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Die Batterie ist das wertvollste Teil im Elektroauto, die Zelle wiederum das wichtigste Teil der Batterie.

© REUTERS

Batteriestandort Deutschland: Forschung statt Fertigung

Die Bundesregierung unternimmt mit 500 Millionen Euro einen weiteren Versuch zum Aufbau einer Batteriezellenfertigung hierzulande.

Politiker kommen und gehen, das Thema bleibt. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) trat am Mittwoch erstmals beim Batterieforum auf, dem alljährliche Branchentreffen in Berlin, wo Politiker, Wissenschaftler und Unternehmensvertreter die Notwendigkeit einer Batteriezellenfertigung in Deutschland betonen. Und das seit 2013. „Wir sind abhängig von Asien“, befand die Ministerin. „Die Automobilnation Deutschland sollte nicht abhängig sein von einer Region.“ Damit sich das ändert, nimmt das Forschungsministerium eine halbe Milliarde Euro für den Aufbau einer „Forschungsfabrik Batterie“ in die Hand, die nach der Vorstellung von Karliczek als „Transferzentrum für eine Massenproduktion“ dienen soll. Nach dem Motto: Wenn die Industrie keine Fertigungsfabrik baut, dann geht die Politik voran mit einer Forschungsfabrik.

Mercedes kauft für 20 Milliarden Euro Zellen

Der Bedarf an Zellen und Batterien für das elektromobile Zeitalter und die Energiewende ist unstrittig. Allein Daimler hat kürzlich für 20 Milliarden Euro Zellen bei asiatischen Herstellern bestellt. Das Problem dabei: Auf dem Markt ist nur ein halbes Dutzend Unternehmen aus China, Südkorea und Japan tätig. Aufgrund ihrer Marktmacht können LG Chem, SKI, Samsung, CATL, BYD und Panasonic hohe Preise durchsetzen und ihre Kunden unter Druck setzen: Mancher Zellhersteller will keinen Vertrag mehr allein über Zellen schließen, sondern über die gesamte Batterie. Aus einem Zelllieferanten wird dann ein Systemlieferant, der mit Abstand die wichtigste Komponente im Elektroauto liefert. Das sind keine guten Perspektiven für die deutschen Hersteller, die den Weltmarkt noch immer dominieren.

VW kooperiert mit SKI

Die Nummer eins Volkswagen will deshalb gemeinsam mit der südkoreanischen SK Innovation Zellfabriken bauen. Vielleicht auch mit Ford und mit dem größten deutschen Kleinzellenhersteller, der Varta Microbattery aus dem schwäbischen Ellwangen. Derzeit wird viel gesprochen und taktiert.

Allein VW braucht bis Mitte des nächsten Jahrzehnts die Kapazität von fünf großen Zellfabriken. Eine davon wird vermutlich in Osteuropa entstehen; in Tschechien, Ungarn und der Slowakei baut der VW-Konzern bereits Motoren und Autos. Für eine zweite Fertigung kommt eine Standort in Ostdeutschland in Betracht, weil VW derzeit das Werk in Zwickau zu einer reinen E-Auto-Fertigung umbaut. Und weil die Bundesregierung unbedingt eine Fabrik hierzulande will. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat dafür eine Milliarde Euro Förderung in Aussicht gestellt. Ein Problem dabei: Die Milliarde darf nur fließen, wenn die EU eine Zellfertigung als Important Project of Common European Interest (IPCEI) klassifiziert. Das möchte zwar die Kommission, doch es gibt Widerstand in einigen osteuropäischen Ländern: Ungarn, Tschechen, Polen oder Slowaken befürchten einen Wettbewerbsnachteil, wenn reiche Westländer mit Fördermilliarden locken dürfen.

In Osteuropa entstehen Fabriken

Tatsächlich bauen einige der asiatischen Konzerne derzeit Fertigungsstätten in Osteuropa. Auch der VW-Partner SKI. Die Südkoreaner haben vor zwei Jahren die leerstehenden Hallen von First Solar in Frankfurt (Oder) in Betracht gezogen für eine erste Fabrik in Europa, doch wegen Kosten und Genehmigungszeiten entschieden sich die Koreaner für Ungarn. Womöglich kommt Frankfurt jetzt wieder ins Spiel, denn dort könnte Altmaier auch die Polen mit einbinden – was Materiallieferungen angeht oder das Recycling von Batterien als einem der großen Geschäftszweige der Zukunft. Und mit Hilfe der Polen wäre es einfacher, in Brüssel das IPCEI zu erreichen.

Matthias Machnig (SPD), ehemals deutscher Wirtschaftsstaatssekretär und heute für das Beratungsunternehmen Innoenergy tätig, sieht die Polen schon in einer „Koalition der Willigen“ neben Franzosen, Schweden, Finnen und Deutschen. „Die nächsten zwei Jahre werden spielentscheidend“, sagte Machnig auf dem Batterieforum. Auf dem 250-Milliarden-Euro-Zellenmarkt seien in Europa im nächsten Jahrzehnt bis zu vier Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze möglich, wenn die Industrie endlich in die Gänge komme und die Politik mit Hilfe des IPCEI Fördermilliarden in die Hand nehmen dürfe.

500 Millionen sind in die Forschung geflossen

Hierzulande sind in den vergangenen zehn Jahren rund 500 Millionen Euro in die Batterieforschung geflossen. Mit weiteren 500 Millionen Euro soll nun im Rahmen der Forschungsfabrik, die von der Fraunhofer Gesellschaft betrieben wird, auf den drei Feldern „Material“, „Zelle und Prozesse“ sowie „Batteriezellfertigung“ gearbeitet werden. Mitte des Jahres dürfte der Standort der neuen Einrichtung ausgewählt werden, für die sich ein halbes Dutzend Bundesländer bewerben. Im föderalen System wird es vermutlich eine Art Dreiteilung geben müssen – der Süden (Ulm/Karlsruhe), der Westen (Braunschweig) und der Osten, konkret Dresden, sind favorisiert. Sechs Zellhersteller wollen mit der Forschungsfabrik kooperieren, der Größte ist nicht dabei: Die schwäbische Varta geht einen eigenen Weg.

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