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BW-Bank in Stuttgart: Handelsblatt-Redakteure versuchten, einen genauso günstigen Kredit zu bekommen, wie Christian Wulff.

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Baufinanzierung: "Bieten Sie auch den Wulff-Kredit an?"

Finanzieren wie ein Promi: Handelsblatt-Redakteure haben versucht, bei Banken die günstigen Hauskreditkonditionen der Eheleute Wulff zu beantragen. Dabei haben sie manche Überraschung erlebt.

Die Rolltreppe hört nicht auf zu quietschen. Die Bankberaterin sagt, das tue ihr leid. Die Filiale der Hypo Vereinsbank liegt im ersten Stock eines Einkaufszentrums; die Rolltreppe, über die man hineingelangt, endet mitten im Raum, kurz vor ihrem Tisch. Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird die Treppe noch mindestens zehnmal quietschen. Am Ende tut es der Beraterin auch leid, dass die Kunden, die vor ihr sitzen, nicht zufrieden sind mit dem Kredit, den sie ihnen anbietet. "Frau Schäfer, Herr Schäfer, das sind wirklich Topkonditionen", sagt sie.

Die Schäfers haben ihr erzählt, dass sie ein Haus kaufen möchten. Dass sie Kinder wollen und raus aus der Großstadt, in die eigenen vier Wände, mit Garten drumherum. Ein Wunsch, wie ihn Millionen Menschen in Deutschland haben. Doch die wenigsten können ihn sich einfach so erfüllen. Sie müssen sich Geld leihen wie Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina.

Die Wulffs haben sich 500.000 Euro für den Kauf ihres Hauses in Großburgwedel geliehen, zunächst bei Freunden, für vier Prozent. Für damalige Verhältnisse war das sehr günstig. Im Frühjahr 2010 lösten sie das Darlehen mit einem Kredit bei der BW-Bank ab, sogar zu noch besseren Konditionen: Zwischen 0,9 und 2,1 Prozent zahlten die Wulffs laut Angaben ihres Anwalts für einen "rollierenden Geldmarktkredit", bevor sie auch den mit einem neuen Darlehen ablösten.

Ähnlich gute Konditionen müssten eigentlich auch für die Schäfers drin sein. Gemeinsam haben sie ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, sichere Jobs, ordentlich Geld gespart und niemals zuvor Schulden gemacht. Sie sind die idealen Bankkunden. Und sie sind frei erfunden. Handelsblatt-Redakteure haben sich die Figuren ausgedacht, weil sie wissen wollten: Bekommt jedes beliebige solide Paar in Deutschland einen so günstigen Kredit, auch dann, wenn keiner von beiden prominent ist? Oder hat der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen und heutige Bundespräsident eine Sonderbehandlung erfahren?

Die Handelsblatt-Redakteure haben bei der Hypo Vereinsbank die gleiche Geschichte erzählt wie bei drei anderen Banken auch: Stefanie Schäfer ist Lehrerin an einem Gymnasium. Als Beamtin ist sie unkündbar. Mit Anfang 30 verdient sie monatlich schon 3700 Euro brutto. In den nächsten 30 Jahren werden ihre Bezüge kontinuierlich ansteigen. Wenn sie aufhört zu arbeiten, garantiert der Staat für ihre Pension. Ansgar Schäfer ist Facharzt für Urologie in einer Klinik. Mit einem Jahresgehalt von 117000 Euro brutto zählt er zu den Spitzenverdienern in einer relativ krisensicheren Branche. Für den Fall, dass er arbeitsunfähig wird oder stirbt, hat er eine großzügige Lebensversicherung abgeschlossen.

Das Haus, das sie kaufen möchten, kostet 500.000 Euro. Hinzu kommen die Kosten für Makler, Notar und Grunderwerbsteuer. Anders als die Wulffs bringen die Schäfers aber noch Ersparnisse in Höhe von 100.000 Euro mit. Die Summe, die sie finanzieren möchten, beträgt am Ende noch 450.000 Euro, das ist weniger, als die Wulffs sich geliehen haben. Dafür hat Christian Wulff als Ministerpräsident von Niedersachsen auch noch ein bisschen mehr verdient: 152.000 Euro waren es im Jahr 2008.

Die Beraterin gibt die Daten in ihren Computer ein. Sie ist sichtbar beeindruckt. "Sie haben 7000 Euro netto!" ruft sie aus. Das Angebot, das sie unter dem Vorbehalt einer Prüfung aller erforderlichen Unterlagen macht, ist tatsächlich attraktiv: 3,71 Prozent effektiver Zinssatz, festgeschrieben für 15 Jahre. Sollte die Bonitätsprüfung gut ausfallen, sagt sie, könne der Zinssatz sogar noch um bis zu 0,2 Prozentpunkte hinuntergehen. Vor acht Wochen noch wäre ein Paar wie die Schäfers wahrscheinlich begeistert gewesen. Schließlich lag das Zinsniveau jahrelang viel höher.

Anstellen an der Kasse

Jetzt aber hakt Stefanie Schäfer nach. Der Bundespräsident habe doch noch bessere Konditionen gehabt, das habe sie in der Zeitung gelesen. Was das eigentlich sei, ein "rollierender Geldmarktkredit"? Die Beraterin guckt, als wisse sie das auch nicht so genau. Sie sagt schnell, dass die Hypo-Vereinsbank so etwas nicht anbietet, da möge man sich bitte an eine Landesbank wenden. Im Übrigen wolle sie den Fall Wulff nicht kommentieren.

Ansgar Schäfer fragt, ob sich die Konditionen verbessern würden, wenn man bereits ein guter Kunde der Bank sei. Oder wenn man jemanden kenne, der ein guter Kunde sei. Er denkt dabei an Egon Geerkens, dessen Frau den Wulffs zuerst das Geld geliehen hat und der für seinen Freund den Kontakt zur BW-Bank hergestellt hat. "Nein", meint die Beraterin, die Bedingungen seien für alle Menschen dieselben. Sie würde ihnen aber das Kunden-werben-Kunden-Programm ans Herz legen. In diesem Monat gäbe es für jeden geworbenen Neukunden eine Goldmünze. Eine Münze? Bei einem Zinssatz von unter zwei Prozent würden die Schäfers so viel Geld sparen, dass sie sich wahrscheinlich ganze Goldbarren dafür kaufen könnten. Also weiter zur nächsten Bank.

"Verbessern sich die Konditionen, wenn man jemanden kennt, der ein guter Kunde ist?" Ehepaar Egon und Edith Geerkens.
"Verbessern sich die Konditionen, wenn man jemanden kennt, der ein guter Kunde ist?" Ehepaar Egon und Edith Geerkens.

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Bei der Volksbank Düsseldorf-Neuss müssen sich die Schäfers erst einmal an der Kasse anstellen, dann dürfen sie auf einem kleinen roten Sofa Platz nehmen, bevor es durch den Hausflur in das Beratungszimmer im ersten Stock geht. Wieder gibt der Berater ihre Daten in den Computer ein. Als er das Ergebnis aus dem Drucker holt, wird er leicht blass. Er hat das Darlehen in drei Teile aufgesplittet, mit Laufzeiten zwischen zehn und 20 Jahren. Zusammen ergibt sich ein Effektivzins von 3,73 Prozent. Das seien wirklich günstige Konditionen. Er selbst zahle deutlich mehr.

Trotz der Spitzenbonität der Schäfers stört ihn eine Kleinigkeit. "Wir müssen bei der Kreditplanung auch das Alter Ihres Mannes im Auge behalten", sagt er zu Stefanie Schäfer. Ansgar Schäfer sei schließlich schon 48, bei der gewünschten monatlichen Tilgungsrate sei das Haus aber erst in 42 Jahren abbezahlt. Die Angesprochene reagiert empört. Der Bundespräsident habe doch einen Kredit bekommen, und sogar einen noch günstigeren, protestiert sie. Und der sei schließlich älter als ihr Mann.

Tatsächlich ist Christian Wulff schon 52 Jahre alt. Als Bundespräsident aber wird er für den Rest seines Lebens ein Gehalt von 199.000 Euro pro Jahr vom Staat erhalten, selbst dann, wenn er vorzeitig zurücktreten sollte.

Trotzdem, beharrt Frau Schäfer, es würde sie doch mal interessieren, was das denn sei, so ein Geldmarktdarlehen, ob sie das nicht auch bekommen könnten. Ja, sagt der Berater, ein Geldmarktkredit sei theoretisch möglich. Die Zinsen, die der Kunde zahle, seien hier nicht fix, sondern variabel, oder auch: rollierend. Sie steigen und fallen mit den Marktzinsen. Der Geldmarktkredit der Volksbank orientiert sich am Euribor, dem Zinssatz, zu dem sich die Banken gegenseitig Geld leihen. Derzeit schwankt der Drei-Monats-Euribor um die 1,5 Prozent. Seine Bank schlüge aber noch 1,45 Prozentpunkte drauf, macht also knapp drei Prozent. Schließlich wolle man ja noch etwas an dem Geschäft verdienen. Darin enthalten seien außerdem Verwaltungskosten. Berücksichtigen müsse man auch, dass die Bank für das Risiko, das sie eingeht, eigenes Kapital zurücklegen muss.

In den Jahren 2010 und 2011, während Wulff seinen Geldmarktkredit bediente, dessen Zinsen nach Aussagen seiner Anwälte zwischen 0,9 und 2,1 Prozent lagen, schwankte der Drei-Monats-Euribor zwischen 0,6 und 1,8 Prozent. Die Bank kann also kaum einen Aufschlag verlangt haben, glaubt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung: "Wenn die kolportierten Daten stimmen, musste Wulff für sein Darlehen nur einen Aufschlag von rund 0,25 Prozentpunkten auf den 3-Monats-Euribor bezahlen. Das deckt gerade mal die Kosten für Ausfallrisiko und Verwaltung." Üblich seien Aufschläge von 1,5 Prozent. Sein Fazit: "Die Bank hat an diesem Kredit nichts verdient."

Besuch bei der BW-Bank

Der Berater von der Volksbank erklärt, er würde den Schäfers ohnehin davon abraten, die ganze Summe mit solch einem Kredit zu finanzieren. Der Markt schwanke stark. Wenn man Pech habe, steige der Euribor bald wieder. Und dann sei das Risiko groß, dass man keine günstige Anschlussfinanzierung bekäme.

Dasselbe hören die Schäfers bei der Deutschen Bank. Auch hier spricht die Beraterin das Geldmarktdarlehen nur auf Nachfrage an. Kurzfristige Kredite seien immer hochriskant. Denn auch einen solchen Kredit könne man nicht von heute auf morgen kündigen. Wenn die Zinsen plötzlich sehr schnell stiegen, hätte der Kunde das Nachsehen. Darum seien die Schäfers besser beraten, wenn sie ein langfristiges Darlehen mit einem für zehn Jahre festgeschriebenen Zinssatz von 3,58 Prozent wählten.

Bundespräsident Christian Wulff: mit der Kreditaffäre begann eine ganze Welle an Enthüllungen.
Bundespräsident Christian Wulff: mit der Kreditaffäre begann eine ganze Welle an Enthüllungen.

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Das leuchtet ein. Ein paar Fragen aber bleiben offen: Wieso haben die Wulffs ein Geldmarktdarlehen aufgenommen? Und wieso haben sie es so günstig bekommen? Und wieso haben sie es plötzlich in eine langfristig gesicherte Finanzierung umgewandelt? Haben sie das gemacht, weil sie Angst vor dem Zinsrisiko hatten, wie der Bundespräsident behauptet, oder weil kurz vorher ein Journalist nach den Konditionen bei der BW-Bank gefragt hatte?

Die Antwort hoffen die Schäfers in Stuttgart zu finden. Das Private Banking Center der BW-Bank liegt auf der Königstraße, einer Einkaufsmeile. "Wir bauen um. Unser Erlebniskonto BW Extend braucht einfach mehr Platz", steht blau-weiß am Bauzaun. Innen ist alles im Umbau und wenig präsidiabel. Die Schäfers nehmen in einem Wartezimmer Platz. Es hat keine Fenster, aber dafür Bilder mit den Farben des Regenbogens. Vier orangefarbene Sessel sind um einen Tisch platziert. Auf ihm steht ein Plastikfarn. Ob die Wulffs hier auch gesessen haben? Dann werden die Schäfers hereingebeten. Vom Büro des Beraters aus blicken sie auf eine weiße Betonwand und die Feuertreppe der nebenan liegenden "Jeanshalle". Der Berater schenkt Sprudelwasser ein.

Die BW-Bank bietet ihnen einen Zinssatz von 3,68 Prozent an für eine Laufzeit von zehn Jahren. Effektiv, also mit allen Gebühren, wären es 3,74 Prozent. Wollte man sich für 15 Jahre binden, kämen wohl noch einmal 0,4 bis 0,5 Prozent obendrauf. Der Bundespräsident zahlt für sein Darlehen, das inzwischen eine Laufzeit von 15 Jahren hat, nur 3,62 Prozent. Trotzdem: Wenn man die Angebote aller getesteten Banken miteinander vergleicht, kann die Bonität der Schäfers gar nicht so viel schlechter sein als die der Wulffs.

Ob es nicht noch günstiger ginge, fragen die Schäfers. Ob man nicht auch so ein variables Darlehen bekommen könne. Ja, das ginge, sagt der Berater zögerlich. Jetzt sind die Schäfers gespannt. Kommen jetzt endlich die Superzinsen? Nein. 2,8 bis 2,9 Prozent würde ein variabel verzinstes Darlehen wohl kosten, rechnet der Berater aus und rät ab. Die Leitzinsen seien gerade extrem niedrig und könnten bald wieder steigen. Da die Schäfers bei einem variablen Darlehen eine Kündigungsfrist von drei Monaten beachten müssten, könnte das sehr teuer werden. "Dieses Risiko würde ich nicht eingehen."

So sah es auch der Bundespräsident und wandelte sein günstiges Geldmarktdarlehen in ein günstiges Festdarlehen. Ob er denselben Berater hatte wie die Schäfers?

Zuerst erschienen auf Handelsblatt Online.

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