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Wirtschaft: Bahn-Börsengang spaltet die Koalition

Unions-Fraktionschef Kauder widerspricht Minister Tiefensee: Über Verkauf ist noch nicht entschieden

Berlin - Die Koalition streitet über die Privatisierung der Bahn. Während Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Donnerstag in einem Interview sagte, über einen Verkauf der Bahn mitsamt dem Schienennetz gebe es bereits eine Entscheidung, widersprach Unions-Fraktionschef Volker Kauder. „Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen worden“, sagte er dieser Zeitung. Im Herbst werde sich die Fraktion damit befassen. Die Wirtschaft sprach sich für eine deutliche Abtrennung der Gleise aus.

Das Parlament will Ende September über den Bahn-Verkauf entscheiden. Strittig ist noch, ob der Konzern zusammen mit dem Schienennetz verkauft wird oder ob der Staat die 35 000 Kilometer Gleise behält und sie nur an die Bahn verpachtet (Eigentumsmodell). Bahnchef Hartmut Mehdorn strebt eine Privatisierung samt Netz an – er argumentiert, sonst lasse sich kein Investor gewinnen. Zudem müsse die Schiene bei dem Unternehmen bleiben, das den Markt dominiere.

Verkehrsminister Tiefensee sagte der „Süddeutschen Zeitung“ nun: „Die Würfel sind gefallen für das integrierte Modell.“ Der bundeseigene Konzern solle entweder komplett mit dem Netz privatisiert werden oder den Besitz an den Schienenwegen überschrieben bekommen. Der Bund bliebe dann nur juristisch Besitzer der Gleise. Im Fall des integrierten Börsengangs indes solle das Netz nach einigen Jahrzehnten an den Bund zurückfallen. Durch eine Stärkung der Aufsichtsbehörde Bundesnetzagentur will Tiefensee verhindern, dass der Wettbewerb eingeschränkt wird. Welche Variante komme, hänge nun ab von den jeweiligen finanziellen Vor- oder Nachteilen.

Zuvor hatten sich die Verkehrsexperten von Union und SPD auf eine Abtrennung des Netzes festgelegt und dabei eine Reihe von Bedingungen für die Privatisierung aufgestellt. Der Konzern solle zwar die Schienen verwalten und betreiben, aber nur im Auftrag des Bundes, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Uwe Beckmeyer. Eine Verpachtung des Netzes an die Bahn, wie sie Tiefensee will, soll es nicht geben, weil der Staat sonst keine Kontrolle mehr darüber habe, hieß es in einem Positionspapier der SPD-Politiker vom Donnerstag. Der Bund stecke pro Jahr mehr als 18 Milliarden Euro in die Schiene – „da wollen wir auch weiter maßgeblichen Einfluss haben“, sagte Beckmeyer. Die Unionsexperten hatten zuvor ein fast identisches Papier verabschiedet.

Ursprünglich hatten zahlreiche Bundestagspolitiker eine noch deutlichere Abspaltung des Netzes angestrebt. Die Bahn-Gewerkschaften hatten jedoch für diesen Fall vor dem Verlust von zehntausenden Arbeitsplätzen gewarnt. Auch die SPD betont nun die Sorge um die Bahnjobs. Man wolle verhindern, dass der Wettbewerb auf der Schiene zu einem „Lohn- und Sozialdumping“ führe, sagte Beckmeyer. Es dürfe nicht dazu kommen, dass „mehrere zehntausend Beschäftigte künftig zu Billiglöhnen arbeiten müssen“.

Als weitere Bedingung forderten die Verkehrspolitiker eine genaue Prüfung der Bahn-Bilanz. „Der Bund darf sich nicht ohne Not auf finanzielle Risiken einlassen, die etwa drohen, wenn die Bahn ihre Finanzplanung nicht einhalten kann“, sagte Beckmeyer.

Derweil sprach sich die Wirtschaft für eine stärkere Trennung von Netz und Betrieb aus. „Messlatte für uns sind die Ziele des Trennungsmodells“, sagte August Ortmeyer vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Der Wettbewerb auf der Schiene müsse gestärkt werden, die Aufsicht durch die Bundesnetzagentur reiche nicht aus. Der Bund habe als Eigentümer nichts mehr auf dem Logistik-Markt verloren. Deshalb dürfe er künftig nicht mehr Miteigentümer der Transportbereiche sein, sondern müsse sich auf die Verantwortung für das Netz beschränken.

Auch ein Sprecher des Industrieverbandes BDI lehnte eine zu große Nähe von Bahn und Netz ab. „Durch das Eigentumsmodell werden Risiken vermieden, die durch einen integrierten Börsengang entstehen“, sagte er. Gleichzeitig biete das Modell die Chance, die Eisenbahn über ein unabhängigeres Netz wettbewerbsorientiert weiterzuentwickeln.

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