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Überraschung. Bei einem unerwarteten Anruf der Personalabteilung sollten Bewerber bestimmte Themen, wie etwa das Gehalt, besser nicht ansprechen. Foto: Picture Alliance/obs

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Wirtschaft: Bei Anruf Test

Ob auf der Straße oder in der U-Bahn: Bewerber sollten ihr Handy immer dabei haben. Denn bevor sie zum Gespräch eingeladen werden, prüfen Personaler sie immer öfter mit einem spontanen Telefonat

Für eine Stelle als Pharmareferent sammeln sich bei Georg Rheinbay gut 30 Bewerbungen auf dem Schreibtisch an. Knapp ein Drittel der Mappen bleiben übrig, wenn sich der Leiter Personalwesen von Berlin-Chemie durch Lebensläufe, Referenzen und Zeugnisse gelesen hat. Doch bevor es in die nächste Stufe geht, wird noch einmal gesiebt. „Bevor ich einen Interessenten zum Vorstellungsgespräch einlade, rufe ich ihn erst einmal an“, sagt Georg Rheinbay. Er wählt die Handynummer, stellt sich vor und sagt: „Ich hätte noch einige Fragen zu Ihrer Bewerbung. Passt es Ihnen gerade?“

Ob an der Supermarktkasse oder in der U-Bahn: Wer sich bewirbt, muss zu den üblichen Geschäftszeiten mit einem Anruf der Personalabteilung rechnen. Das Telefoninterview als Vorstufe zum persönlichen Bewerbungsgespräch wird bei Personalern immer beliebter.

„Auf diese Weise können Bewerber und Personaler Zeit und Kosten sparen“, sagt die Karriereexpertin der Online-Stellenbörse Stepstone, Alexandra Wenzig. „Schließlich ist es für beide Seiten ärgerlich, wenn sich in einem Vorstellungsgespräch nach wenigen Sätzen herausstellt, dass man unterschiedliche Vorstellungen von einer Zusammenarbeit hat.“

Georg Rheinbay testet via Internet-Telefonie außerdem die Kommunikationsfähigkeit. Gerade für Stellen mit viel Kundenkontakt sei Spontaneität und Wortgewandtheit wichtig. Eine mögliche Frage könnte zum Beispiel auf die Motivation des Bewerbers zielen, sich bei Berlin-Chemie vorzustellen. Warum möchte er seinen bisherigen Job aufgeben? Was reizt ihn an der neuen Position?

„Das Telefongespräch ersetzt allerdings nicht ein persönliches Kennenlernen“, sagt Rheinbay. So gehen die Fragen nicht derart in die Tiefe wie bei einem Vorstellungsgespräch. Es ist in der Regel auch kein Vertreter der Fachabteilung dabei. Georg Rheinbay geht es darum, die Persönlichkeit des Bewerbers kennenzulernen und etwa offene Fragen zum Lebenslauf abzuklären – ohne Zeit und Geld für ein Vorstellungsgespräch zu vergeuden. Der Personalexperte lädt etwa jeden vierten bis fünften Bewerber ein, mit dem er vorher telefoniert hat.

Eine Stolperfalle kann für Jobsuchende auch deren Anrufbeantworter sein. Wer die Mailbox mit einem launigen Spruch an seine Freunde versehen hat, sollte sich in der Bewerbungsphase dringend davon verabschieden und ihn gegen eine seriöse Ansage austauschen. Georg Rheinbay hat schon häufiger Bewerber wegen solcher Telefonansagen aussortiert. „Das ist unprofessionell. Man bewirbt sich ja auch nicht mit einem Urlaubsfoto. Man muss damit rechnen, dass ein potenzieller Arbeitgeber anruft“, sagt er.

Im Interview dann gilt es bei der Themenwahl vorsichtig zu sein. „Es ist nicht angebracht, am Telefon das Gehalt anzusprechen, es sei denn, der Interviewer schneidet das Thema selber an“, sagt Alexandra Wenzig von Stepstone. Die Frage nach Urlaubsregelungen, Vergünstigungen oder der Arbeitsatmosphäre sind in einem ersten Telefonat ebenfalls tabu.

Einen schlechten Eindruck mache es auch, wenn der Bewerber dem Anrufer ins Wort falle. „Im Gegensatz zum persönlichen Gespräch hat man am Telefon nicht die Möglichkeit, solche Fehler durch Gestik und Mimik wieder auszubügeln“, sagt sie. Fragen zum Unternehmen und zum Tätigkeitsbereich sind dagegen erwünscht. „So kann der Bewerber zeigen, dass er echtes Interesse an der zu besetzenden Position hat“, sagt Alexandra Wenzig.

Im besten Fall sitzt man während des Telefonats am heimischen Schreibtisch, hat seine Bewerbungsunterlagen einschließlich der Notizen zum Unternehmen vor sich – und wird nicht gestört. Befindet man sich aber gerade in einer ungünstigen Situation, zum Beispiel im Großraumbüro des bisherigen Arbeitgebers oder im Auto, ist es durchaus in Ordnung, darum zu bitten, den Anruf auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. „Man sollte einen zeitnahen Termin vorschlagen“, rät Alexandra Wenzig.

„Es ist mir lieber, das Gespräch zu verschieben, als mit einem Kandidaten zu telefonieren, der unkonzentriert und abgelenkt ist“, sagt Personaler Rheinbay.

Die Karriereexpertin Svenja Hofert aus Hamburg rät grundsätzlich dazu, nicht spontan auf den Anrufer einzugehen, sondern das Gespräch auf einen selbst gewählten Zeitpunkt zu verlegen. So gewinne man Zeit zur Vorbereitung.

„Viele Bewerber irritiert, dass sie beim Telefoninterview wenig Feedback bekommen und nicht einschätzen können, wie ihre Antworten bei der Gegenseite ankommen“, sagt Hofert. Davon sollten sie sich aber nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Oft möchten Personaler erstmal nur Fakten abfragen und haben möglicherweise einen Bogen zum Ankreuzen vor sich“, sagt sie. Zum Beispiel möchten sie klären, ob ein Umzug in eine andere Stadt möglich ist oder man sich bei den Gehaltsvorstellungen annähern kann.

Sich auf ein solches Gespräch gut vorzubereiten, ist die halbe Miete. Svenja Hofert schlägt vor, sich genau klarzumachen, was man in seinem bisherigen Berufsleben gemeistert hat und welche Stärken man daraus entwickelt hat. „Am besten verweist man auf konkrete Situationen und die darin bewiesenen Fähigkeiten“, sagt sie. Statt Worthülsen wie „gutes Organisationstalent“ oder „hervorragendes Kommunikationsvermögen“ als Stärken aufzuführen, sollte man konkrete Anwendungsbeispiele nennen.

Rheinbay spricht zwischen zehn und 45 Minuten mit den Bewerbern. Die Länge des Telefonats sagt aber nichts über die Qualität aus. Ob das Gespräch ein Erfolg war, weiß der Bewerber, wenn er zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird.

Das kann bereits am Ende des Telefonats passieren.

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