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Bahn-Privatisierung: Angst vor dem Kapital

Die Kritik an den Plänen des Bundes zur Privatisierung der Bahn wächst. Die Länder befürchten Nachteile im Regionalverkehr. Ein erster Schritt auf den Kapitalmarkt wäre bereits Mitte 2008 möglich.

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Im Bundeskabinett ist die Privatisierung der Bahn jedenfalls nicht umstritten. Der Gesetzentwurf habe die „vollste Unterstützung“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) erhalten, berichtete Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Wenn Bundestag und Bundesrat seinem Gesetzentwurf zustimmten, könne in einem ersten Schritt ein Anteil, „der unter oder um die 25 Prozent liegt“, bis spätestens Ende 2008 in private Hände gehen. Bahn-Vorstandsmitglied Otto Wiesheu, der frühere bayerische Wirtschaftsminister, begrüßte den Beschluss als „wichtigen Meilenstein“. Wenn das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen werde könne, sei der Schritt an den Kapitalmarkt bereits Mitte 2008 möglich.

Das ist aber fraglich. Nicht nur die Opposition kritisiert die Pläne – der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann sprach von einer „faktischen Selbstenteignung des Bundes“ und einem „absurden Konstrukt“, Horst Friedrich (FDP) sieht das Gesetz als „ordnungspolitischen Amok“. Auch aus CDU-regierten Ländern wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen kommt Widerstand. Zum einen wird befürchtet, eine Bahn mit privaten Aktionären könne die regionale Versorgung ausdünnen. Außerdem beklagt etwa Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU), der Gesetzentwurf zementiere die marktbeherrschende Stellung der Bahn.

Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti schlägt ein anderes Privatisierungsmodell vor (siehe Interview), das auf Zuspruch vor allem bei der Parteilinken stößt. Kern ist, die Bürger über stimmrechtlose „Volksaktien“ zu beteiligen und so Finanzinvestoren abzuschrecken. „Eine sehr gute Idee“ sei das, sagte das SPD-Bundesvorstandsmitglied Niels Annen dem Tagesspiegel. „Die Erfahrungen mit den großen Privatisierungen der vergangenen Jahre waren sehr ernüchternd. Wir sollten die Kontrolle darüber, was mit öffentlicher Infrastruktur geschieht, nicht in die Hände privater Investoren geben, die nur Profitinteressen im Kopf haben“, sagte der frühere Juso-Chef.

Tiefensee bezeichnete die Kabinettsentscheidung als einen „wichtigen Schritt für das Unternehmen, die Kunden und die Mitarbeiter“. Er sei sicher, dass die Qualität des Schienenverkehrs durch die Einbindung privater Investoren verbessert werde. Der Minister zeigte sich überzeugt, dass mögliche Verfassungsklagen keine Aussichten auf Erfolg hätten. Befürchtungen, dass durch die Privatisierung Arbeitsplatzabbau, ausgedünnte Fahrpläne, Streckenstillegungen und höhere Preise drohten, wies der Minister ebenfalls zurück. Die jetzt gefundene Regelung zum Eigentum des Schienennetzes stärke den Bund, sagte Tiefensee. Die zu erwartende Erhöhung der Regionalisierungsmittel des Bundes werde dazu führen, dass es nicht zu einem Rückzug der Bahn aus der Fläche kommt. „Wir haben verhindert, dass sich ein Investor die Rosinen herauspicken kann“, sagte Tiefensee.

Das bezweifelt Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). In Briefen an Kanzleramt und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet er vor, dass es für den Staat teuer werden würde, das Schienennetz zurückzuholen. Nach dem vorliegenden Gesetz müsse er mehr als Ausgleich zahlen, als er durch die Privatisierung einnehmen könne.

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