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Unsichere Zukunft. Die Banken werden noch mehr Personal abbauen, sagt Krautscheid.

© Kai-Uwe Heinrich

Exklusiv

Bankenverband: „Trennbanken schaden der Wirtschaft“

Deutschland prescht bei der Bankenregulierung zu stark vor, sagt Andreas Krautscheid vom Bankenverband. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über die Folgen der Regulierung und den Stellenabbau in der Branche.

Von Carla Neuhaus

Herr Krautscheid, die EU-Finanzminister wollen die Gläubiger künftig an der Rettung beteiligen. Zu Recht?
Ja, denn wenn der Steuerzahler zukünftig allenfalls als Letzter haften soll, müssen alle anderen Beteiligten – also die Eigentümer, Gläubiger, Einleger einer Bank – vorher herangezogen werden. Wichtig ist aber: Einlagen bis zur Höhe der gesetzlichen Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro bleiben unangetastet.

Werden Steuerzahler und Sparer durch die neuen Regeln ausreichend geschützt?
Der neue Rechtsrahmen ist eine Lehre aus der Finanzkrise. Er stellt nun europaweit sicher, dass eine Bank, die in Schieflage gerät, in einem geordneten Verfahren und mit klaren Rollenverteilungen abgewickelt werden kann. Jeder Beteiligte soll vorher wissen, wann er mit welchem Betrag haftet. Jede Bank muss zukünftig aus dem Markt ausscheiden können, ohne die Finanzmarktstabilität zu gefährden oder den Steuerzahler zu belasten. Die zusätzlichen Instrumente zur Krisenprävention stellen sicher, dass Kreditinstitute künftig selbst Sanierungspläne erstellen müssen, die von der Aufsicht bewertet werden. Außerdem muss jeder Mitgliedsstaat für den Ernstfall einen Abwicklungsfonds einrichten. Da ist Deutschland mit seinem Restrukturierungsfonds gut aufgestellt.

Die Notenbanken pumpen weiterhin massiv Geld in den Markt. Geht das gut?
Mit der reichlichen Notenbankliquidität werden zum Teil Funktionsstörungen an den Finanzmärkten ersetzt, zum Beispiel der immer noch klemmende grenzüberschreitende Geldmarkt in Europa. Außerdem sollen die Niedrigzinsen die Konjunktur stützen. Wie bei jeder Medizin gibt es aber auch Risiken und Nebenwirkungen. Zur Zeit spüren vor allem Sparer, Banken und Versicherungen, dass die niedrigen Zinsen auch schmerzhaft sein können. Das kann und darf kein Dauerzustand sein. Das billige Geld der EZB verschafft den Staaten Europas nur Zeit, um die überfälligen Strukturreformen anzupacken.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird wichtiger. Sie übernimmt die europäische Bankenaufsicht. Halten Sie das für richtig?
Mit der EZB erhält eine anerkannte Institution mit hohem Renommee diese Aufgaben. Aber wir haben die Sorge, dass sich die Funktion der Bankenaufsicht einerseits und der Auftrag, für stabiles Geld zu sorgen, andererseits in Konflikt geraten könnten. Hier muss sauber getrennt werden. Ein wichtiger, noch offener Punkt ist die klare Kompetenzverteilung zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden. Und Deutschland hat zu Recht die Bedingung gestellt: Wir können erst über gegenseitige Hilfen für Banken reden, wenn alle in Europa künftig nach den gleichen Vorgaben beaufsichtigt werden.

Einige Banken müssen bis Jahresende Testamente erstellen, um im Krisenfall schneller abgewickelt werden zu können. Wie weit sind die Institute?
Die Banken arbeiten derzeit unter Hochdruck und in enger Absprache mit der Bankenaufsicht an ihren Sanierungsplänen. Der Aufwand hierfür ist beträchtlich.
Sind die Testamente das richtige Instrument?
Durchaus. Letztlich geht es um die Frage: „Welche Brandschutztüren schließe ich im Fall des Falles?“ Und die „Testamente“ haben noch einen anderen Vorteil, über den sonst kaum gesprochen wird. Durch sie lernt so manche Bank, die über Jahre gewachsene eigene Komplexität besser zu überschauen.

Deutschland prescht bei der Regulierungvor. Macht das Sinn?
Ein nationaler Alleingang macht nur Sinn, wenn er mehr Vorteile als Nachteile für die Wirtschaft mit sich bringt. Wenn unsere Banken schon jetzt nach Regeln arbeiten müssen, die für die Banken anderer Länder noch lange nicht gelten, schafft das Wettbewerbsverzerrungen. Europa bedeutet: Mehr Gemeinsames, weniger Alleingänge!

Auch beim Gesetz zu den Trennbanken ist Deutschland vorgeprescht. Wie stellen sich die Banken darauf ein?
Ich halte überhaupt nichts von diesem hektischen Ende des bewährten deutschen Universalbankensystems, denn das Trennbankensystem hat seine Überlegenheit nie bewiesen. Die Aufspaltung von Banken bringt negative Folgen für den Finanzplatz Deutschland und für die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Zum Glück gibt es einen sehr langen Umsetzungszeitraum. Die knapp zweistellige Zahl an Banken, die in Deutschland von dem Gesetz betroffen ist, klärt gerade, welche Geschäfte von dem neuen Verbotstatbestand erfasst werden, bevor die Entscheidung getroffen wird, ob diese eingestellt oder auf ein eigene Finanzhandelsinstitut übertragen werden.

Glauben Sie, dass an dem Gesetz nach der Wahl nochmal nachgebessert wird?
Das Thema eignet sich natürlich wunderbar für den Wahlkampf. Man kann scheinbar einfach Gut und Böse unterscheiden: Die „guten“ Geschäfte und Risiken bleiben bei der Bank für Sparer und Mittelständler, die „bösen“ Risiken werden ausgegliedert. Die Wahrheit ist komplexer. Sind hochbesicherte Geschäfte mit Hedgefonds wirklich riskanter als der eine oder andere wackelige Kredit an einen Mittelständler oder an ein Start-up? Nach der Wahl werden wir vernünftig darüber sprechen müssen, ob das wirklich die beste Lösung für die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist.

Ist der Stellenabbau bei der Commerzbank der Anfang einer größeren Entlassungswelle im Bankensektor?
Das hängt stark vom Geschäftsmodell der einzelnen Bank ab. Klar ist aber: Wir haben in Deutschland sehr viele Banken, der Wettbewerb unter den Instituten ist enorm. Sie müssen auf der einen Seite Kosten senken und auf der anderen Seite in neue Technik investieren. Deshalb werden wir wahrscheinlich eher weiteren Personalabbau und Filialschließungen erleben, als umgekehrt.

Sie waren früher in der Politik und vertreten heute die Interessen der Banken. Hat sich Ihre Sichtweise geändert?
Ich war nie ein Banker und werde auch kein Banker mehr werden. Aber davon profitiert der Bankenverband auch. Ich versuche gelegentlich, Banken und Bankern den Spiegel vorzuhalten und ihnen aufzuzeigen, wie sie von außen wahrgenommen werden.

Und? Wie werden sie wahrgenommen?
Die Branche ist durch die Krise von einem Extrem ins andere gefallen. Es gab vor fünf Jahren durchaus Banker, die sich benommen haben, als könnten sie über Wasser laufen. Heute ist dagegen die gesamte Branche auf der untersten Ebene der Sympathie- und Vertrauensskala angekommen. Dass das nicht so bleiben kann, ist jedem klar. Die Banken müssen erst sich selber und dann der Gesellschaft wieder klar machen, wofür sie eigentlich da sind. Sie sind Dienstleister, die im Interesse der Kunden arbeiten. Ich kann Ihnen aber auch sagen: Die allermeisten Banker wussten und wissen das und handeln auch dementsprechend.

Was müssen die Banken künftig anders machen, um Vertrauen zurückgewinnen?
Vertrauen, erst recht verlorenes Vertrauen muss man sich wieder verdienen. Da gibt es im Verhältnis zum Kunden und zur Gesellschaft viele Ansatzpunkte und da ist auch schon eine Menge auf den Weg gebracht worden. Die Banken haben zum Beispiel ihre Vergütungsstrukturen mehr an Nachhaltigkeit und Kundenzufriedenheit ausgerichtet. Der vielzitierte „Kulturwandel“ ist ein Ergebnis, ein Prozess, nicht bloß eine Verkündung. Ihn zu erreichen, wird Jahre in Anspruch nehmen. Aus aktuellen Umfragen wissen wir, dass das Vertrauen der Kunden in ihre Banken langsam wieder zurückkehrt und unsere Anstrengungen demnach auch gesehen und gewürdigt werden.

DER LOBBYIST UND POLITIKER

Andreas Krautscheid (52) ist seit zwei Jahren Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands deutscher Banken (BDB), der die Interessen der Privatbanken vertritt – darunter auch Großinstitute wie die Deutsche Bank und die Commerzbank. Krautscheid ist Jurist und hat in der Politik Karriere gemacht. Unter Helmut Kohl war er stellvertretender Sprecher der CDU, in NordrheinWestfalen unter Jürgen Rüttgers (CDU) Ministerfür Bundesangelegenheiten, Europa und Medien. Krautscheid ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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