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Benzinpreis: Bis zur nächsten Runde

Der Benzinpreis steigt – und wieder geraten die Ölkonzerne unter Kartellverdacht. Sprechen sich Aral, Shell und Co ab?

Berlin - Bis Ostern, wenn die Deutschen mit dem Auto in den Urlaub aufbrechen oder Eltern und Großeltern besuchen, sind es noch gut zwei Wochen. Dass die Reise teurer wird als beim letzten Mal, steht aber schon jetzt fest. „Wucherpreise“ verlangten die Tankstellen für Benzin, findet Wolfgang Rose, Vorsitzender des Auto-Clubs Europa. Die „Ölpreisspekulanten“ seien schuld und die „mächtigen Ölmultis“, die Millionen von Konsumenten überhöhte Preise diktierten. Rose sieht nur einen Ausweg: „Das muss die Politik in den Griff bekommen.“

Den Ärger des Automanns erregt hat der Anstieg des Benzinpreises in jüngster Zeit. Knapp 1,40 Euro müssen die Verbraucher derzeit im Bundesdurchschnitt für den Liter Super bezahlen, Berlin liegt laut Internetdienst clever-tanken.de mit 1,44 Euro etwas über dem Trend.

Und das trotz einer äußerst mauen Wirtschaftslage. Im Sommer 2008 erreichte der Spritpreis den bisherigen Rekordstand von 1,59 Cent – doch damals war die Konjunktur auf dem Höhepunkt, Benzin weltweit gefragt. „Um alle Branchen kümmert sich die Politik – um Arzneimittelhersteller, Gasanbieter, Stromkonzerne, Bahn, Finanzmärkte. Nur nicht um den Benzinmarkt“, sagte ACE-Mann Rose dieser Zeitung. Das müsse sich ändern. „Die Regierung muss sich auch um die Regulierung des Marktes für Mineralölprodukte kümmern.“

Der Vorwurf trifft die Tankstellen-Ketten von Shell, Aral, Jet, Total und Esso, die rund 70 Prozent des Marktes kontrollieren, nicht zum ersten Mal. Daher reagieren sie beinahe genervt. Die Lage sei „ganz anders“ als 2008, sagt ein Sprecher des Marktführers Aral. „Dass der Benzinpreis wieder in die Nähe von 1,60 Euro kommt, sehe ich nicht.“ Das glaubt auch die Konkurrenz. „Die Tendenz geht nach oben“, sagt Stephan Zieger, Geschäftsführer beim Bundesverband freier Tankstellen. „Aber die Preise werden nicht durch die Decke gehen, auch vor Ostern nicht.“ Schon wegen des heftigen Wettbewerbs unter den etwa 14 500 Tankstellen. „Keiner gönnt dem anderen das Schwarze unter den Fingernägeln“, berichtet Zieger.

Dass es bergauf geht, liegt nach Einschätzung der Branche auch an den Spekulationen auf dem weltweiten Markt. Zudem beginne bald die Fahrsaison im größten Autoland Amerika, dorthin werde viel des in Europa produzierten Benzins verkauft. Hinzu kommt die Griechenland-Krise. Der Euro-Kurs schwächelt, mithin auch die Kaufkraft an den Märkten, die in Dollar rechnen. „Die Preisschwankungen des kostbaren Rohstoffs sind deshalb spürbar bis an die Zapfsäule“, sagt Reinhard Kahnau, Chefredakteur des Branchendienstes Oil Market Report. Auf seinem Tiefstand vor einem Jahr kostete Rohöl noch 45 Dollar, heute sind es wieder mehr als 80 Dollar, vor allem wegen des Aufschwungs in Asien.

Das Misstrauen gegenüber der Ölwirtschaft kann all das nicht ausräumen. Immer wieder geraten die Tankstellen in den Verdacht, pünktlich vor Feiertagen und Ferien die Preise anzuheben. Dass sie sich zumindest nach den Wochentagen richten, hat der Automobilklub ADAC bereits nachgewiesen – montags ist der Treibstoff noch günstig, bis zum Freitag schrauben ihn die Konzerne um durchschnittlich knapp vier Cent nach oben.

2008 hat sich das Bundeskartellamt die Benzinkonzerne vorgeknöpft. Seitdem nimmt das Amt den gesamten Markt unter die Lupe, vom Bohrloch über den Transport per Pipeline und Tanker bis zur Zapfpistole. „Auf allen Marktebenen findet man Strukturen vor, die stark dämpfend auf den Wettbewerb insgesamt wirken“, heißt es im Zwischenbericht vom Juni 2009. Hinweise auf ausdrückliche Absprachen hätten die Beamten bis heute aber nicht gefunden, sagt ein Sprecher.

Nur in einzelnen Fällen bekam das Amt heraus, dass Tankstellenbetreiber ihren direkten Konkurrenten in der Nachbarschaft die Preise melden. Man gehe davon aus, dass es sich „nicht um einen Einzelfall“ handele und ein derartiger Informationsaustausch auch in anderen Regionen üblich sei. Doch auch bundesweit liegen die großen Anbieter immer dicht beieinander. Es hätten sich „Preissetzungsmuster etabliert, an die sich fast alle Tankstellen halten“, heißt es in dem Bericht aus Bonn. Deshalb werde man es nicht zulassen, dass das Oligopol der Anbieter noch mächtiger werde, etwa durch Zukäufe.

Wettbewerbsexperten bezweifeln dennoch, dass das Kartellamt eingreifen muss. „Wenn es hier Milliarden zu verdienen gäbe, würden mehr Anbieter Tankstellenketten aufbauen, um auch ein Stück vom Kuchen zu bekommen – das ist aber nicht der Fall“, argumentiert Justus Haucap, der Vorsitzende der Monopolkommission der Bundesregierung. Zwar gebe es gleichgerichtetes Verhalten bei den Preisen, das sei aber nicht strafbar. „Dass die Preise vor Weihnachten oder Ostern steigen, muss nichts heißen – wenn in einer Stadt eine Messe stattfindet, erhöhen die Hoteliers ja auch die Preise“, findet er. Den Verbrauchern bleibt nur, die Preise noch intensiver zu vergleichen. „Es gibt Supermarkt- und freie Tankstellen“, sagt Haucap. Jedem stehe es frei, dort zu tanken. „Wenn die Verbraucher die Preise bei den Ketten zu hoch finden, sollten sie vermehrt dort tanken. Sie tun es bislang nicht, also scheint der Leidensdruck noch nicht sehr groß zu sein.“

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