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Hochgeschwindigkeitsproduktion bei Varta in Ellwangen.

© Wolfram Schroll/studioSchroll/promo

Batteriechampion der Zukunft?: Wie Varta seine Zukunft plant

Deutsche Hersteller hinken bei der Batteriezellfertigung hinterher. Die Firma Varta könnte zur großen Hoffnung werden. Ein Besuch auf der Schwäbischen Alb.

Was machen die Stars and Stripes auf der Schwäbischen Alb? Am Eingang zum Varta-Werksgelände in Ellwangen hängt die US-Flagge am Fahnenmast. „Wir haben einen Kunden aus dem Silicon Valley“, erklärt Firmenchef Herbert Schein den Fahnenschmuck. Immer wenn Kunden kommen, wird deren Landesflagge gehisst. Bis auf ein paar Staaten in Afrika habe man alle Banner bereitliegen, sagt Schein. Die Batterien der Firma aus Ellwangen sind begehrt in der Welt. Bei Hörgerätebatterien ist Varta Weltmarktführer, bei Batterien für Kopfhörer auf dem Weg an die Weltspitze. Die Handykonzerne führen derzeit schnurlose Headsets ein, sagt Schein. Und dafür brauchen sie die kleinen Akkus. „Alle Premium Headset-Hersteller wollen unsere Batterien.“

Varta, 1887 im westfälischen Hagen gegründet, ist deutsche Industriegeschichte. Der Name steht für „Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren“. In den 1990er Jahren dann die Zerschlagung. Die Varta-Autobatterien gingen an den US-Konzern Johnson Controls und die Haushaltsbatterien an Spectrum Brands. Für rund 30 Millionen Euro kaufte die österreichische Montana Tech die Mikrobatterien. 2011 sicherte sich Montana auch den Namen Varta AG – und damit begann eine neue Geschichte, die im Herbst 2017 ihren vorläufigen Höhepunkt erfuhr.

Der damalige Börsengang der Varta brachte allein Montana-Eigentümer Michael Tojner 83 Millionen Euro. Die neue Aktie wurde für 17,50 Euro an die Börse gebracht, seitdem hat sich der Kurs mehr als verdoppelt. In diesem Jahr erwartet Varta bei einem Umsatz von rund 305 Millionen Euro einen Bruttogewinn von gut 60 Millionen Euro.

Bisher gehören die Autobatterien nicht zum Programm

Durch eine Scheibe, die die Produktion vor Schmutz schützt, sieht man in einer Halle in Ellwangen vier Herstellungslinien für Zink-Luft-Hörgeräte-Batterien. Jede Linie fertigt jeden Tag eine Million Batterien – sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Eine Art Gelddruckmaschine. Zwischen den einzelnen Linien überwacht ein halbes Dutzend Angestellte die Produktion und die Zellenqualität.

„Wir produzieren unsere Hörgeräte-Batterien auf vollautomatisierten Hochgeschwindigkeitslinien, die weltweit einzigartig sind“, erläutert Schein die hochproduktive Anlage, die Varta selbst gebaut hat. Bei den Hörgeräte-Akkus dominieren die Schwaben das Geschäft. Jetzt geht es um den viel größeren Markt der Lithium-Ionen-Batterien.

Die erste Lithium-Ionen-Batterie baute Sony 1991 in einen Laptop ein. Heute stecken die kleinen Akkus in jedem Handy; sie treiben Busse und Transporter an und liefern Strom für Garten- und Hörgeräte, Gabelstapler sowie zunehmend Autos. Mit der Elektromobilität entwickelt sich das Batteriebusiness zu einem riesigen Markt, auf dem deutsche Hersteller bislang nicht mitmischen.

Erstmal werden mehr kleine Batterien produziert

Seit Jahren bemüht sich die Politik um eine Batteriezellenfertigung hierzulande. Eine Zellenfertigung für Autobatterien wäre ein „wichtiges Element zur Wahrung der Systemkompetenz und Zukunftsfähigkeit Deutschlands als Industriestandort“, hieß es vor drei Jahren in einem Konzeptpapier der Nationalen Plattform Elektromobilität. Der größte Zellenhersteller ist Varta – aber bislang gehören die großen Zellformate für die Autobatterien nicht zum Programm der Schwaben.

Das Geld aus dem Börsengang fließt vor allem in den Ausbau der Kapazitäten von kleinen Lithium-Ionen-Batterien. „Bei den kabellosen Premium-Kopfhörern sind wir schon heute der Technologieführer“, sagt Schein. „Und spätestens nächstes Jahr der Marktführer.“ Ein neues, 30 Meter aufragendes Hochregallager in Ellwangen schafft Platz für weitere Produktionslinien.

In sechs Wochen hatte Schein die Genehmigung für das riesige Gebäude, und auch den weiteren Ausbau des Geländes am Rande Ellwangens unterstützen die Stadtpolitiker. Selbst die Grünen. So ist das in Schwaben, wo es vermutlich mehr Hidden Champions gibt als in jeder anderen Region Deutschlands.

Altmaier vergibt eine Milliarde an die Branche

„Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zeigt sich auch in der enorm steigenden Nachfrage nach unseren Batterien aus Asien, vor allem aus China“, sagt der Varta-Chef. Rund 2400 Mitarbeiter zählt das Unternehmen inzwischen, davon 900 in Ellwangen, 250 in Nördlingen und der Rest im Ausland, unter anderem in Fabriken in Rumänien, Indonesien und China. „Den Lohnkostennachteil in Deutschland machen wir wett mit Innovationen“, sagt Schein. Rund 200 Personen arbeiten in der Forschung, Entwicklung und Konstruktion.

Die Grundlage des Erfolgs ist die Wertschöpfungstiefe. „Wir bilden in Ellwangen die gesamte Wertschöpfungskette ab, angefangen von der Zellchemie und Materialforschung über die Produktion, dazu konstruieren und bauen wir die wichtigen Werkzeuge und Maschinen selbst“, erläutert Schein. „Im Ergebnis haben wir weniger Schnittstellenverluste zwischen einzelnen Fertigungsschritten oder Abteilungen und arbeiten effizienter.“

Die Leistungsfähigkeit der Varta-Zellen konnten die schwäbischen Tüftler in den vergangenen Jahren jeweils um 20 bis 30 Prozent erhöhen. „Die Energiedichte unserer Batterien für schnurlose Kopfhörer ist bis zu 30 Prozent höher als die unserer Wettbewerber“, sagt Schein. Das gelang unter anderem durch die bessere Nutzung des Innenraums der winzigen Akkus.

Extrem dünne Materialien und Dichtungsringe in Mikrometerstärke schafften Platz. Und es geht noch mehr. „Wir werden jetzt die Energiedichte um weitere 20 Prozent erhöhen, indem wir auf der Anodenseite das Graphit zu 60 Prozent durch Silizium ersetzen“, kündigt Schein an. „Insgesamt haben wir das Potenzial, die Energiedichte um 40 bis 50 Prozent zu erhöhen.“

Die Schwaben gehen Schritt für Schritt: Erst die Konzentration auf Hörgerätebatterie, 2015 dann die Entscheidung für kleine Lithium-Ionen Zellen. Und jetzt? „Wir haben das Know-how auch für größere Zellformate“, sagt der Varta-Chef. Größere Zellformate bedeutet höheren Kapitaleinsatz, mehr Risiko, höhere Gewinne. Große Zellformate braucht die Autoindustrie. Varta hat sich zusammen mit ausländischen Partnern um die sogenannte Altmaier-Milliarde beworben, mit der das Bundeswirtschaftsministerium eine Batteriezellenfertigung hierzulande anschieben will.

Standort für die Batteriezellenforschung gesucht

„Die Förderung würde uns einen schnelleren Produktionsausbau mit neuen Technologien ermöglichen und einen Einstieg in andere Bereiche erleichtern“, sagt Schein sehr vorsichtig. Mit wem er was plant, sagt er nicht. Derzeit reden viele mit vielen. „Der ideale Partner ist einer, der uns schneller macht.“ Bislang hat er sich deshalb von Konsortien wie Terra E, die sich um eine deutsche Zellfertigung bemühten, ferngehalten.

Bevor im Verlauf dieses Jahres die Altmaier-Milliarde verteilt wird, steht noch eine wichtige Entscheidung an: Das Bundesforschungsministerium vergibt den Standort der Batteriezellenforschungsfabrik, für die 500 Millionen Euro bereitgestellt werden. Favorit ist Baden Württemberg, wo in Ulm und Karlsruhe bereits Forschungskompetenz sitzt und wo in Ellwangen der größte deutsche Zellenhersteller ansässig ist. „Der ideale Standort ist dort, wo bereits Know-how vorhanden ist“, wirbt der Schwabe Schein für sein Bundesland. In der neuen Forschungsfabrik könnten dann „die besten Produkte und Prozesse“ für die Zukunft entwickelt werden. Und da will Schein mit Varta dabei sein. „Was wir machen, das muss die Zukunft sein.“

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