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Wirtschaft: Beim neuen BDI-Präsidenten werden 40 Stunden gearbeitet

Der künftige Chef des Industrieverbandes macht da weiter, wo der alte aufhört: bei der Reform-Kritik. Doch der Ton wird netter

Berlin - Er drängt sich nicht darum, jetzt schon etwas zur Mitbestimmung, zum Standort Deutschland, zu Arbeitskosten und Arbeitsplatzverlagerung zu sagen. Noch sei er nicht im Amt, sagt Jürgen Thumann. Und dann drängt es ihn doch: Schließlich will er Ende November zum Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) gewählt werden: „Wir wollen die Mitbestimmung nicht abschaffen, wir wollen sie anpassen“, sagt er zum Streit um die Frage, wie viel Rechte die Arbeitnehmer künftig haben sollen. Es gehe außerdem ja gar nicht um die Mitbestimmung in kleinen und mittleren Unternehmen – „mit der leben wir sehr gut“ – sondern um die Arbeitnehmeraufsichtsräte in Aktiengesellschaften. Da müsse renoviert werden.

Mit der Wahl des 63-jährigen Jürgen Thumann wird der Industrieverband von seinem strengen Konfliktkurs gegen die Bundesregierung abrücken. Er wird das Tempo und die Schärfe zurücknehmen, mit dem der noch amtierende Präsident Michael Rogowski in den vergangenen Monaten versucht hatte, weitere Reformbekenntnisse zu erzwingen. Als eingesessener Düsseldorfer Unternehmer unterhalte er beste Beziehungen zur Landesregierung, versichert Thumann – „natürlich auch zum ehemaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement“.

Für Rogowski, den früheren Chef und Miteigentümer des 20000-Mann-Maschinenbaukonzerns Voith in Heidenheim, ist die Mitbestimmung „ein historischer Fehler“, die Bundesregierung längst nicht sicher und entschieden genug auf ihrem Reformkurs. Thumann, Miteigentümer von 24 kleinen Stahlverarbeitungsfirmen mit rund 2000 Mitarbeitern in aller Welt, hält sie „für renovierungsbedürftig, ja, aber auch nicht mehr“. Geht es Rogowski um „Hartz V, Hartz VI, Hartz VII und Hartz VIII, die unserem Land die Freiheit wiederbringen würden“, wäre Thumann schon glücklich, wenn die Steuergesetze mittelstands – und vor allem personengesellschaftsgerecht gestaltet würden.

Thumann stellt Batteriehülsen und Asthma-Spraydosen her, er entwickelt neuartige Operationsnadeln und fabriziert die Logoplaketten fast aller Automarken, die dann auf die Kühlergrills montiert werden. Das kann er in Deutschland, er kann es in Holland, in Hongkong oder in den USA tun. Er selbst arbeitet nicht in der Verwaltungsetage eines Werkes, sondern kontrolliert das Firmengeflecht vom Holding-Büro der Heitkamp & Thumann Group an der Düsseldorfer Königsallee aus. Er sei ein global tätiger, mittelständischer Eigentümerunternehmer, sagt er – der sich auf Marktfragmente im Stahlmarkt spezialisiert hat. Fragmente wie Autoplaketten eben, oder Dosenhülsen, oder Schienen für Autositze.

Sätze wie, „in Deutschland wird man bald keine Massenautos mehr bauen können“, kommen dem Weltunternehmer ganz leidenschaftslos und beiläufig über die Lippen – wobei der Golf, wohlgemerkt, auch eines dieser Massenautos sei, für die es kritisch werde. Dass er selbst in Deutschland Batteriehülsen herstellt – das sind die kleinen Becher, in die die Batterieflüssigkeit gefüllt wird – sei kein Widerspruch: Schließlich würden in Deutschland die Werkzeuge und Maschinen entwickelt, um die Technik auch an anderen Standorten einzusetzen. Und: In Thumanns deutschen Unternehmen, allesamt im Einflussbereich der IG Metall, ist die 35-Stunden-Woche noch nie ein Thema gewesen. Die Regelarbeitszeit sind 40 Stunden, sagt Thumann. Unter diesen Voraussetzungen kann man auch in Deutschland gut arbeiten, investieren – und neue Leute einstellen. Sagt der Mann, der BDI-Präsident werden will.

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