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Autoindustrie: Sindelfingen bangt um die C-Klasse

Daimler prüft die Verlagerung der Fertigung des Modells in die USA. Bis zu 3000 Stellen sind gefährdet.

Stuttgart - Der Streit zwischen Konzernführung und Belegschaft beim Stuttgarter Autobauer Daimler verschärft sich. Nach einem zwei Milliarden Euro schweren Sparpaket im Frühjahr beklagt der Betriebsrat nun, dass der Konzern die Produktion der C-Klasse vom Werk Sindelfingen wegverlagern möchte. Konzernbetriebsratschef Erich Klemm stellt sich gegen Pläne, das Modell stattdessen künftig nur noch in Bremen und im US-Werk in Tuscaloosa fertigen zu lassen. „Wir erwarten, dass die C-Klasse als Volumenmodell auch ab dem Jahr 2013/14 in Sindelfingen gebaut wird“, sagte Klemm dem „Handelsblatt“.

Das Management erwägt, die Fertigung des Modells im größten inländischen Pkw-Werk einzustellen und die Baureihe zusätzlich im US-Werk Tuscaloosa vom Band laufen zu lassen. Das Werk Bremen würde damit zum einzigen deutschen Standort, an dem die C-Klasse produziert würde. Bremen ist heute bereits mit 1000 Fahrzeugen pro Tag der wichtigste Standort für die C-Klasse.

„Es gibt zur Standortpolitik der C-Klasse weder eine Entscheidung noch eine Empfehlung“, wehrte ein Konzernsprecher allerdings ab. Mit einer Entscheidung rechnen Branchenkenner aber noch in diesem Jahr. Die Belegschaftsvertreter hatten schon in der vergangenen Woche zum Auftakt der Internationalen Automobilmesse IAA in Frankfurt Widerstand gegen die Pläne angekündigt, die offensichtlich von Produktionschef Rainer Schmückle favorisiert werden.

Nach Einschätzung von Klemm wären in diesem Fall 3000 Stellen in Sindelfingen gefährdet. Er widersprach damit im Konzern kursierende Zahlen von 1200 Stellen. Konkrete Zahlen wollte Daimler gestern nicht nennen.

Der Daimler-Konzern steht unter gewaltigem Kostendruck, vor allem bei den kleineren Baureihen. In dieser Fahrzeugkategorie konkurriert der Hersteller von Luxuslimousinen mit den kostengünstigeren Massenherstellern. Um Kosten zu sparen, baut Daimler für die Nachfolgegeneration der A- und B-Klasse ein neues Werk in Ungarn. Jetzt hat der Druck sich aber offensichtlich auch auf die Mittelklassemodelle ausgedehnt. Hier erhöht vor allem Audi, das Kostenvorteile aus dem VW-Konzern zieht, den Druck auf Daimler. Mit der Produktion der C-Klasse in den USA will das Unternehmen Kostenvorteile nutzen und vor allem unabhängiger von Schwankungen des Dollar-Kurses werden.

Nach internen Berechnungen sollen die Lohnkosten in Amerika umgerechnet etwa 30 Euro je Stunde, in Sindelfingen dagegen rund 54 Euro betragen. Insgesamt sollen die Einsparungen je Auto bei einer US-Produktion 1200 bis 1500 Euro betragen.

Daimler hält es bei einem schwachen Dollar für schwierig, mit den in Deutschland gefertigten Wagen der C-Klasse auf dem US-Markt Geld zu verdienen. Um den Stellenabbau in Sindelfingen zu dämpfen, wird offensichtlich auch erwogen, die Fertigung des Sportwagens SL von Bremen nach Sindelfingen zu verlagern.

Bis Ende 2011 ist die Daimler-Belegschaft in Deutschland noch vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Einen neuen Standortsicherungsvertrag sieht Klemm nicht kommen. „Ich denke, nach den vergangenen Sparrunden gibt es auf Arbeitnehmerseite keinen Spielraum mehr“, sagte Klemm.

In der Vergangenheit hatte das Unternehmen der Belegschaft im Gegenzug zu Investitionen in neue Baureihen immer wieder Zugeständnisse abgetrotzt. Klemm hofft, dass es bis zum Auslaufen des bestehenden Vertrages Daimler wieder so gut geht, dass er derartige Dinge nicht verhandeln muss.

Bis August hat Mercedes 632 700 Autos verkauft, 18 Prozent weniger als im Vorjahr. Im ersten Halbjahr lag der Verlust über einer Milliarde Euro. Konzernchef Dieter Zetsche hat zuletzt aber erste Anzeichen für ein Ende der Talfahrt ausgemacht.

Klemm schmiedet bereits die Waffen für den Aufschwung. Der Betriebsratschef fürchtet, dass künftig der Wettbewerb über Lohndumping ausgetragen wird. „Die Unternehmen werden nur noch Leiharbeiter einstellen wollen“, sagt Klemm. Darum fordert er mehr Mitsprache bei der Einführung von Leiharbeit sowie eine gleiche Bezahlung von Leihkräften. HB

Martin Buchenau

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