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Wirtschaft: Bei Zigaretten zählt nur der Preis

Die Qual der Wahl: Allein in Deutschland gibt es mehr als 300 unterschiedliche Zigarettenmarken. Der Genuss der einen Marke lässt den Raucher teilhaben am legeren Leben der Franzosen, dem "Savoir Vivre", der Rauch der anderen nimmt den Konsumenten mit ins Marlboro-Country, dort wo die Cowboys zu Hause sind.

Die Qual der Wahl: Allein in Deutschland gibt es mehr als 300 unterschiedliche Zigarettenmarken. Der Genuss der einen Marke lässt den Raucher teilhaben am legeren Leben der Franzosen, dem "Savoir Vivre", der Rauch der anderen nimmt den Konsumenten mit ins Marlboro-Country, dort wo die Cowboys zu Hause sind. Doch immer mehr Raucher pfeifen auf das mit teuren Werbekampagnen aufgebaute Image. Statt sich mit dem suggerierten Lebensgefühl zu identifizieren, greifen sie zu den billigeren Zigarettenmarken von Aldi, Plus und Co.

Jeder vierte Bundesbürger tut es. Er raucht, und zwar konstant viel. Bei zwei Schachteln für den Kettenraucher am Tag, der angeblichen "Zigarette danach" plus die Kippe zum Bier in der Eckkneipe kommt einiges zusammen - 140 Milliarden Glimmstengel wurden im vergangenen Jahr im Bundesgebiet verkauft, in etwa die gleiche Menge wie im Vorjahr. Da sich der deutsche Tabakkonsument bislang als treuer Kunde seiner Stammmarke auszeichnete, konnten die etablierten Zigarettenkonzerne wie Philip Morris (Marlboro, F6), British American Tobacco (Lucky Strike, Gauloises Blondes, HB) und Reemtsma (West, Davidoff, R1) - die 80 Prozent des Marktes beherrschen - immer mit Gewinnen rechnen.

Doch die Unternehmen fürchten um ihre Stellung, da in Zeiten knapper Kassen die Raucher immer öfter die Billigzigaretten in ihren Einkaufskorb legen. Im September stieg der Anteil der Handelsmarken erstmalig auf mehr als 15 Prozent. Sie haben damit innerhalb von eineinhalb Jahren ihre Absatzmenge nahezu verdoppelt. "Ihr einziges Argument ist der Preis", meint ein Branchenkenner. Weil sie ohne Werbebudget auskommen, können die Handelsmarken die Preise der etablierten Konzerne gnadenlos unterbieten. Das Schreckgespenst einer Marlboro oder West hört auf solche illustren Namen wie Boston (Aldi), Imperial (Tengelmann/Plus) oder Magnum, unter dieser Bezeichnung vertreibt die Supermarktkette Real ihre Zigaretten.

Eine Schachtel der von einem Drittel aller Raucher bevorzugten Marke Marlboro kostet rund 5,50 Mark, die Handelsmarken liegen im Durchschnitt bei 3,85 Mark. Und der Preisdruck für die etablierten Anbieter verschärft sich. Der Bundestag hat am vergangenen Freitag die Erhöhung der Tabaksteuer beschlossen: Am 1. Januar 2002 und 2003 steigt sie um jeweils einen Cent pro Zigarette. "Damit wird die Preisschere zwischen Marken- und Handelszigaretten noch größer", klagt Ernst Brückner vom Verband der Cigarettenindustrie, der in der Steuererhöhung eine klare Bevorzugung der Handelsmarken sieht. Denn die Tabaksteuer setzt sich neben einer Stückbesteuerung aus einem prozentualen Anteil am Endverbraucherpreis zusammen.

Die Tabakkonzerne versuchen mit eigenen Billig-Angeboten den Siegeszug der Handelsmarken zu stoppen. Marktführer Philip Morris brachte Anfang des Jahres Basic auf den Markt, Reemtsma konterte mit Polo. Beide liegen preislich zwischen der Billig- und der Markenzigarette. Doch die Attacke ging bislang daneben und traf vor allem die eigenen Produkte: der Marktanteil von Reemtsma sank um 1,3 Prozent, Marktführer Philip Morris musste Ruckgänge von zwei Prozent verdauen.

Einen richtigen Preiskampf scheuen die Unternehmen jedoch. "Ein Teil der kommenden Steuererhöhungen müsse die Wirtschaft bereits übernehmen", sagt Brückner, "woher soll das Geld also für Preissenkungen kommen?" Der VDC-Sprecher sieht keinen Spielraum. Noch mehr Unbehagen dürfte dem Verband und seinen zehn Mitgliedsunternehmen aber die Erinnerung an den letzten offensiven Preiskampf Anfang der 80er Jahre bereiten. Damals brachen die Gewinne der gesamten Branche ein.

Während sich Reemtsma nicht zu neuen Planungen äußert, zeigt sich der Hamburger Ortsnachbar British American Tobacco (BAT) gelassen. "Solange kein Mitbewerber die Preise senkt, werden auch wir nichts tun", sagt Unternehmenssprecher Rainer Stubbenvoll. Man werde weiter auf Qualität der eigenen Produkte setzen. Der Trend der vergangenen Jahre gibt BAT recht, als einziger der großen Tabakkonzerne konnte er seinen Marktanteil nahezu konstant halten. Garanten des Erfolgs sind Lucky Strike und Gauloises Blondes - zwei der wenigen Markenzigaretten, die Zuwächse verzeichnen können. So schaffte es BAT im vergangenen Jahr erstmalig, Mitkonkurrent Reemtsma zu überholen und zum zweitgrößten Anbieter auf dem deutschen Markt aufzusteigen.

Doch die eigentlichen Gewinner bleiben die Handelszigaretten. Selbst wenn das Rauchen teurer wird, droht ihnen kein Verdrängungswettbewerb durch selbstgedrehte Zigaretten, die eine weitere Preisklasse tiefer rangieren. Denn deren Raucher müssen mit Schlimmerem rechnen: Die EU will die Steuer auf den so genannten Fein-Schnitt-Tabak stärker erhöhen.

Nicholas Neu

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