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Jeans statt Glamour. „Einen Hoodie kann man immer tragen“, sagt Sälzer. „Man muss es sich als knapp 60-Jähriger aber jedes Jahr neu beweisen.“

© imago/argum

Bench-Chef Sälzer im Interview: „Wir haben das Berlin-Gefühl“

Früher Chef von Hugo Boss und Escada, heute bei Bench: Bruno Sälzer über den Brexit, Mode für die Snapchat-Generation und zahme Heuschrecken.

Herr Sälzer, wie fühlt es sich nach dem Brexit an, Chef eines britischen Unternehmen zu sein?

Es fühlt sich an wie vorher. Ich glaube auch nicht, dass sich in den kommenden zwei Jahren daran irgendetwas ändert, auch an unserem Geschäft nicht. In Pfund mussten wir schon vor dem Brexit rechnen, und einen Ausweis brauchte ich an der Grenze ebenfalls schon früher.

Bench bekommt jetzt mehr Pfund für jeden in Europa umgesetzten Euro.

Sollte das Pfund wirklich dauerhaft gegenüber dem Euro abgewertet werden, dann ja.

Großbritannien ist nach Deutschland und Kanada Ihr wichtigster Markt. Die Firma hat ihren Sitz in Manchester und München. Sind Ihre Mitarbeiter verunsichert?

Das ist ein großes Thema, keine Frage. Aber auch nach dem Brexit bleibt Großbritannien für Deutschland und die deutsche Wirtschaft so wichtig, dass es eine enge Beziehung beider Länder geben wird. Die Marke Bench nimmt keinen Schaden. Unsere Herkunft bleibt britisch-angloamerikanisch.

UK ist uncool nach dem Brexit.

Finden Sie? Wegen des Brexits wird es nicht weniger Musik, Festivals, DJs, Urban Fashion geben – all das sind unsere Themen. Und im Unternehmen wird weiter englisch gesprochen.

Sie denken also nicht daran, wie andere Unternehmen, Bench komplett nach Deutschland zu holen?

Wir steuern schon heute das Geschäft überwiegend von München aus, weil 85 Prozent unserer Großkunden von dort aus betreut werden. Auch das komplette Design sitzt in München.

Warum dann noch Manchester?

Weil dort unsere Wurzeln liegen, die wir brauchen. Bench wurde 1989 in Manchester gegründet, wir beschäftigen 50 Mitarbeiter dort. Die Stadt lebt von der Ausstrahlung der Musikszene, die für Bench eminent wichtig ist. Gerade haben wir die Londoner Band Rudimental unter Vertrag genommen. Wir würden niemals eine bayerische Band international promoten.

Warum sind Sie nicht nach Berlin gekommen – das Lebensgefühl der Stadt passt doch viel besser?

Wir haben das überlegt. Es stimmt, Berlin ist der natürlichere Standort für Bench. Wir haben uns sogar schwergetan, einen Standort in München zu finden. Aber nach drei Monaten hatten wir einen: eine 160 Meter lange ehemalige Industriehalle von Siemens. Das passt schon. In Berlin hätten wir das Gebäude vielleicht in drei Tagen gefunden und zum halben Preis bekommen – aber es geht auch so. Außerdem finden wir auch in München die richtigen Leute. Die Stadt hat viele Modelabels angezogen: Armani, Escada, Bogner, Helly Hansen, Ralph Lauren, Michael Kors.

Herr Sälzer, wie lange kann man eigentlich einen Hoodie, eine Kapuzenjacke, tragen, ohne peinlich zu sein?

Immer. Aber nicht jeder kann es. Man muss sich als knapp 60-Jähriger jedes Jahr neu beweisen, dass es geht – aber das gilt für den 25-Jährigen ja genauso.

Bench hat den Hoodie quasi miterfunden. Warum ist dieses Kleidungsstück so unverwüstlich?

Man kann als Designer viel damit machen. Ein Hoodie hat nicht immer die gleiche Form, die gleiche Qualität. Er braucht einen guten Kopf, das große Bild. Der Hoodie ist, wie der Anzug im formellen Bereich, ein inhärent modisches Produkt.

Wann haben Sie das letzte Mal einen Hugo-Boss-Anzug getragen?

Vor zwei Wochen, in Paris. Es hängen immer viele Hugo-Boss-Anzüge in meinem Schrank.

Sie waren Chef von Hugo Boss, von Escada – und nun von Bench. Wie austauschbar sind Mode-Manager eigentlich?

Alle drei Marken haben eine Gemeinsamkeit: Sie machen etwas mit Stoff, sind keine Schuh- oder Accessoirefirmen. Egal ob in der formellen Welt oder unseren Outfits – am Ende geht es immer um Stoffe, Look, Style, Farbe, ein eigenes Statement. Auch bei Hugo Boss und Escada war es dabei wichtig, die junge Mode zu verstehen. Denn Mode ist per se für alle ein junges Thema, selbst wenn die Kunden schon etwas älter sind. Auch ein Porsche gilt als jungdynamisch – obwohl die Käufer im Schnitt über 50 sind.

Wie schaffen Sie den Spagat? Wie nah können Sie als 59-Jähriger Ihrer Zielgruppe der 15- bis 20-Jährigen sein?

Ich habe zu Hause vier Jungs zwischen 13 und 21. Sie sind die Digital Natives, für die Bench Mode macht.

Woran erkennt man das Outfit eines Digital Natives?

Im Einzelfall ist das schwer zu erkennen, in der Summe aber schon. Es geht um Bekleidungskultur, die man Streetwear, Urban Wear oder Urban Style nennen kann, die von Freunden getragen wird, die die gleichen Fashion-Blogger und Influencer in den Social Media kennen, die snapchatten, zusammen feiern oder arbeiten. Wenn früher die großen Mode-Magazine zu unseren Präsentationen kamen, kommen heute 20 Blogger und Influencer, die wegen ihres hohen Ansehens im Netz wichtig für uns sind.

Gibt es Vorbilder, die den Trend für diesen Mode-Style setzen?

Bei Bench waren es früher Robbie Williams, Oasis oder Lady Gaga. Heute sind es die Outfits von Apple, Facebook, Google. Marken aus dem Online-Kosmos.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat den Schrank voller grauer T-Shirts …

Aber vielleicht in 38 verschiedenen Grautönen. Das Beispiel Zuckerberg zeigt, wie relevant der Streetstyle heute ist. Die Marktkapitalisierung von Facebook ist vier Mal höher als die von Daimler.

Daimler-Chef Dieter Zetsche tritt inzwischen auch in Jeans und Turnschuhen auf. Ist das Anbiederung oder neue Lässigkeit?

Bei Dieter Zetsche ist es echt, der passt da rein. Aber auch bei anderen Managern gilt: Spätestens wenn sie zu Hause sind, tragen sie alle diese Outfits. Ich glaube, hier werden wir in den klassischen Industrien neue Umgangs- und Bekleidungsformen erleben.

Facebook oder Youtube sind inzwischen weniger angesagt als Snapchat. Wie bekommt man als Markenhersteller einen Fuß in die Tür, wenn auf der App Fotos und Filme nur für Sekunden zu sehen sind?

In den USA sind mehr als 40 Prozent der User bis 35 Jahre täglich auf Snapchat. Demnächst ist Werbung bei Snapchat erlaubt. Das wird uns helfen, aber ich kann Ihnen heute nicht sagen, was es uns bringen wird. Man muss dabei sein, alle probieren herum, aber es gibt noch keine stabilen Kennzahlen, an denen man den Marketingerfolg ablesen kann.

Wie viel gibt Bench für Marketing aus?

Wie alle in der Branche, fünf bis zehn Prozent vom Umsatz.

Sie haben für einige Millionen Euro 15 Prozent der Firma gekauft. Den Rest hält der Finanzinvestor Emeram. Wie geht es Ihrem Investment? Stimmt die Rendite?

Ich bin genau wie Emeram langfristig orientiert. Unser 2014 getätigtes Investment ist auf bis zu zehn Jahre angelegt. Es bleibt Zeit, um die Marke wieder begehrlicher zu machen.

Manche sagen, Bench hat den Anschluss an den Markt verloren.

Das stimmt nicht. Nach dem Hype vor fünf, sechs Jahren wurde es ruhiger um Bench. Aber der Markenkern ist gesund, und der Markt ist stabil. Stars wie Jess Glynne oder Rudimental, mit denen wir zusammenarbeiten, geben uns recht. Auch viele Initiativbewerbungen, die wir bekommen. Die Marktforschung zeigt, dass ein hoher Anteil der Leute den Markennamen gut findet und Bench-Produkte kaufen würde – ohne immer zu wissen, dass Bench eine Bekleidungsfirma ist.

Sie könnten auch Kühlschränke verkaufen.

Möglicherweise ja.

Hugo Boss haben Sie im Streit mit einem Finanzinvestor verlassen. Auch Bench ist durch die Hände von VC-Gesellschaften gegangen. Was ist diesmal anders?

Die Langfristigkeit. Und Emeram bürdet Bench keine Schulden auf, wie es VC-Gesellschaften vor der Finanzkrise gerne getan haben. Unsere Bankenverbindlichkeiten liegen nahe der Nulllinie.

Würden Sie Ihren Anteil aufstocken, wenn sich Emeram vorzeitig verabschiedet?

Diese Option gibt es, ja.

Bench hat weltweit 3000 Verkaufsstellen bei einem Umsatz von rund 100 Millionen Euro. Wird der stationäre Handel ausgebaut, wenn Sie wachsen?

Selbst wenn wir den Umsatz verdoppeln sollten, bleibt es vermutlich bei den 3000 Verkaufsstellen. Mehr wäre nicht sinnvoll. Pro Jahr verkaufen wir etwa vier Millionen Teile, wobei jedes Teil im Schnitt 50 Euro kostet. Das ist ein guter Wert und zeigt, wie stark die Marke ist. Diese Zahlen sind wichtig, weil man mindestens zwei Millionen Teile verkaufen muss, um innovative, gute Lieferanten zu finden. 70 Prozent unserer Lieferanten sind inzwischen neu. Dies und viele anderen Maßnahmen haben dazu geführt, dass wir acht Mal im Jahr neue Waren anbieten können. Unsere Mode ist heute eindeutiger, mehr auf den Punkt.

Jüngst haben Sie einen Lizenz-Deal für Schuhe geschlossen – mit Deichmann. Uncooler geht es nicht, oder?

Die Deichmann-Marken Roland, MyShoes und Ochsner werden unsere Schuhe in Deutschland, Österreich und in der Schweiz verkaufen. Sie werden keine Bench-Schuhe in den regulären Deichmann-Filialen finden. Deichmann ist wie Ikea, eine eigene Kampfklasse. Größer geht es nicht – und das ist richtig cool!

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

ZUR PERSON

Bruno Sälzer (59) ist seit Ende 2014 Chef und Anteilseigner (15 Prozent) der Modefirma Bench. Nach Stationen bei Beiersdorf und Schwarzkopf wurde der promovierte Betriebswirt Sälzer 2002 Vorstandschef von Hugo Boss. 2008 ging er im Streit mit dem Finanzinvestor Permira und wechselte zur angeschlagenen Modefirma Escada. 2009 musste Escada Insolvenz anmelden. Die Sanierung gelang nach der Übernahme durch die Investorin Megha Mittal. Sälzer ist verheiratet und hat vier Söhne. Er ist Träger eines schwarzen

Karate-Gürtels. Bench wurde 1989 in Manchester gegründet. Die Marke für urbane Mode erzielte zuletzt einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro.

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