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Erinnerung an den September 2008: Mit Kartons verlassen Banker den Hauptsitz von Lehman Brothers.

© AFP

Bankenregulierung: Von Lehman gelernt

Fünf Jahre nach der Pleite der US-Bank ziehen Wirtschaftsforscher Bilanz – und streiten darüber, ob Banken jetzt besser reguliert sind.

Von Carla Neuhaus

Berlin - Vor bald fünf Jahren ist in den USA die Investmentbank Lehman Brothers zusammengebrochen. Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) beschreibt diesen Tag im September 2008 als „eine Zäsur“. Zum ersten Mal ließ die amerikanische Regierung eine Bank fallen, von der die meisten angenommen hatten, sie sei zu groß, um Pleite zu gehen. Die Staaten mussten in den folgenden Monaten mit Milliarden-Zahlungen einspringen – und konnten dennoch nicht verhindern, dass aus der Vertrauenskrise im Bankensektor eine Wirtschafts- und dann auch noch eine Staatsschuldenkrise wurde.

Heute sind sich Politiker wie Wissenschaftler einig: So etwas soll nicht noch einmal passieren. Doch wie genau man verhindert, dass der Finanzsektor die Wirtschaft erneut in die Krise stürzt, darüber wird weiterhin heftig gestritten.

Das arbeitgebernahe IW hat jetzt eine erste Bilanz der neuen Bankenregulierung gezogen. Und die fällt deutlich besser aus, als gemeinhin angenommen wird. Der Eindruck vieler Verbraucher, es habe sich seit Ausbruch der Krise wenig geändert, sei falsch, meint das Institut. „Anders als in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen, sind in Deutschland und der EU bereits viele der vorgeschlagenen Reformen umgesetzt worden oder sie stehen zumindest kurz bevor“, sagte Hüther am Montag in Berlin. Der Finanzmarkt sei „heute weitaus besser gegen Krisen gewappnet als noch vor fünf Jahren“.

Hüther lobte vor allem die neuen Eigenkapitalvorschriften für Banken. Ab kommendem Jahr müssen sie deutlich mehr Geld vorhalten. Durch diese Regeln, Basel-III genannt, könnten die Banken Verluste besser auffangen, argumentierte Hüther. Als Folge sinke die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Krisenfall Pleite gehen. „Durch die neuen Regeln ist das Geld der Steuerzahler bei Bankenkrisen besser geschützt als bisher“, meinte der IW-Chef. Diese Meinung teilt aber längst nicht jeder. Fabian Lindner, Finanzmarktexperte beim gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), meinte auf Anfrage, „die Steuerzahler sind zwar besser, aber noch lange nicht genug geschützt“.

Wie viel Eigenkapital die Banken vorhalten müssen, sollte, statt an den Risiken in den Büchern, an der Bilanzsumme festgemacht werden, sagte Lindner. „Denn Risiken kann man nicht vorhersehen. “ Das zeige gerade die Erfahrung der vergangenen Jahre. Schließlich seien vor Ausbruch der Finanzkrise Papiere als sichere Anlage eingestuft worden, von denen sich nachher herausstellte, dass sie hochriskant waren. Aber auch Hüther findet die neuen Regeln für Banken noch nicht perfekt. Sie seien in manchen Punkten nicht konsequent genug. Zum Beispiel bei der Bewertung von Staatsanleihen: Für sie müssen Banken kein Eigenkapital vorhalten – und das obwohl die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt habe, das auch Anleihen von Staaten riskante Papiere sein können. „Das macht uns Sorgen“, sagte Hüther. Damit schließt er sich Bundesbank-Chef Jens Weidmann an, der die Banken jüngst zu mehr Gefahrenbewusstsein ermahnt hatte.

IMK-Experte Lindner will dagegen Banken nicht vorschreiben, wie viel Geld sie für Staatsanleihen hinterlegen sollen. „Die Banken müssen selbst entscheiden, welche Risiken sie eingehen.“ Um die Anleger dennoch zu schützen, fordert er die Einführung eines Finanz-Tüv. Der soll jedes Anlageprodukt durchleuchten, bevor es auf den Markt kommt. Hüther wiederum schlägt vor, der Bankenaufsicht einen wissenschaftlichen Beirat zur Seite zu stellen. Er soll die Aufsicht stets auf den neuesten Stand der Entwicklungen im Finanzsektor bringen. Allein diese beiden Vorschläge zeigen: Auch fünf Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers gibt es noch viel zu diskutieren und zu tun.

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