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Wirtschaft: Bahn-AG: Die Reform ist weitgehend gescheitert

Eine verheerende Zwischenbilanz der Bahnreform von 1993 haben Fachleute aus Wissenschaft und Verbänden vor dem deutschen Bundestag gezogen. Mit Ausnahme der Regionalisierung sei das Reformvorhaben weitgehend gescheitert, erklärten sie am Mittwoch in Berlin bei einer Anhörung des Verkehrsausschusses.

Eine verheerende Zwischenbilanz der Bahnreform von 1993 haben Fachleute aus Wissenschaft und Verbänden vor dem deutschen Bundestag gezogen. Mit Ausnahme der Regionalisierung sei das Reformvorhaben weitgehend gescheitert, erklärten sie am Mittwoch in Berlin bei einer Anhörung des Verkehrsausschusses. Der Politik warfen sie vor, die Bahn nach wie vor mit Partikularaufgaben zu überfordern. Die Bahn AG verhindere durch Einstiegsschwellen aller Art den Wettbewerb. Netz und Betrieb müssten getrennt werden. Uneins waren die Experten, ob das Netz staatlich bleiben oder ebenfalls privatisiert werden solle.

"Schlechter geht es nicht mehr", war die Bilanz des Hamburger Verkehrswissenschaftlers Gottfried Ilgmann zur Bahnreform. Er hat mit seinem Kollegen, dem Berliner TU-Präsidenten Hans-Jürgen Ewers, ein Gutachten für die Anhörung verfasst. Er sah die Bahn als "Scherbenhaufen" und meinte, Bahnchef Hartmut Mehdorn stehe vor schier unlösbaren Aufgaben: Er müsse die Bahn sanieren, politisch induzierte Entscheidungen abwehren und "entgegen eigenen Interessen Wettbewerb installieren".

Ewers selbst führte den Straßenverkehr als Beispiel dafür an, dass Wettbewerb innovative Dynamik entfaltet. Er stellte die Frage, ob der ICE-Unfall von Eschede, bei dem vor zwei Jahren 100 Menschen ums Leben kamen, bei Konkurrenz auf der Schiene überhaupt passiert wäre. Eventuell wären bei Vorhandensein mehrerer konkurrierender Unternehmen die Radreifen der Hochgeschwindigkeitszüge von einer externen Aufsichtsbehörde vor der Zulassung intensiver untersucht worden.

Jedenfalls sollte das Ziel nicht "ein möglichst großes Unternehmen" sein, "sondern ein funktionierendes Schienensystem", sagte Ewers und mutmaßte ein "Denkverbot" etwa im Verkehrsministerium, da aus der Behörde niemals Forschungsaufträge für die Ausgestaltung des Wettbewerbs im Schienenverkehr gekommen seien.

"Doppelt negativ" beurteilte Jan Werner vom Verkehrsclub VCD die Reform. Er kritisierte das Fehlen "ausreichender und berechenbarer Infrastrukturinvestitionen" in Deutschland. Selbst die erst kürzlich zugesagten jährlich zwei bis 2,5 Milliarden Mark für Strukturverbesserungen würden in der Bundesregierung bereits wieder in Frage gestellt. Im Gegensatz zu Ewers sagte Karl-Heinz Schmidt vom Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik: "Bau und Vorhaltung der Infrastruktur muss Staatsaufgabe bleiben."

Martin Henke, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, hielt der Reform des Bahnbetriebes zu Gute, dass sie mit der Regionalisierung des Nahverkehrs eine Erfolgsbranche geschaffen habe. Vorher hätten hier 25 Unternehmen bestanden, jetzt seien es 50. Auch der Karlsruher Wissenschaftler Werner Rothengatter lobte an der Bahn AG die positive Produktivitätsentwicklung, kritisierte aber ebenfalls, dass sie mit dem Markt nicht Schritt halten könne. Mit der EU-Osterweiterung werde eine zweite Wachstumswelle kommen, und von dieser Wachstumswelle könne die Schiene nur bei Wettbewerb profitieren.

Durchweg sehr kritisch wurde von den Experten die Entwicklung der Situation im Güterverkehr beurteilt. Die Bahn AG errichte zu hohe Wettbewerbsschranken und drohe etwa mit dem Ausstieg aus Joint Ventures, wenn dort auch nur gesprächsweise erwogen werde, anderswo eine Lokomotive für einen Zug zu chartern, kritisierte Schmidt. Im Ergebnis sei es bis heute für Transportunternehmen wirtschaftlich nahezu vollkommen sinnlos, dem Autobahnverkehr das Schiennetz vorzuziehen.

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