zum Hauptinhalt
Michael Kemmer sieht eine Beteiligung privater Gläubiger an dem geplanten neuen Rettungspaket für Griechenland zwiespältig.

© IMAGO

Bankenverbands-Chef Kemmer: "Eine Bank kann nicht einfach verzichten"

Michael Kemmer ist Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Mit dem Tagesspiegel spricht er über Griechenland, die Finanzmärkte und die Verantwortung der Banken.

Herr Kemmer, Sie waren ein sehr beliebter Bankchef. Als Sie 2008 die BayernLB verlassen sollten, haben Ihre Mitarbeiter für Sie demonstriert. Jetzt vertreten Sie als Verbandschef die ganze Branche. Die hat sich in den letzten Jahren eher unbeliebt gemacht. Wie wollen Sie das reparieren?

Wir müssen uns das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit wieder verdienen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Aber wir sind auf einem guten Weg, denn die Banken haben durch die Krise viel gelernt und verändert. Die Kunden müssen wieder im Mittelpunkt stehen. Die Banken wissen, dass sie mit den Kunden offen und klar kommunizieren, ihre Wünsche erfragen und sich auf ihre Bedürfnisse einstellen müssen.

Im Moment machen Sie mit Verweigerung auf sich aufmerksam. An einer Rettung Griechenlands wollen Sie sich zwar beteiligen, aber nur, wenn der Staat für die Kredite garantiert. Das heißt: So lange es gute Renditen gab, haben die Banken den Griechen gerne Geld geliehen. Kaum gibt es Probleme, soll der Steuerzahler haften.

So gute Renditen gab es für Griechenland gar nicht. Das ist ja ein Teil des Problems, dass die griechischen Staatsanleihen lange Zeit ähnlich niedrige Zinsen boten wie die deutschen. Vor der Finanzkrise waren das keine Risikopapiere. Aber ich bin überzeugt davon, dass die Banken wissen, dass sie eine Verantwortung für unsere Währung tragen. Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte, und Griechenland sollte unbedingt in der Währungsunion bleiben. Darum werden die privaten Gläubiger ihren Teil dazu beitragen, dass die Krise entschärft wird. Aber man muss auch sehen: Die Banken, die Versicherungen, die Pensionsfonds verwalten fremdes Geld. Dafür tragen sie Verantwortung. Wir müssen also gemeinsam nach Lösungen suchen. Das heißt nicht, dass wir die Verantwortung auf den Steuerzahler abwälzen wollen.

Die Banken selbst verdienen aber auch wieder viel Geld.

Das ist ja auch gut so. So können Banken Kredite vergeben und die Wirtschaft am Laufen halten. Eine Bank kann nicht einfach auf Forderungen verzichten und damit letztlich das Geld der Sparer und Eigentümer aufs Spiel setzen. Im Falle von Griechenland muss klar sein, dass es tatsächlich zu einer Stabilisierung des Landes führt. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Und es muss sicher sein, dass die Schulden, käme es zu einer Verlängerung der Anleihen, einen höheren Qualitätsstandard aufweisen.

Französische, spanische, belgische Banken haben angekündigt, sich an dem neuen Rettungspaket zu beteiligen. Wann kommt das Angebot der deutschen Banken?

Dazu kann ich im Moment noch nichts sagen. Der Bankenverband koordiniert derzeit Gespräche zwischen den deutschen Banken. Ich hoffe, dass wir bald zu einem Ergebnis kommen werden.

Viele fragen sich, ob Griechenland die Kredite je ganz zurückzahlt. Warum leihen Sie dem Land lieber länger Geld, als jetzt einen Schuldenschnitt zu akzeptieren?

Ein Schuldenschnitt würde bedeuten, dass die Märkte die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands feststellen. Die Gefahr ist dann groß, dass es zu Ansteckungseffekten kommt. Die laufende Finanzierung anderer Euro-Staaten würde ebenfalls unter Druck geraten und für zusätzliche Verunsicherung sorgen.

Machen Sie sich Sorgen um die Staaten oder um die Banken?

Natürlich ist die Lage ernst. Aber wir haben jetzt keine Bankenkrise, sondern eine Staatsschuldenkrise. Die Finanzkrise hat gezeigt, wie schnell solche Krisen sich ausbreiten. Das sollten wir nicht ausprobieren.

Das Szenario erinnert an die Lehman-Pleite vor drei Jahren. Es sieht nicht so aus, als sei das Finanzsystem seitdem stabiler geworden.

Das sehe ich anders. Finanzmärkte brauchen Vertrauen. Das wird sich nicht ändern. Um dieses Vertrauen wiederherzustellen, wurde vom Gesetzgeber und den Banken vieles getan. Es gibt höhere Eigenkapitalanforderungen, Liquiditätsregelungen, Regelungen zur Vergütung, Regelungen zur Abwicklung von Banken und so weiter und so weiter. Auch haben wir inzwischen Regeln, damit eine Bank vernünftig aus dem Markt ausscheiden kann. Das macht die Finanzmärkte insgesamt stabiler.

Eine Vertrauenskrise gab es auch zwischen Banken und ihren Kunden. Eine Studie der Universität Frankfurt hat kürzlich gezeigt, dass die Depots von Anlegern, die sich beraten lassen, nicht besser abschneiden als solche ohne Beratung. Warum sollte man sich da überhaupt noch beraten lassen?

Das erinnert mich an ein Experiment, das mal gemacht wurde. Es wurde getestet, ob die Aktienkursperformance besser ist, wenn man dem Rat von Experten folgt oder wenn man Affen Pfeile auf eine Zielscheibe werfen lässt. Die Affen waren gut, aber eine individuelle Beratung lässt sich nicht durch ein Zufallsprinzip ersetzen. Ich glaube, die Qualität eines Beraters besteht darin, abhängig von der persönlichen Situation des Kunden zu beraten, das passende Produkte zu empfehlen und dabei sehr genau auf die persönliche und finanzielle Situation einzugehen.

Etliche Berater haben aber nicht die Produkte empfohlen, die zu ihren Kunden passen, sondern die, für die ihre Bank die höchsten Provisionen erhält. Lässt sich dieser Interessenkonflikt überhaupt lösen?

Die Bank ist gesetzlich verpflichtet, im Sinne des Kunden zu beraten. Sie muss sagen, ob sie Provisionen bekommt und wie hoch diese Provisionen sind. Auf der anderen Seite ist es legitim, dass die Bank für die Dienstleistung, die sie erbringt, auch Geld verdienen muss. Banken sind Wirtschaftsunternehmen. Ich glaube, wenn das transparent ist, ist der Interessenskonflikt schon geringer. Ein Lerneffekt aus der Krise war ja auch, dass sich die Vergütung jetzt stärker an der Kundenzufriedenheit orientiert und nicht nur am Umsatz. Und es ist doch so: Der Kundenberater muss daran interessiert sein, dass der Kunde zufrieden ist. Nur so kommt der Kunde zurück.

Das sollte selbstverständlich sein, so wie es bei jedem Bäcker selbstverständlich ist. Das Problem bei den Banken ist aber: Der Kunde kann oft gar nicht erkennen, ob das Brötchen gut ist oder nicht.

Bankprodukte sind sehr viel komplexer, da fehlt es den Kunden oft an Informationen. Darum müssen wir auch das Thema finanzielle Allgemeinbildung viel stärker in den Vordergrund rücken. Wir als Bankenverband sind hier sehr aktiv, wir gehen in die Schulen, wir informieren Schüler und Lehrer. Der Kunde muss sich aber auch Zeit nehmen, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, er muss seinen Berater befragen, wenn er etwas nicht verstanden hat. Wenn sich jemand ein Auto kauft für 30 000 Euro, dann wälzt er wochenlang dicke Prospekte. Wenn er 30 000 Euro anlegt, wird er oft schon nach einer halben Stunde unruhig und will das Ganze zum Abschluss bringen.

Können Sie uns mal erklären, was ein Knock-out-Zertifikat ist?

Ein Knock-out-Zertifikat liegt dann vor, wenn in Abhängigkeit von einem Ereignis, etwa ein bestimmter Kursverlauf, entweder der gesamte Betrag oder ein großer Teil davon, als Verlust anfällt. Das sind Produkte mit hohem Risiko und sie bedürfen schon einer ganz intensiven Beratung. Das ist nichts für jeden Kunden.

Ab dem 1. Juli müssen die Banken für jedes ihrer Produkte ein Informationsblatt vorhalten. „Achtung: Hohes Risiko!“ steht auf keinem. Warum kann man das nicht so ausdrücken, dass es jeder versteht?

Verständlichkeit ist uns wichtig. Die Produktinformationsblätter müssen präzise beschreiben, welches die Risiken und die Chancen eines Produktes sind. Das ist nicht immer leicht zu verstehen, aber dann muss man nachfragen. Der Bankberater muss dem Kunden im Zweifel sagen: Dieses Produkt passt nicht zu Ihnen. Wenn der Kunde es trotzdem will, kann er es aber auch gegen den Rat kaufen.

Das Gespräch führte Miriam Schröder.

Michael Kemmer (54) amtiert seit Oktober 2010 als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BDB), der die Privatinstitute vertritt. Kemmer stammt aus Bayern und hat nach einer Banklehre Betriebswirtschaft studiert. Von 2006 bis 2009 war er bei der BayernLB, erst als Finanzvorstand, dann als Vorstandsvorsitzender. Diese Vergangenheit wirft einen Schatten auf seine Karriere: Denn 2007 beschloss der Vorstand den Kauf der Kärntner Bank Hypo Alpe Adria, die sich als Milliardengrab erwies. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Kemmer und sieben weitere Ex-Vorstände erhoben. Im Interview wollte er sich dazu nicht äußern. (mirs)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false