenige, für eine ganz begrenzte Zeit nach 2020, eine begrenzte Flexibilität erreichen“. Die Umweltschutzorganisation BUND teilte mit, bereits die 95-Gramm-Marke sei „zu hoch, wenn Deutschland und die EU ihre Klimaschutzziele noch erreichen wollen“. Der Widerstand gegenüber neuen Forderungen der Regierungen ist groß. „Eine zweite Lesung wird so immer wahrscheinlicher“, sagte Groote. Damit würde das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden.

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