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Marktanteil von mehr als 20 Prozent. Die deutschen Marken verkaufen in China in diesem Jahr rund 400 000 Neuwagen mehr als in Deutschland.

© p-a/dpa

Automobilindustrie: China hilft in der Euro-Krise

Der Automarkt leidet unter der schwachen Nachfrage nach Neuwagen in Südeuropa. Die deutschen Hersteller profitieren doppelt.

Berlin - Die Folgen der Schuldenkrise spalten die europäische Autoindustrie: Deutschen Herstellern, die viele Neuwagen in China und in den USA verkaufen, geht es gut – Unternehmen, die sich auf den europäischen Markt konzentrieren, kämpfen mit Absatzeinbrüchen. „Vor allem, wer stark in Südeuropa vertreten ist, hat es derzeit sehr, sehr schwer“, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA), am Dienstag in Berlin.

So ist die Zahl neu zugelassener Pkws in Italien in den ersten fünf Monaten des Jahres um 19 Prozent eingebrochen, in Frankreich um 17 Prozent, in Spanien um sieben Prozent. Dank der stabilen Nachfrage im übrigen Europa fiel der Rückgang in Westeuropa insgesamt mit acht Prozent auf 5,3 Millionen Neuzulassungen moderater aus. In Deutschland kamen im ersten Halbjahr 1,63 Millionen neue Autos auf die Straßen, ein Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

VW, Daimler, BMW & Co. profitieren von der Schwäche der anderen und bauen ihren Marktanteil aus. Jedes zweite Auto, das in Westeuropa verkauft wird, stammt derzeit von einem deutschen Hersteller. „Das Bild Europas ist differenziert“, sagte Wissmann. „Wir halten Kurs, aber wir segeln hart am Wind.“

Dass dieser Wind schnell auffrischen kann, hatte sich im Mai gezeigt, als die Neuzulassungen auch in Deutschland plötzlich um fast fünf Prozent zurückgingen. Doch der VDA baut darauf, dass der deutsche „Stabilitätsanker“ hält: Im Juni stieg der Absatz auf mehr als 296 800 Fahrzeuge. 2012 sollen trotz Krise rund 3,1 Millionen Neuwagen zugelassen werden – etwa so viele wie im vergangenen Jahr.

Das Wachstum findet woanders statt. In den USA legen die deutschen Autobauer laut VDA seit sieben Jahren schneller zu als der Markt, an dem sie einen Anteil von zwölf Prozent halten. Auch in Mexiko, Indien und Japan sind deutsche Fabrikate sehr beliebt. Die größte Freude bereitet aber nach wie vor China: Die deutschen Marken verkaufen dort in diesem Jahr rund 400 000 Neuwagen mehr als zu Hause. Der Marktanteil liegt aktuell bei mehr als 20 Prozent.

Vor der eigenen Haustür braut sich allerdings einiges zusammen. Wissmann erwartet eine „Kapazitätsanpassung“ in Europa. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach rechnet mit Werksschließungen. „Es besteht erheblicher Restrukturierungsbedarf.“ Betroffen davon wären vermutlich Opel, Renault, Fiat oder PSA Peugeot Citroen, die alle vom europäischen Geschäft abhängen. PSA will in Frankreich offenbar 8000 bis 10 000 Arbeitsplätze abbauen, doppelt so viele, wie bislang befürchtet. Damit könnten bis zu zehn Prozent der Peugeot-Beschäftigten in den französischen Werken ihre Stelle verlieren, berichteten am Dienstag diverse Zeitungen.

In die andere Richtung entwickelt sich die Beschäftigung in Deutschland. Hier arbeiten aktuell 736 000 Personen in den Autofirmen, 26 000 mehr als vor einem Jahr. Womöglich hängt die zunehmende Beschäftigung auch mit den Lohnkosten zusammen: In den vergangenen zehn Jahren sind die Lohnstückkosten laut VDA hierzulande nur um 1,6 Prozent gestiegen. In Italien waren es 32 Prozent.

Verbandspräsident Wissmann sprach am Dienstag von einer „Innovationsdynamik“, die sich die deutschen Hersteller auch anrechnen lassen, wenn in Kürze die EU-Kommission neue CO2-Ziele für die Autos für die Zeit nach 2015 festlegt. Die auf Mittel- und Oberklassewagen ausgerichteten deutschen Autobauer dringen darauf, dass sich am gesetzlichen Regelwerk nichts zu ihren Ungunsten ändert. Doch Fiat-Chef Sergio Marchionne, zugleich Präsident des europäischen Autoverbands Acea, hält dagegen: „Wir müssen die Lasten nicht auf die Kleinwagen- Hersteller verschieben – dieses Mal geben wir nicht nach.“

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