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AUTOINDUSTRIE IN DEUTSCHLAND Effiziente Produktion, schleppende Nachfrage: Ein VW-Arbeiter baut 27 Golf

Im Stammwerk Wolfsburg sollen 10 000 weitere Stellen wegfallen. Der Daimler-Kleinwagen Smart macht 3,9 Milliarden Euro Verlust

Berlin/Düsseldorf – Einer der größten Problemfälle des VW-Konzerns ist offenbar gelöst. Das Stammwerk Wolfsburg, in dem der Golf gebaut wird, hat einen deutlichen Produktivitätssprung gemacht. Doch aus diesem Grund, und weil „weitere Schritte zur Produktionsentwicklung“ folgen, kündigte Personalvorstand Horst Neumann am Montag den Abbau von weiteren 10 000 Arbeitsplätzen über Vorruhestandsregelungen an.

Betriebsratschef Bernd Osterloh betonte im Rahmen einer Betriebsversammlung in Wolfsburg die Notwendigkeit weiterer Produktivitätssprünge. Das sei angesichts des Wettbewerbs und eines „gezielten Angriffs von Toyota auf allen Märkten der Welt, aber insbesondere auf dem europäischen Markt“ unbedingt erforderlich.

Neumann sagte, in Folge von Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung werde jeder Mitarbeiter in Wolfsburg in diesem Jahr voraussichtlich 27 Autos bauen, im vergangenen Jahr seien es 24 gewesen. Mit der Einführung des nächsten Golf im kommenden Jahr wird die Produktivität noch einmal deutlich steigen. „Wir brauchen weniger Kolleginnen und Kollegen, um die gleiche Anzahl an Fahrzeugen zu fertigen“, sagte dazu Osterloh. Ein Teil der überzähligen Mitarbeiter soll künftig in der Produktion eines neuen Modells auf der Basis des Golf beschäftigt werden. Osterloh sprach von knapp 45 000 Autos pro Jahr. „Unser Stammwerk erreicht damit dann wieder eine ehrgeizige Jahreskapazität von 480 000 Fahrzeugen und mit diesem zusätzlichen Modell werden mehr als 1100 Arbeitsplätze gesichert“, sagte Osterloh.

Das Wolfsburger Werk stand in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt der Auseinandersetzung um längere Arbeitszeit, Stellenabbau und Produktverlagerungen. Die Marke VW war 2005 in die Krise gefahren, weil vor allem die sechs westdeutschen Werke zu teuer und zu unproduktiv waren. Ein wichtiger Sanierungsschritt war die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich. Um die Verlängerung auch nutzen zu können, verlegte VW die bislang im Brüsseler Werk erfolgte Golf-Fertigung nach Wolfsburg. Derzeit sind im Stammwerk rund 45 000 Beschäftigte tätig, knapp ein Drittel davon in der Produktion.

Relativ gute Nachrichten gab es am Montag auch von Daimler-Chrysler. Das kleinste Auto in der Modellpalette, der Smart, hat offenbar noch mehr Geld gekostet als bislang befürchtet, doch im Umkehrschluss bedeutet das künftig deutlich höhere Gewinnerwartungen bei der Mercedes Car Group, zu der auch der Smart gehört. Nach den Geschäftsberichten der Smart GmbH für die Jahre von 2003 bis 2006, die dem Handelsblatt vorliegen, summierten sich die Verluste in diesem Zeitraum auf fast 3,9 Milliarden Euro. Ohne die Belastung durch die Tochter hätte die Mercedes Car Group im vergangenen Jahr grob gerechnet bereits einen operativen Rekordgewinn von mehr als vier Milliarden Euro erzielt. Tatsächlich waren es 2,4 Milliarden Euro. Daimler hatte bislang keine Einzelergebnisse für Smart genannt. Der Konzern räumte lediglich für das Jahr 2005 eine Belastung von 1,2 Milliarden Euro durch die damals eingeleitete Restrukturierung der Marke ein. Experten waren allerdings stets von hohen Verlusten ausgegangen. Ein Daimler-Sprecher wollte die Informationen nicht kommentieren und betonte, dass der Autokonzern mit Smart in diesem Jahr erstmals schwarze Zahlen schreiben werde.

Die Verluste von Smart stiegen den Bilanzen zufolge in den vergangenen vier Jahren stetig an: 2003 betrug das Minus 351 Millionen Euro, im Folgejahr 697 Millionen Euro, 2005 schon 1,2 Milliarden Euro und im vergangenen Jahr schließlich 1,6 Milliarden Euro. Doch nun, mit einem profitablen Smart, rücken die Schätzungen einiger Analysten, die in diesem Jahr ein operatives Rekordergebnis von mehr als 4,2 Milliarden Euro für die Mercedes-Gruppe erwarten, in greifbare Nähe. Daimler-Finanzchef Bodo Uebber kündigte nach Informationen aus Teilnehmerkreisen bereits vor Investoren an, noch im laufenden Jahr höhere Renditeziele für die Mercedes- Gruppe veröffentlichen zu wollen.

Die Zahlen beleuchten allerdings die bisherigen Probleme der Kleinwagenmarke. So standen im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht Herstellungskosten von rund zwei Milliarden Euro einem Umsatz von 704 Millionen Euro gegenüber. Die Hoffnungen ruhen nun auf dem neuen Modell des Zweisitzers, das gerade auf den Markt kam. Die Gewinnschwelle liegt rund 30 Prozent unter dem des Vorgängermodells – Daimler muss also rund ein Drittel weniger Smart verkaufen, um schwarze Zahlen zu erreichen. Experten von Lehman Brothers erwarten, dass Daimler mit dem Smart ab 2008 einen Gewinn von bis zu 100 Millionen Euro erreichen kann. mit mwb/hz (HB)

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