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Tesla-Chef Elon Musk bei einer Präsentation in China.

© REUTERS/Aly Song

Baustopp für Tesla-Gigafabrik: Wenn Elon Musks Ungeduld auf deutsches Baurecht trifft

Umweltschützer wollen den Bau der Tesla-Fabrik verzögern. Welche Chance das Verfahren hat und wie das Projekt weitergeht – ein Überblick.

Jetzt stehen die Rodungsmaschinen schon wieder still in Grünheide. Dabei sah es gerade noch so aus, als könne der für deutsche Verhältnisse ehrgeizige Zeitplan eingehalten werden, um die Tesla-Fabrik vor den Toren Berlins zu bauen – doch es gibt bereits den ersten größeren Rückschlag: Die Grüne Liga ist vor Gericht gezogen, um die Rodung von Bäumen vorerst zu stoppen.

Und nun?

Erst einmal geht es nur um einige Tage, doch daraus könnten schnell Monate werden. Dann wäre es kaum noch möglich, im Sommer 2021 mit der Produktion in Grünheide zu beginnen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ordnete den Baustopp am Samstag an, weil es erst über einen Eilantrag der Grünen Liga Brandenburg entscheiden will. Der Fall habe Priorität, hieß es.

Das Problem für den Zeitplan von Tesla und Brandenburg: Falls das Gericht doch länger braucht oder auch in der Sache den Umweltschützern Recht gibt, könnte sich der Bau der Fabrik um mindestens ein halbes Jahr verzögern. Ab März dürfen aus Natur- und Artenschutzgründen in der Regel keine Bäume mehr gefällt und Waldflächen gerodet werden. Das war auch der Grund, warum es in den vergangenen Tagen so schnell gehen musste.

Tesla-Kläger: „Öffentliche Aufforderung zum Rechtsbruch“

Die Grüne Liga kritisiert nun, dass mit den Rodungen begonnen wurde, bevor überhaupt die finale Baugenehmigung vorliegt. Das Landesumweltamt hatte am Donnerstag grünes Licht für die Abholzung des 91 Hektar großen Kiefernforsts gegeben, der an anderer Stelle als höherwertiger Mischwald wieder angepflanzt wird. Das stellte die Behörde unter den Vorbehalt, dass Tesla das alleinige Risiko trägt – also notfalls alles wieder aufforsten muss, falls sich im Laufe des Verfahrens noch etwas ändert.

Der Pragmatismus der Landesregierung stößt nun auf den Widerstand der Umweltschützer, denen es ums Prinzip geht.

„Die Anlage von Tesla ist noch nicht genehmigt und für eine vorzeitige Freigabe von Baumaßnahmen gibt es gesetzliche Voraussetzungen, die hier eindeutig nicht erfüllt sind“, sagt der Anwalt der Grünen Liga, Dirk Teßmer. So laufe die Frist, während der Umweltverbände Stellungnahmen zu dem Bauprojekt abgeben können, noch bis zum 5. März.

Mehr zum Baustopp der Gigafactory in Grünheide:

Man wolle das Projekt, das Tausende Arbeitsplätze in Ostdeutschland schaffen soll, zwar nicht verhindern, sagt Grüne-Liga-Chef Heinz-Herwig Mascher. Aber „dass Ministerpräsident Woidke dem Investor einen solchen Zeitplan verspricht, haben wir als öffentliche Aufforderung zum Rechtsbruch empfunden“. Alle Beteiligten sollten „nun auf den Boden der Tatsachen zurückkehren“.

Diese Tatsachen stellen sich aus Sicht von Tesla allerdings so dar, dass die Vergabe der Gigafactory nach Deutschland auch damit verknüpft war, dass sich der Bau nicht so lange hinzieht wie hierzulande sonst üblich. Elon Musk weiß zwar, dass es nicht so fix gehen wird wie in China, wo die Fabrik in Shanghai nach zehn Monaten fertig war. Aber seine Geduld dürfte nicht unendlich sein. Das Umsetzungstempo ist deshalb ein entscheidender Faktor für die Milliarden-Investition.

Die Klagen gegen Teslas Gigafactory werfen grundsätzliche Fragen auf   

Genehmigungsverfahren für große Bauprojekte dauern in Deutschland meistens mehrere Jahre, weil die Folgen für die Öffentlichkeit, Umgebung, Umwelt, Klima und Verkehr abgewogen und Ausgleichsmaßnahmen beschlossen werden müssen. Anwohner und anerkannte Naturschutzverbände haben gesetzlich verbürgte Klagerechte, um ihre Interessen zu wahren.

 Mit einem Holzvollernter werden in Grünheide Bäume gefällt.
Mit einem Holzvollernter werden in Grünheide Bäume gefällt.

© Jörg Carstensen/dpa

Ob diese in ihrem Ausmaß noch zeitgemäß sind, darüber wird gerade aufgeregt gestritten, weil durch Klagen gerade Großprojekte oft länger verzögert werden, als es Investoren und Bürgern vermittelbar ist.

Mit verkürzten Verfahren und vorläufigen Genehmigungen will die Politik an das Problem rangehen. So hat die Bundesregierung gerade für einige große Verkehrsprojekte eine beschleunigte Umsetzung beschlossen, worin Umweltverbände wie der BUND aber einen Bruch von Verfassungs-, Europa- und Völkerrecht und eine Aushebelung des Rechtsstaats sehen.

Die Verzögerungstaktik der Naturschützer in Brandenburg ist nun Wasser auf die Mühlen ihrer Kritiker, was auch an der teils unklaren Motivlage der Kläger liegt. So hat sich neben der angesehenen Grünen Liga auch ein bayerischer Verein auf Tesla eingeschossen, der außerhalb des Freistaats zuvor kaum in Erscheinung getreten ist – und nicht nur deshalb Fragen aufwirft.

Der Verein Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB) kämpft ansonsten gegen Klimaschutz und Energiewende und steht der umstrittenen Anti-Windenergie-Initiative „Vernunftkraft“ nahe. Diese glaubt nicht so recht an den Klimawandel und ihre Vertreter kooperieren teils mit der in Teilen rechtsextremen AfD, wie der RBB berichtete. Auch der VLAB hatte vergangene Woche versucht, die Rodung per Eilantrag zu stoppen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt lehnte den Antrag am Freitagabend aber ab. Seriöse Umweltschutzorganisationen sehen das Treiben der Gruppierung jedenfalls überaus kritisch.

Hälfte des Waldes hat Tesla schon gerodet

Wirtschaftspolitiker sind wegen des Baustopps nun in heller Aufregung. „Bei dieser Ansiedlung schauen uns weltweit Industrieunternehmen und Investoren besonders zu", sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, dem „Handelsblatt“. Und der FDP-Politiker Michael Theurer warnte vor weiteren Klagen gegen die geplante Tesla-Fabrik. „Ich appelliere an alle, die über eine Klage nachdenken, nochmals in sich zu gehen. Legen Sie den Industriestandort Deutschland nicht lahm“, sagte der Vize-Chef des FDP-Bundestagsfraktion.

Als hätte es Tesla geahnt, warnt das Unternehmen in neuen Unterlagen für die US-Börsenaufsicht vor den Risiken für das Bauprojekt in Deutschland. Es gebe eine Reihe von Unsicherheiten, heißt es darin. Verzögerungen könnten ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden, wenn es neue bürokratische Hürden geben sollte, so die Warnung im Risikobericht.  

Das für Tesla beste Szenario sieht nun so aus: Das Oberverwaltungsgericht, das bis morgen noch auf Stellungnahmen wartet, entscheidet „zügig“, wie es angekündigt wurde. Fällt die Entscheidung noch in dieser Woche, bliebe für die verbliebenen Rodungsarbeiten eine weitere Woche Zeit. Das reicht: Für die komplette Rodung sind laut Gericht drei weitere Tage nötig. Die Hälfte des Waldes ist nämlich schon weg.

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