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Wirtschaft: Bayer wechselt seine Pharmastrategie

Leverkusener Konzern verzichtet auf Mehrheit bei Partnerschaften / Aktie legt deutlich zu

Leverkusen (tas). Wegen der schlechten Konjunktur und sinkender Medikamentenerlöse im Pharmabereich vollzieht die Bayer AG nun einen Strategiewechsel. Wie der Vorstandsvorsitzende des Leverkusener Pharma und Chemiekonzerns, Werner Wenning, am Dienstag sagte, hänge die Suche nach einem strategischen Partner nun nicht mehr davon ab, ob Bayer die unternehmerische Führung in der Pharmasparte behalte: „Wir mussten erkennen, dass eine wertgenerierende Alternative bei dem bisherigen Führungsanspruch nicht realistisch ist.“

Konkret heißt das, Bayer würde sich bei einer Partnerschaft damit zufrieden geben, die zweite Geige zu spielen. Ausgeschlossen sei aber weiterhin der Verkauf der gesamten Pharmasparte, sagte Wenning. Bisher kursierten im Markt Gerüchte, Bayer könnte mit Unternehmen wie Akzo Nobel (Niederlande) oder Novo Nordisk (Dänemark) verhandeln. Zu solchen Spekulationen wollte sich der Bayer-Chef aber nicht äußern: „Wir werden einen Partner präsentieren, wenn er da ist.“ Auch in der Chemiesparte ist das Management bereit, in einzelnen Bereichen die Mehrheit abzugeben. Dies gelte für Bereiche, die mittelfristig nicht die erwünschte Rendite erwirtschaften, sagte Wenning.

Seit rund einem Jahr ist Bayer bereits auf der Suche nach einem starken Kooperationspartner für die Pharmasparte, die nach dem Katastrophenjahr 2001 in Schwierigkeiten ist. Im August letzten Jahres mussten die Leverkusener den Cholesterinsenker Lipobay vom Markt nehmen, weil er im Verdacht steht, mindestens 52 Todesfälle herbeigeführt zu haben. Hinzu kamen Umsatzausfälle durch das Blutermedikament Kogenate, dessen Produktion wegen Qualitätsmängeln zeitweise eingestellt werden musste. Diese Einnahmeausfälle und die daraus entstandenen Gewinnbelastungen konnten die anderen Bayer-Präparate nicht ausgleichen.

Zudem zeichnete sich bereits im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres ab, dass die bisherigen Umsatzträger Ciprobay und Adalat weniger Einnahmen erzielen als früher. Das führte dazu, dass der Umsatz des gesamten Healthcare-Bereichs um fünf Prozent auf 2,28 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückging. Weitere Umsatzausfälle drohen, wenn das Antibiotikum Ciprobay Ende 2003 seinen Patentschutz in den USA verliert. Das Herzmittel Adalat ist bereits heute patentfrei.

Um diese Umsatzausfälle auszugleichen, setzt Bayer auf die neue Potenzpille Levitra. Nach Worten des Vorstandschefs soll das Medikament im ersten Halbjahr 2003 in Europa und im zweiten Halbjahr in den USA trotz einer Klage des Pharmakonzerns Pfizer („Viagra“) wegen einer möglichen Patentverletzung auf den Markt kommen. Das Umsatzpotenzial liege bei einer Milliarde Euro. Zwei Drittel davon sollen aus den USA kommen. Ursprünglich wollte Bayer mit dem Mittel bereits in diesem Jahr in den USA starten, die endgültige Zulassung wurde aber von der US-Gesundheitsbehörde verschoben. Wenning zeigte sich angesichts der Pfizer-Klage gelassen: „Wir gehen davon aus, dass das Patent von Pfizer in diesem Umfang nicht rechtsgültig bleibt und werden uns massiv dagegen zur Wehr setzen.“

Auch im Fall Lipobay rollt eine Klagewelle auf den Konzern zu. Wie Wenning sagte, sind bislang rund 5700 Klagen vornehmlich aus den USA eingegangen. Diese Zahl dürfte weiter ansteigen. Dennoch bleibt Wenning gelassen: Etwa 190 dieser Klagen seien bereits ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durch Vergleich beigelegt worden.

Probleme hat Bayer aber auch in der Agrochemiesparte mit der Neuerwerbung CropScience. Die von Aventis gekaufte Pflanzenschutztochter geriet im dritten Quartal durch Abschreibungen und Einmalkosten in die roten Zahlen.

Besser lief es in den Bereichen Polymere (Kunststoffe) und Chemie. Hier waren die operativen Ergebnisse deutlich höher als im Vergleichszeitraum, was Wenning mit den greifenden Kostensenkungen begründete.

Auch im Gesamtkonzern konnte Bayer wieder bessere Ergebnisse einfahren. Vor Sonderposten lag das operative Ergebnis im dritten Quartal (Juli bis September) bei 54 Millionen Euro, ein Zuwachs von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Konzerngewinn, der ein Jahr zuvor negativ ausgefallen war, stieg auf 656 Millionen Euro an. Auch der Umsatz legte um acht Prozent auf rund sieben Milliarden Euro zu.

Im Gesamtjahr erwartet Wenning nun keine wesentlichen operativen Veränderungen mehr. Er bezeichnete 2002 als Jahr des Übergangs, ab dem sich der Konzern gesundschrumpfen will. So sollen bis 2005 rund 2,2 Milliarden Euro eingespart werden. Dazu trägt auch ein Personalabbau bei: In den nächsten Jahren werden, wie bereits bekannt war, in Europa 15 000 Jobs gestrichen. An der Börse wurden die Bayer-Nachrichten äußerst positiv aufgenommen. So stieg der Kurs der Aktie zeitweise um neun Prozent.

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