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Autoindustrie: Gottschalk wird Opfer der Klimaschutz-Debatte

Nach wachsender Kritik an der deutschen Autoindustrie beim Klimaschutz ist VDA-Präsident Bernd Gottschalk überraschend zurückgetreten. Grund dafür war laut Branchenkennern der zunehmende Druck aus den eigenen Reihen.

Frankfurt/Main - Zahlreiche Autohersteller hatten Gottschalk vorgeworfen, er habe zu spät auf die Klimadebatte reagiert, eine umstrittene Anzeigenkampagne dazu geplant und vor einem Fernsehauftritt gekniffen. Die deutschen Autohersteller reagierten betont zurückhaltend auf den Rücktritt, den der Verband am Samstag bekannt gab. Ein Nachfolger ist bislang nicht bekannt.

Branchenkreise handeln führende ehemalige Vorstandschefs wie Helmut Panke von BMW, Bernd Pischetsrieder von VW oder Jürgen Hubbert (Mercedes) als Kandidaten. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) brachte den früheren Ford- und VW-Vorstand Daniel Goeudevert ins Gespräch, der in den neunziger Jahren als Verfechter innovativer und ökologischer Automobilkonzepte von sich reden gemacht hatte.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) vertritt die Interessen von mehr als 500 Unternehmen mit 750 000 Mitarbeitern der Autobranche. Das bekannteste Forum ist die Internationale Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt. Der 63-jährige Gottschalk stand seit 1996 an der Spitze der deutschen Autoindustrie. "Ich habe mir keine Versäumnisse in der CO2-/Hybrid-Debatte vorzuwerfen", erklärte Gottschalk. Ein VDA-Sprecher wollte auf Anfrage keine Gründe nennen.

Entwicklungen verschlafen

Der "Spiegel" hatte berichtet, die Chefs der deutschen Autohersteller seien "sauer" über die Reaktion ihrer Lobby auf die Klimaschutzdebatte. Wie schon bei der Diskussion um Feinstaub und Partikelfilter habe der Verband viel zu spät und lasch reagiert. Er habe nicht ausreichend über die Leistungen der deutschen Hersteller zur CO2-Reduktion aufgeklärt. Speziell die deutschen Autobauer waren aufgrund ihrer großen Fahrzeuge in die Kritik geraten, wogegen japanische Hersteller mit Hybridwagen oder italienische und französische Autobauer mit Kleinwagen punkten konnten.

Eine vom VDA geplante Anzeigenserie war von den Auto-Herstellern sogar gestoppt worden. Darin wollte der Verband ankündigen, dass die deutsche Autoindustrie in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro für den Klimaschutz investiere. Das klinge, als habe man bislang nichts getan, beschwerte sich der Chef eines Autokonzerns. Gottschalk werde auch vorgeworfen, dass er in der TV-Diskussionsrunde bei "Sabine Christiansen" nicht persönlich die Interessen von Daimler-Chrysler, BMW, VW, Opel, Ford und Porsche vertreten habe. In der Sendung waren die Hersteller für Versäumnisse beim Klimaschutz kritisiert worden. "Sobald wir einen Nachfolger gefunden haben", sagte ein Autoboss, "ist Gottschalk weg."

Pressesprecher üben sich in Zurückhaltung

Die deutschen Autohersteller kommentierten den Rücktritt mit Zurückhaltung: Ford wollte sich nicht äußern, BMW-Sprecher Marc Hassinger sagte: "Wir bedauern das sehr. Wir haben in der Vergangenheit immer gut mit Herrn Gottschalk zusammengearbeitet und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute." Ein VW-Sprecher sagte: "Wir haben den Rücktritt von Herrn Gottschalk mit großer Überraschung zur Kenntnis genommen. Herr Gottschalk hat sich große Verdienste um die deutsche Automobilindustrie erworben." Ein Daimler-Chrysler-Sprecher sagte am Sonntag: "Wir bedauern den Rücktritt sehr und wir schätzen die hervorragenden Leistungen von Herrn Gottschalk in den letzten zehn Jahren sehr." Von Opel, Audi und Porsche waren zunächst keine Stellungnahmen zu bekommen.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht Gottschalk als "Bauernopfer der Automobilindustrie". Die Autobauer selbst hätten es nicht geschafft, umweltgerechte Autos zu konzipieren und auf den Markt zu bringen, sagte VCD-Vorstandsmitglied Hermann-Josef Vogt. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer sagte: "Meistens schlägt man den Sack, wenn man den Esel meint. Hier schlagen die Esel den Sack."

Brüssel fordert Tempolimit

Scharfe Kritik an der Autoindustrie kam erneut aus Brüssel. Nach dem Brüssler Gipfel zum Klimaschutz fordert EU-Umweltkommissar Stavros Dimas weitergehende Maßnahmen gegen den CO2-Ausstoß wie ein Tempolimit. "Eine einfache Maßnahme in Deutschland könnte ein generelles Tempolimit auf Autobahnen sein", sagte Dimas in der "Bild am Sonntag". Tempolimits seien sinnvoll und völlig normal in den meisten EU-Staaten wie auch in den USA - nur in Deutschland werde das "merkwürdigerweise kontrovers diskutiert".

Der VDA wies die Forderung zurück und erklärte, Deutschland brauche "keine Nachhilfe für effizienten Klimaschutz aus Brüssel, vor allem wenn die Vorschläge nur Symbolcharakter haben". Es sei mehrfach nachgewiesen, dass das CO2-Einsparpotenzial eines Tempolimits sehr gering sei. Im Schnitt würden Autos heute auf bundesdeutschen Autobahnen bereits unter 120 Stundenkilometern fahren, so der Verband. (tso/dpa)

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