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Wirtschaft: Bei der Werbung für Ostprodukte schlägt die Zensur zu

Vater der "Ostpakete" löst mit eigenwilliger Anzeige Diskussion aus / Verlage wollen Hitler-Konterfei nicht abdruckenVON EBERHARD LÖBLICH, MAGDEBURGSo uneingeschränkt glücklich mit seinem Erfolg ist Hasso Mansfeld nicht.Der stellvertretende Geschäftsführer der Agrar-Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt ist der geistige Vater der "Ostpakete".

Vater der "Ostpakete" löst mit eigenwilliger Anzeige Diskussion aus / Verlage wollen Hitler-Konterfei nicht abdruckenVON EBERHARD LÖBLICH, MAGDEBURG

So uneingeschränkt glücklich mit seinem Erfolg ist Hasso Mansfeld nicht.Der stellvertretende Geschäftsführer der Agrar-Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt ist der geistige Vater der "Ostpakete".Jener Paketsendungen, mit denen sich die Bürger aus dem Bindestrichland im vergangenen Jahr für die mit "Westwaren" gefüllten "Päckchen nach drüben" von damals bedanken durften.Mansfeld ging es darum, mit der Kampagne den Bekanntheitsgrad der Produkte aus der Nahrungsmittelbranche Sachsen-Anhalts in den alten Bundesländern zu erhöhen.Zweifellos, das belegen Umfragen im Westen, ist ihm das gelungen.Aber gleichzeitig verbreitete er im Zielgebiet auch ein unerwünschtes Image: "Die Produkte werden nach wie vor als Ostprodukte wahrgenommen", sagt er, "und das wird im Westen leider immer noch mit DDR-Produkt assoziiert." Vom Schmuddelimage des real existierenden Sozialismus will Mansfeld die Produkte der sachsen-anhaltischen Nahrungs- und Genußmittelbranche aber so schnell wie möglich befreien.Mit einer ebenfalls wieder sehr eigenwilligen Plakat- und Anzeigenkampagne will er westdeutschen Verbrauchern einimpfen, daß die meisten Produkte aus Sachsen-Anhalt mit der DDR soviel zu tun haben wie ein Fisch mit einem Fahrrad.Doch in den Medien wurde die Anzeigenkampagne ein Opfer der Zensur. Erstmals in einem seltenen Gemeinschaftsprojekt von CDU und SPD.Die hatten vor wenigen Wochen ihre Parteizeitungen "Vorwärts" und "Union" ganz in den Dienst der Marketingkampagne für Produkte aus den neuen Bundesländern gestellt.Als die Parteigeschäftsführer Franz Müntefering und Peter Hintze das Gemeinschaftsprojekt den Medien vorstellten, blätterten beide wie abgesprochen auf die gleiche Seite, schmunzelten und schüttelten leicht irritiert den Kopf.Denn die neue Anzeige der Agrarmarketing-Gesellschaft Sachsen-Anhalt war in den beiden Parteizeitungen verstümmelt abgedruckt worden. "Die Systeme gehen, die Marken bleiben", heißt es in der Anzeige und dem dazugehörenden Plakat.Die Systeme werden durch führende Repräsentanten der jeweiligen Zeit symbolhaft dargestellt.Kaiser Wilhelm für das Deutsche Reich, Reichspräsident Paul von Hindenburg für die Weimarer Republik, schließlich Walter Ulbricht als einst führender Repräsentant der DDR.Zwischen Hindenburg und Ulbricht klafft ein graues Feld ohne Gesicht. "Wir wollen mit dieser Anzeigen- und Plakatkampagne rüberbringen, daß unsere Markenprodukte mit DDR genausoviel oder genausowenig zu tun haben wie mit der Nazizeit, der Weimarer Republik und dem Kaiserreich", sagt Mansfeld."Was die Epochen gemeinsam haben, ist eben, daß es unsere Unternehmen, Qualitätsprodukte und Markennamen damals schon gab und daß sie damit eben schon so manches überstanden haben." Die Zensur in westdeutschen Verlagsetagen hat die Kampagne aber nicht überstanden, ohne Federn zu lassen.Hitlers Konterfei als Symbol für die Zeit des Nationalsozialismus ging den Anzeigenverkäufern der Parteizeitungen "Vorwärts" und "Union" denn doch um einiges zu weit.Und nicht nur denen.Auch die "Lebensmittelzeitung" und das Fachmagazin "Lebensmittelpraxis" druckten nur die zensierte Version der Anzeige, berichtet Mansfeld."Bei der Rundschau für den Lebensmittelhandel habe ich schon gar nicht mehr versucht, die Originalanzeige unterzubringen." Warum sich niemand zum Abdruck bereitfindet, kann Mansfeld nicht verstehen.Denn er ließ sich den Plakatentwurf zuvor vom Selbstkontrollgremium der deutschen Werbewirtschaft abnicken."Der Deutsche Werberat in Frankfurt hat mir signalisiert, daß gegen den Abdruck des Hitler-Konterfeis in diesem Kontext keine Bedenken bestehen", sagt er. Inzwischen kann er mit der Zensur der diversen Verlagsetagen aber sogar ganz gut leben."Der graue Fleck auf dem Plakat fordert die Leute zur Diskussion geradezu heraus", weiß Mansfeld nach ersten Rückmeldungen.Die Agrar-Marketinggesellschaft habe bereits zahlreiche Briefe und Anrufe von Menschen bekommen, die sich sicher waren, daß in der Anzeige etwas fehle."Und wenn die Leute über Plakat und Anzeige reden, dann reden sie auch über unsere Markenprodukte, die schon viele Systeme überstanden haben." Die durch den grauen Fleck verursachte Debatte ist für Mansfeld ein ebenso unerwarteter wie willkommener Nebeneffekt."Das wird offensichtlich noch sehr viel stärker wahrgenommen, als es wahrscheinlich mit dem Hitler-Bild gewesen wäre." Aber auch das Originalplakat wurde Mansfeld noch los.Das "Haus der Geschichte" in Bonn, das bereits einige "Ostpakete" in seinem Bestand hat, habe bei der Agrar-Marketinggesellschaft um umgehende Zusendung einiger Plakate gebeten - mit Hitler-Konterfei selbstverständlich."Die planen eine Sonderausstellung zur Marketingkampagne für die Produkte aus den neuen Ländern", sagt Mansfeld."Vom Ostpaket bis zum Systemplakat."

EBERHARD LÖBLICH[MAGDEBURG]

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