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Automobilindustrie: Ende von Saab: Die Letzten ihrer Art

Einst war der Saab ein Lebensgefühl. Dann kam General Motors und wollte aus dem teuren Nischenfahrzeug ein Massenprodukt machen. Ein Nachruf von Kai Biermann.

Ich war Student, ich mochte Autos und wollte anders sein als andere. Ausprobiert hatte ich Einiges, vom Honda bis zum Mercedes. Letztlich aber kam für mich nur eine Automarke in Frage: Saab. Zwei von den alten Neunhundertern fuhr ich in den folgenden Jahren und war glücklich mit ihnen. Sie soffen und qualmten und röhrten, aber damals war das noch kein solches Problem, zumindest nicht für die automobile Umwelt.

Für mich eigentlich schon: Sie fraßen mir die Haare vom Kopf. Bei einem Verbrauch von zehn bis zwölf Litern Superbenzin reichten zwanzig Mark nicht lange. War mal wieder ein Radlager oder ein Stoßdämpfer kaputt, musste ich mir einen weiteren Nebenjob suchen. Beim Vertragshändler war eine Reparatur unerschwinglich. Ich fuhr zu einem Hinterhofschrauber, dessen Werkstatt eine Scheune in einem Kaff ziemlich weit außerhalb war. Die halbe örtliche Saab-Szene traf sich bei ihm, er galt als Zauberer, als jemand, der diese eigenwilligen Autos liebte und verstand. So wie wir.

Er ging trotzdem irgendwann Pleite. Und passte damit ganz erstaunlich zu diesem Auto. Cool zu sein, genügt eben nicht. Schrullige Produkte finden zwar bedingungslose Liebhaber, aber davon im Zweifel nicht genug, um zu überleben.

Und lieben musste man die Dinger, sonst wurde man mit ihnen nicht froh. Saabs sahen nicht nur seltsam aus, sie waren auch teuer in der Anschaffung. Sie waren unübersichtlich und unhandlich, hatten eine hakelige Schaltung, deren fünfter Gang mit viel Gefühl gesucht werden musste und verbrauchten in meinem Fall auch noch literweise Hydrauliköl für die nie ganz dicht zu bekommende Servolenkung.

Dafür aber erhielt man satt zuschlagende Türen, ein wohnzimmerartiges Raumgefühl, war es ein Turbo sogar mit annehmbaren Beschleunigungswerten, Stoßstangen, mit denen sich schadlos Bäume fällen ließen und das Versprechen, smarter zu sein als die Vielen, die einfach nur Autos besaßen. Oder, wie es ein ebenfalls Saab fahrender Freund ausdrückte: die Gewissheit, der einzige seiner Art an der Ampel zu sein.

Ich weiß nicht, ob es heute noch so ist, aber als ich einer war, grüßten sich Saabfahrer, wenn sie auf der Straße aneinander vorbeiglitten. Ein eingeschworener Zirkel eben.

Dass 1989 der amerikanische Massenhersteller General Motors bei Saab eingestiegen war, bedeutet für diesen Zirkel bereits den Anfang vom Ende. Versuchte GM doch, mit seinem Systembaukasten aus Opelplattformen und GM-Motoren den schwedischen Nischenhersteller zu einem Produkt für große Märkte zu machen.

Einfach ist so etwas nicht, Eigenheiten abschleifen, ohne den Charakter zu verändern, kann schnell daneben gehen. GM gelang es nicht und man erreichte vor allem eins: Aus dem edlen Image wurde ein billiges. Das waren keine Saabs mehr, die ab 1993 vom Band liefen. Das waren nur noch weichgespülte Versionen des alten Kults. Sie standen nicht für Innovationen, Sicherheit und Solidität, sondern für schlechte Verarbeitung. Im Jahr 2000 dann übernahm GM die Schweden komplett. Trotz neuer Modelle konnten sie an den Status der 900 I nicht wieder anknüpfen, Gewinn machte der Konzern damit nie.

Neun Jahre hat das Sterben gedauert, jetzt ist es vorbei. So richtig tragisch mag ich das nicht finden. Die neueren Modelle 9-3 und 9-5 haben mich nie wirklich interessiert, und die alten gibt es im Zweifel immer noch. Sie werden weiter geliebt, längst haben sich erste Werkstätten auf ihre Restauration spezialisiert. Wenn ich will, könnte ich mir wieder einen kaufen, einen 99 Turbo vielleicht, oder noch einmal einen klassischen Neunhunderter – zu ähnlichen hohen Preisen wie früher.

Vielleicht tue ich das tatsächlich irgendwann. Bis dahin fahre ich Volvo.  

Quelle: ZEIT ONLINE

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