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Wirtschaft: BDI-Präsident mahnt zu mehr Verantwortung

EU-Kommissar Verheugen appelliert an Industrie

Berlin - Der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, hat an die Verantwortung deutscher Unternehmer im internationalen Wettbewerb appelliert. „In einem Land, in dem fast fünf Millionen Menschen arbeitslos sind, sehe ich es als Pflicht jedes Unternehmers an, sorgfältig zu prüfen, ob es nicht andere Wege gibt, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, als Arbeitsplätze abzubauen“, sagte Thumann am Donnerstag in Berlin.

Es gebe wohl keinen Unternehmer, der gerne Stellen streiche, sagte der BDI-Präsident auf einem Symposium der Initiative Freiheit und Verantwortung. Der hohe Konkurrenz- und Kostendruck ließen aber häufig keine andere Wahl. Um die Flexibilität der Unternehmen zu erhöhen, seien – neben der Tarifpartnerschaft – zusätzlich betriebliche Bündnisse nötig. Fraglich sei allerdings, ob auch die Verbraucher bereit seien, Preise zu zahlen, die für in Deutschland produzierte Produkte verlangt werden müssten.

„Das Rückgrat der deutschen Industrie bleibt der heimische Markt“, sagte Thumann mit Blick auf Werksschließungen und Arbeitsplatzverlagerungen. Nur von hier aus könne eine Innovationsoffensive deutscher Unternehmen auf dem Weltmarkt gelingen. Zugleich warnte der BDI-Präsident vor überzogenen Erwartungen der Politik. Wenn damit gerechnet werde, dass die Wirtschaft „wie eine Maschine anspringt“ und automatisch Arbeitsplätze schaffe, wenn die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessert würden, sei dies naiv. „Dieses Verständnis von Wirtschaft entspricht nicht der Wirklichkeit“, sagte Thumann. EU-Industriekommissar Günter Verheugen nahm diesen Hinweis auf, um – vor dem Hintergrund der Verfassungs- und Finanzkrise in der EU – von deutschen Managern mehr Unterstützung für das europäische Projekt zu verlangen. „Ich erwarte von den Unternehmern wenigstens, dass sie der Mythenbildung entgegentreten“, sagte Verheugen in Berlin. Das größte Industrieland Europas profitiere am meisten von der politischen Stabilität und den offenen Grenzen nach Osteuropa. Dies müsse von der exportstarken deutschen Industrie stärker hervorgehoben werden. „Europa ist keine Schönwetterveranstaltung“, räumte Verheugen ein. Die aktuellen Probleme rechtfertigten aber nicht die „fundamentale Welle des Misstrauens“, die im Augenblick durch einige Mitgliedsländer rolle.

Mit Blick auf die Debatte um Dumpinglöhne für osteuropäische Arbeitskräfte sagte Verheugen: „Deutschland wird nicht überschwemmt von Billiglöhnern.“ Und die, die – etwa in der Fleischwirtschaft – trotzdem illegal beschäftigt würden, seien nicht von selbst gekommen. „Sie sind von deutschen Unternehmen geholt worden“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission. Hier müssten die Mittel des Strafrechts konsequenter angewendet werden. Stattdessen würden „Ordnungsgelder aus der Portokasse“ bezahlt.

Verantwortungsloses Verhalten einzelner Unternehmer, schnelle Profitmaximierung, der von SPD-Chef Franz Müntefering beklagte Einfall der Heuschrecken – all dies sei für deutsche Unternehmer kein Anlass, ein schlechtes Gewissen zu haben, sagte Patrick Adenauer, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer (ASU). Vielmehr habe die polemische Kapitalismus-Kritik vielen Mittelständlern „Zornesröte ins Gesicht“ getrieben und vielen das Vertrauen in die Zukunft des Standorts Deutschland genommen.

Die angeblich schlechten Rahmenbedingungen des Standorts seien aber noch kein zwingender Grund für unternehmerischen Misserfolg, wandte Gesine Schwan ein. Die Präsidentin der Europa- Universität Viadrina glaubt, dass es genug unternehmerischen Spielraum in Deutschland gibt. „Es fehlt vielen nur an Kreativität, Langfristigkeit und Loyalität“, sagte Schwan. Unsozial würden Unternehmer dann, wenn sie nichts unternähmen.

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