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Bahnindustrie: Krise mit Verspätung

Jetzt bekommt die Bahnindustrie das lahmende Wachstum zu spüren – und fordert mehr Geld vom Staat.

Berlin - Das Krisenjahr 2009 ist überstanden, der Umsatz hat zugelegt, die Beschäftigung ist stabil geblieben – und doch ist die Stimmung bei der Bahnindustrie gedrückt. Denn die weltweite Wachstumsschwäche trifft die Branche jetzt mit Verspätung: Ein Fünftel weniger neue Aufträge verzeichnet sie, aus dem Ausland gab es sogar ein Drittel weniger Bestellungen. „Es gibt Kurzarbeit und sogar betriebsbedingte Kündigungen“, sagte Verbandspräsident Klaus Baur am Dienstag in Berlin. Nun müsse eben der Staat mehr in die Eisenbahn investieren.

Die Stimmung der Firmen hierzulande sei „skeptisch“, berichtete Baur. Der Anteil der Firmen, die ihre Lage als „schlecht“ einstufen, hat sich in einer aktuellen Umfrage von neun auf 21 Prozent verdoppelt. 300 Leiharbeitern sei kürzlich gekündigt worden, auf Kurzarbeit werde „umfangreich“ zurückgegriffen. Die Zurückhaltung des Auslands trifft die Branche besonders, denn in den vergangenen Jahren waren von dort besonders viele Bestellungen gekommen. China, Indien und der arabische Raum haben einen großen Nachholbedarf in Sachen Schiene. Zudem hatten die Hersteller in Deutschland einen schweren Stand – folgenreiche Pannen bei der Berliner S-Bahn sowie bei vielen ICEs ramponierten das Image der Branchenführer Alstom, Siemens und Bombardier.

Im vergangenen Jahr hatte der Umsatz der 130 Unternehmen erstmals die Marke von zehn Milliarden Euro übertroffen. Knapp 45 000 Menschen sind in der Branche beschäftigt. Auch in der Hauptstadtregion spielen die Bahnhersteller eine wichtige Rolle – in Pankow stellt etwa Stadler Regional- und Straßenbahnen her, in Hennigsdorf baut Bombardier vorwiegend Regionalzüge. Der kanadische Konzern leitet zudem seine weltweiten Eisenbahngeschäfte von Berlin aus.

Vor allem der Einbruch im Schienen-Güterverkehr macht sich Baur zufolge bemerkbar. Die Nachfrage nach Güter- und Rangierlokomotiven sowie Güterwagen sei „fast zum Erliegen gekommen“. Kein Wunder: Die Industrie hat 2009 weniger produziert, entsprechend ist der Bedarf an neuem Material gesunken. Umso mehr richtet sich nun der Blick der Branche auf den größten Auftrag ihrer Geschichte: Die Deutsche Bahn will im Juni für sechs Milliarden Euro den Nachfolger der IC- und der älteren ICE-Züge ordern. Es geht um 300 Züge. Einziger verbliebener Anbieter ist Siemens, doch auch Zulieferer freuen sich auf ein gutes Geschäft.

Der Verband hofft nun, dass der Staat seine Ankündigung wahr macht und mehr Geld in die Eisenbahn steckt. Bereits heute fehle mehr als eine Milliarde Euro für den Ausbau der Infrastruktur. Im Zuge der Sparpolitik dürfe sich diese Lücke nicht vergrößern, forderte der Ronald Pörner, Hauptgeschäftsführer des Verbands. „Eine Infrastrukturpolitik nach Kassenlage ist volkswirtschaftlicher Unsinn und schade den Menschen und der Wirtschaft“, befand er.

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